Was die Schweizer Nationalmannschaft beim 1:1 gegen Brasilien und dem 2:1 gegen Serbien am markantesten auszeichnete, war ihre Ruhe im Aufbauspiel. Gegen beide Teams lag die Nati mit einem Tor in Rückstand. Doch zu keinem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass das Team von Vladimir Petkovic aus der Fassung gerät. Völlig unbeirrt machte die Schweiz in den bisher 180 Minuten ihr Spiel, die vier Punkte sind der verdiente Lohn dafür.
Selten hat man in der Vergangenheit eine Schweiz gesehen, die nach einer vergleichbaren Situation wie beim frühen 1:0 der Serben so ruhig weitergespielt hat. Und auch nach dem Ausgleich hat die Schweiz nie aufgehört, Fussball zu spielen. Der Siegestreffer ist die logische Konsequenz dieser bestechenden Ruhe – auch wenn er erst in der 90. Minute gefallen ist.
Die Leistung ist beachtenswert: Kein Team hat an der WM in Russland zuvor ein 0:1 noch gedreht.
Von einem WM-Debütanten erwartet man alles – nur keine zu grossen Worte. Steven Zuber ist da anders. Nach dem Spiel gegen Brasilien sagte er gegenüber den Medien trocken: «Wir wollten gegen Brasilien natürlich gewinnen, aber ein Punkt ist auch okay.»
Was früher als selbstüberschätzende Hochnäsigkeit abgestempelt worden wäre, ist heute Ausdruck des gesunden Selbstvertrauens der Schweiz. Kein Gegner ist mehr zu gross, nicht einmal ein Brasilien mit Spielern wie Neymar, Coutinho und Gabriel Jesus. Ein wichtige Eigenschaft, wenn man Grosses vor hat.
Doppeladler hier, ein «ic» zu viel dort. Wenn die Schweiz eines kann, dann ist das Nörgeln. Noch nie hatte die Schweiz ein derart heisses Kader an einer WM, doch scheint dies nicht jeden Schweizer Fan zu beeindrucken.
Alle reden über politische Themen und weitere Störfaktoren im Team von Vladimir Petkovic – ausser die Nati selbst. Seit den ersten Diskussionen 2014 hat das Gerede um die Herkunft der Spieler abgenommen. Ein Grund dafür ist Stephan Lichtsteiner. Der Captain vertritt die Garde der «Vollblut»-Schweizer, von denen einige gern mehr hätten – doch der 34-Jährige lobt das Schweizer Team mit all seinen Facetten in den höchsten Tönen. Und er hat den vollsten Respekt von Seiten der Leaderfiguren wie Granit Xhaka sowie auch Trainer Vladimir Petkovic. Eine Mischung, die in einer Multikulti-Truppe von immenser Bedeutung ist.
Der beste Innenverteidiger, den die Schweiz je hatte? Vielleicht noch etwas früh, um dies zu behaupten. Doch was der junge Manuel Akanji an dieser WM bisher zeigt, ist grossartig.
Souverän am Fuss, grandiose Übersicht und ein Zweikampf-Verhalten, das einerseits spektakulär aussieht, andererseits bestechend sicher ist. Sein Tackling gegen Neymar im ersten Spiel und seine Grätsche im eigenen Strafraum gegen Serbien wenige Minuten vor Schluss zeigen zudem, dass der erst 22-Jährige nur so vor Selbstvertrauen strotzt. Wenn er jetzt noch im Luftkampf etwas zulegt, kann er der beste Innenverteidiger werden, den die Schweiz je hatte.
Im wohl wichtigsten Spiel dieser WM-Gruppenphase hat Vladimir Petkovic wieder einmal alles richtig gemacht. Nach der schwierigen Auftaktpartie gegen Brasilien seinen Mittelstürmer auf der Bank zu lassen, hätte unnötige Unruhen ausgelöst. Nach einer schwachen ersten Halbzeit gegen Serbien war jedoch der richtige Moment, die viel kritisierte Nummer 9 auszuwechseln.
Mit dieser Amtshandlung machte der Trainer erste Anzeichen dafür, dass der bisher gesetzte Seferovic in den folgenden Spielen auch gut einmal auf der Bank gelassen werden könnte. Ein entscheidender Wechsel, der auf dem Weg in Richtung K.o.-Phase ausschlaggebend sein könnte.