Corona scheint weit weg zu sein. Selbst warnende Stimmen aus der Wissenschaft halten das Infektionsrisiko derzeit für gering. Der Respekt vor dem Virus aber ist in weiten Teilen der Bevölkerung geblieben. Dies zeigte das erneute Ja zum Covid-19-Gesetz im Juni. Mit knapp 62 Prozent war die Zustimmung so hoch wie bei beiden Abstimmungen zuvor.
Ein Faktor dürfte dabei eine zusätzliche Rolle gespielt haben: Der Ärger über die Zwängerei der Massnahmengegner, die trotz der beiden vorherigen Pleiten erneut das Referendum ergriffen hatten. Aufgeben aber wollen sie nicht. Die Gruppierungen «Aufrecht» und «Mass-Voll» planen bei den nationalen Wahlen im Herbst in mehreren Kantonen anzutreten.
Zuversicht schöpfen sie aus den Zürcher Wahlen im Februar, bei denen ihre Liste einen Wähleranteil von mehr als zwei Prozent verbuchte. Das hätte im Prinzip für mehrere Sitze im 180-köpfigen Kantonsrat gereicht. Nur weil die nötigen Kriterien (mindestens drei Prozent im ganzen Kanton oder fünf Prozent in einem Wahlkreis) verfehlt wurden, gingen sie leer aus.
Das sorgte bei der SVP für Alarmstimmung, denn die Skeptiker «wildern» in ihrem Revier. Die letzten kantonalen Wahlen hätten gezeigt, dass die SVP überall dort besser abgeschnitten habe, wo es keine Konkurrenz aus dem massnahmenkritischen Lager gab, sagte Marcel Dettling, Leiter des nationalen Wahlkampfs, dem «Tages-Anzeiger».
Der Schwyzer Nationalrat hat deshalb den Tarif durchgegeben: «Ich habe den Kantonalparteien gesagt: Redet mit diesen Gruppen und versucht, Listenverbindungen abzuschliessen – sonst landen diese Stimmen im Papierkorb.» Nun aber zeigt sich, dass dies leichter gesagt ist als getan. Denn der grosse Allianzpartner FDP spielt nicht mit.
«Mass-Voll» will mit einer Liste antreten und hat mit Nancy Holten ein bekanntes Zugpferd angeheuert. SVP-Präsident Andreas Glarner, der keine Berührungsängste zur Gruppierung von Nicolas Rimoldi kennt, war offen für ein Bündnis. Die Aargauer FDP-Präsidentin Sabina Freiermuth jedoch erklärte, dass in diesem Fall die vereinbarte Listenverbindung platzt.
Parteiintern kam Glarners «Schmusekurs» gemäss der «Aargauer Zeitung» ebenfalls schlecht an, denn Veganerin Nancy Holten ist als Kämpferin gegen Kuh- und Kirchenglocken für viele SVPler eine Reizfigur. Zweimal wurde der gebürtigen Holländerin in ihrer Fricktaler Wohngemeinde die Einbürgerung verweigert, obwohl sie die Voraussetzungen erfüllte.
Selbst die evangelikale EDU wollte von einer gemeinsamen Listenverbindung mit SVP und «Mass-Voll» nichts wissen, vor allem wegen Holten. Am Mittwochabend setze die SVP-Geschäftsleitung «dem Spuk ein Ende», so die AZ. Sie pfiff Andreas Glarner zurück, eine Listenverbindung der SVP mit «Mass-Voll» wird es im Aargau nicht geben.
Im grössten Kanton ist das Verhältnis zwischen SVP und FDP traditionell schwierig. Immer wieder haben die Volkspartei und ihr Antreiber Christoph Blocher gegen den «FDP-Filz» gestichelt, zuletzt in Zusammenhang mit dem Credit-Suisse-Debakel. Dennoch stimmten die FDP-Delegierten für eine Listenverbindung, wenn auch ganz knapp.
Zahlreiche Freisinnige konnten sich damit nur schwer abfinden. Eine SVP-Allianz mit den «Schwurblern» würde das wackelige Bündnis zum Einsturz bringen. Allerdings beruht die Antipathie im Fall von Nicolas Rimoldi – der gebürtige Luzerner kandidiert in Zürich – auf Gegenseitigkeit. Der frühere Jungfreisinnige hat sich wegen Corona mit der FDP verkracht.
Eigentlich strebt die SVP möglichst viele Listenverbindungen mit der FDP an. Das erschwert eine Annäherung an die Skeptiker-Parteien. In Luzern und anderen Kantonen, in denen sich die Freisinnigen verweigern, könnte es dazu kommen. Der Schaden durch Stimmenverluste an die Massnahmengegner dürfte sich für die SVP jedoch in Grenzen halten.
Denn die Skeptiker-Szene ist nicht nur sehr heterogen, sondern auch zerstritten. Sie hat sich nie wirklich erholt vom zweiten Abstimmungskampf zum Covid-Gesetz im November 2021, die sie zu einer Schicksalsfrage hochstilisiert und mit enormem Aufwand geführt hatte. Nun hat sich Patrick Jetzer, Präsident von «Aufrecht», via Facebook zu Wort gemeldet.
Er hatte bei den Zürcher Kommunalwahlen 2022 einen Sitz im Gemeindeparlament von Dübendorf und damit einen der wenigen zählbaren Erfolge für die Massnahmengegner errungen. Medial fühlt er sich dennoch wenig beachtet, wofür Jetzer unter anderem die «bunten Vögel», die «Selbstdarsteller und Satiriker» verantwortlich macht.
Jetzer behauptet gegenüber watson, es handle sich um eine «allgemeine Aussage». Gemeint sein aber könnten der Comedian Marco Rima, der in Zug für den Ständerat kandidiert, oder Daniel Stricker, der mit seinem Youtube-Kanal zu einem prominenten Vertreter der Szene wurde. Er hat ein Faible für schrille Auftritte. Zu einer Gerichtsverhandlung in Zürich erschien er kürzlich im Indianerkostüm.
Stricker hatte eine «Freiheitspartei» gegründet, doch nach Patrick Jetzers Attacke erklärte der Thurgauer gemäss «20 Minuten», er werde im Herbst nicht für den Nationalrat kandidieren. Er wolle «nicht Teil dieses Niedergangs sein», so Stricker. Der Niedergang manifestiert sich auch bei anderen Gruppen wie den Freunden der Verfassung.
Ihr Präsident Roland Bühlmann kandidiert auf der Aargauer «Mass-Voll»-Liste, doch die «Freunde», die einst über eine ansehnliche Mitgliederkartei und eine üppig gefüllte «Kriegskasse» verfügt hatten, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Von der vollmundig angekündigten Nein-Kampagne zur dritten Covid-Abstimmung war kaum etwas zu sehen.
Andere ehemalige Exponenten der Corona-Skeptiker haben sich ganz abgemeldet, so etwa Michael Bubendorf. Er war einst ein mediales Sprachrohr der Szene. Inzwischen hat sich der Baselbieter von Demokratie und Rechtsstaat abgewandt und in eine anarcho-libertäre Parallelwelt zurückgezogen, wie er im «Schweizer Monat» schilderte.
Zerstritten, zersplittert und wohl ohne starke Partner: Der Weg der Skeptiker ins Parlament ist steinig. Der Politikanalyst Mark Balsiger traut ihnen einen Sitzgewinn einzig in Zürich zu, wie er zu «20 Minuten» sagte. Der Kanton erhält einen zusätzlichen Sitz im Nationalrat. Doch trotz Achtungserfolg im Februar werden sie dafür sehr viel Proporzglück benötigen.
Hat er schon angefangen sein Badewasser zu verhökern?
Dass FDP und SVP Verbindungen eingehen, liegt ja fast auf der Hand, zumal sie ja, wenn auch mit anderen Mitteln, die gleichen Ziele verfolgen (der FDP kann man dabei zugute halten, dass sie wenigstens nicht so tu, als ob ihnen der Mittelstand und der "Büezer" wichtig wäre.
Dass man aber aus purem Opprtunismus mit demoktratiefeindlichen Schwurblern zusammen auf die Liste will, ist schon hochgradig bedenklich und zeigt wessen geistig Kind die SVP ist.
...wobei sie mit Demokratiefeindlichkeit ja immerhin einen gemeinsamen Nenner haben.
Ebenso keine, welche von sich behaupten Engelsenergie zu besitzen und alles daran setzen, um aufzufallen.
Egal in welcher Form.
Zum Glück können es die Selbstdarsteller nicht untereinander, weil Neid und Missgunst unter ihnen herrscht und sie bestimmt.
Und das neutralisiert sie dann meistens.