Ist Marc Crawford ein Handicap bei der Mission Titelverteidigung des ZSC? Nein, natürlich nicht. Aber seit der Jahrtausendwende hat nur ein Trainer den Titel verteidigt: Dan Tangnes 2022 mit dem EV Zug. Kann Marc Crawford eine Ausnahme dieser Regel sein? Natürlich. Er hat schon in seiner ersten Amtszeit in Zürich gezeigt, dass er nach einem kurzen Sommer hoch fliegen kann: Auf den Titel von 2014 liessen die Zürcher unter dem Kanadier den Qualifikationssieg folgen. Und wurden erst im Final von einem entfesselten HC Davos gestoppt.
Es war der letzte Husarenritt des Duos Arno Del Curto/Reto von Arx. Der ZSC steigt auch jetzt, wie damals im Herbst 2014, mit Marc Crawford an der Bande als Favorit in die Saison. Mit der besten und ausgeglichensten Mannschaft der Liga. Wenn es einem Team möglich ist, den Titel zu verteidigen, dann den ZSC Lions. Die Altersstruktur ist sogar so, dass die Zürcher eine Dynastie errichten können. Eine Dynastie ist eine über längere Zeit anhaltende Herrschaft. Im nordamerikanischen Hockey sind dazu vier Stanley-Cup-Siege in Serie erforderlich.
Die bisher einzige Dynastie im Playoff-Zeitalter hat Kloten mit dem charismatischen Leitwolf Felix Hollenstein gebaut. Mit den vier Titeln 1993, 1994, 1995 und 1996. Bis auf den neuen finnischen Verteidiger Santtu Kinnunen und ein paar Beförderungen aus dem Farmteam ist das Team unverändert geblieben, es gibt keinen einzigen Schweizer Zuzug. Diese Kontinuität ist Fluch und Segen zugleich: Ruhe im Sommer, eingespieltes System einerseits. Aber andererseits haben meisterliche Sportchefs schon oft bedauert, dass ihnen nach einer Meistersaison der Mut zum Umbruch gefehlt hat. ZSC-Sportchef Sven Leuenberger, bereits der Architekt des Meisterteams von 2018, hat nun den Mut zur Kontinuität.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Benotung 1 bis 10.
Als die ZSC Lions Marc Crawford, den Meistertrainer von 2014, im Dezember 2022 zurückholten, war die Mission unmissverständlich: Meister werden, und zwar schnell. Im zweiten Jahr hat der Kanadier geliefert und die beste, teuerste Mannschaft der Liga zurück in den Hockey-Olymp geführt. Er hat es geschafft, die ausgeprägten Egos während der Qualifikation so zu managen, dass die Mannschaft sorgenfrei durch den Winter kam.
Immer wieder stellte er die Linien um und verhinderte so Genügsamkeit. Es wurde fleissig rotiert, sogar Denis Hollenstein sass mal überzählig auf der Tribüne. Der Trainer setzte Reizpunkte – vielleicht auch, weil er wusste, dass seine Mannschaft in den 52 Runden tendenziell zu selten gefordert werden würde.
Sein Masterplan hat funktioniert: Im Playoff konnten auch Verletzungen sein Team nicht aus der Ruhe bringen. Weil jeder schon mal mit jedem gespielt hatte. Marc Crawford steigt in seine 34. Saison als Cheftrainer, er wird im Februar 64; es ist gut möglich, dass Zürich der letzte Ort seiner beeindruckenden Karriere ist. Wird es ihm vergönnt sein, sich 2025 mit einem Titel in den Ruhestand zu verabschieden?
Simon Hrubec ist nach Ari Sulander (2000, 2001, 2008 und als Backup 2012) sowie Jakub Stepanek (2016 beim SC Bern) erst der dritte ausländische Meistergoalie unserer Playoff-Geschichte. Seit seiner Ankunft 2023 in Zürich spielt er Abend für Abend in Bestform. Er ist ein Perfektionist, sogar im Training, und ist nun in Tschechien, in der KHL und in der Schweiz Meister geworden – mit fünf Playoff-Shutouts.
Für jedes Zu-Null-Spiel wird eine Portion Donuts für die ganze Mannschaft fällig. Aber Sportchef Sven Leuenberger spielt mit dem Feuer. Er mutet seinem inzwischen 33-jährigen Torhüter eine extreme Belastung zu. Letzte Saison hat Simon Hrubec 42 Partien bestritten und es werden in der neuen Saison nicht weniger sein. Die ZSC Lions verzichten auf einen zweiten, teuren Torhüter, der die Nummer 1 problemlos 20 Spiele zu ersetzen vermag. Deshalb keine Maximalnote.
Nur 110 Gegentore kassierten die ZSC Lions, die nun zum zweiten Mal in Folge die stabilste Defensive der Liga hatten. Bei der Qualität und Tiefe im Kader und Simon Hrubec im Tor keine Überraschung, sondern Normalfall.
Sportchef Sven Leuenberger hat diese Abwehr fein austariert mit Kraft und Schmirgelpapier (Christian Marti, Yannick Weber), Kreativität (Mikko Lehtonen) und defensiver Weisheit (Patrick Geering, Dean Kukan, Dario Truttmann). Die Talente Timo Bünzli, Jan Schwendeler und Daniil Ustinkov sorgen für lebhafte Konkurrenz. Die Offensive entscheidet Spiele, die Defensive eine Meisterschaft.
Mit 167 Toren war die Offensive die zweitbeste der Liga hinter Gottéron (175). Und doch schien es während der ganzen Qualifikation, dass die ZSC Lions bei Bedarf jederzeit ein paar Gänge höher schalten könnten.
Wozu sie tatsächlich jederzeit in der Lage gewesen wäre. Mit Rudolfs Balcers, Jesper Frödén, Derek Grant und Denis Malgin erzielten vier Stürmer 18 oder mehr Tore. Diese offensive Breite hat es bei den ZSC Lions seit Einführung der Playoffs (1986) noch nie gegeben.
Als die ZSC Lions im Frühjahr-2023-Halbfinal ohne einen einzigen Sieg an Biel scheiterten, war die Frustration im Umfeld so gross, dass da und dort personelle Konsequenzen gefordert wurden. Auch völlig unsinnige wie die Ablösung von Sportchef Sven Leuenberger. Doch Präsident Walter Frey bewahrte Ruhe, wie es seine Art ist (Entscheide über die Auswechslung von wichtigem Personal gehen nach wie vor über seinen Schreibtisch), und er ist dafür belohnt worden.
Der Erfolg hat geholfen, die Swiss-Life-Arena auch in der zweiten Saison gut zu füllen, die Auslastung betrug 93,7 Prozent. Die ZSC Lions setzen inzwischen auch Massstäbe, wie eine Marke, die eigene Geschichte – kurzum: die Kultur – zu pflegen ist. Die Abschiedszeremonie für den verstorbenen Kultreporter Walter Scheibli war berührend. Kein anderer Klub kommt heute dem Vorbild einer NHL-Organisation so nahe wie die ZSC Lions, die sich auch als einzige ein eigenes Farmteam leisten. Der SC Bern macht mit seiner Gastronomie mehr Umsatz als die ZSC Lions. Aber Walter Frey ist der Architekt des wichtigsten Hockey-Unternehmens in der neueren Geschichte.
Kein anderer Klub bildet so viele Spieler aus, und es ist von zentraler Bedeutung, dass Eishockey in der Wirtschaftshauptstadt Zürich in allen Kreisen ein Thema ist. Es ist ihm gelungen, die modernste Hockeyarena Europas privat finanziert in einer Stadt zu bauen, die den Sitz des Weltfussballverbandes FIFA beherbergt und nicht fähig ist, ein Fussballstadion zu errichten. Alle wichtigen Führungspositionen (u. a. Manager Peter Zahner, Sportchef Sven Leuenberger) sind mit den Besten ihres Faches besetzt.
Eine Saisonvorschau von Eismeister Zaugg mit Rang-Prognosen zu allen Teams folgt kurz vor dem Saisonstart.
Idee, Konzept und Inhalt: Klaus Zaugg. | Redaktionelle Betreuung: Adrian Bürgler, Olivier Meier. | Technische Umsetzung: Nicole Christen, Carlo Natter, Philipp Reich, Jelle Schutter. | Spielerportraits: nationalleague.ch.
Ich gehe seit Jahren regelmässig Spiele der GCK Lions anschauen und habe so schon den einen oder anderen Spieler gesehen der Dank der Wettkampfpraxis bei GCK dann effektiv den Sprung uns Oberhaus geschafft hat.
Gutes Eishockey für wenig Geld übrigens. Kann ich jedem empfehlen!
Ich freu mich so wahnsinnig auf den Start morgen! :)
Allen Fans hier: Uf e geili Saison!