Es hat ein bisschen gedauert, aber in der zehnten Saison nach dem Wiederaufstieg von 2013 hat Lausanne ein altes Versprechen eingelöst und ist zu einem Titanen der Branche aufgestiegen: Platz 3 und der erste Finaleinzug der Klubgeschichte. Der Entmachtung und Wegweisung des autokratischen Fantasten Petr Svoboda im November 2022 ist der Wendepunkt.
In der ersten ganzen Saison ohne die Störmanöver des flamboyanten Tschechen setzte Lausanne zum Höhenflug an. Wobei der angesichts der riesigen finanziellen Aufwendungen der Ära Svoboda überfällig war: Ausser den ZSC Lions gab es kein Team, das während dieser Zeit auch nur annähernd so viel Geld ausgegeben hat. So gesehen ist eine einzige Finalteilnahme eigentlich eine eher magere Ausbeute. Aber angesichts der Turbulenzen der jüngsten Vergangenheit eben doch keine Selbstverständlichkeit.
Nun steht das Fundament, der Financier Gregory Finger garantiert Stabilität trotz horrenden Verlusten. Der seit Jahren in der Region wohnhafte russisch-amerikanische Doppelbürger ist auch emotional stark involviert. Man sieht den Milliardär teilweise sogar an trivialen Vorbereitungsspielen. Solange er die Defizite anstandslos deckelt, hat Lausanne alle Chancen, erstmals Meister zu werden. Die Infrastruktur ist formidabel, Sportchef John Fust transferiert klug und Geoff Ward coacht gelassen. Das ist genug Substanz für den nächsten Angriff auf die Meisterschaft. Oder? Es gibt einen Schwachpunkt. Als einziges Team der Liga vertraut Lausanne zwei Goalie-Talenten, die noch nie die Nummer 1 waren. Gute Goalies sind nicht alles, aber ohne gute Goalies ist alles nichts.
7.0
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
7.0
09.22
7.0
09.23
9
Punkte
2/7
Goals/Assists
24
Spiele
4
Strafminuten
Schnellster Läufer des Teams
Bester Stocktechniker des Teams
Er ist der freundlichste und sensibelste Schillerfalter der Liga.
Er kann in Lausanne Liga-Topskorer werden.
Erwarte an einem guten Abend den besten Spieler der Liga.
Die Behauptung, er sei der beste Spieler der Liga wäre nur mit viel Lokalpatriotismus haltbar. Aber er war wohl der spektakulärste, eleganteste SCB-Ausländer seit dem Wiederaufstieg von 1986 und in Lausanne gehört er in der Klubhistorie in die Spektakel-Klasse von Paul Lawless (1990/91 in der damaligen NLB in der Qualifikation 79 Punkte in 34 Spielen und 16 Punkte in 8 Playoff-Partien). Der freundlichste und sensibelste Schillerfalter der Liga ist an ein einem guten Abend Lausannes auf Denis Malgin. Manchmal kam in Bern mit etwas Boshaftigkeit gar die Frage auf, ob seinem gerne in taktischen Schablonen denkenden Trainer diese Fülle an Spektakel und Kreativität, die sich an keine Position hält, nicht ein wenig unheimlich sein könnte. Und tatsächlich: Im kühler werdenden Klima unter dem taktischen SCB-Zuchtmeister Jussi Tapola hat sich Dominik Kahun in seiner vierten Saison beim SCB erkältet: Am letzten Tag vor Transferschluss wechselt der WM- und Olympiafinalist am 17. Februar samt Vertrag bis 2027 nach Lausanne. Die Frage, die womöglich die Meisterschaft entscheiden wird: Wie lange braucht der Schillerfalter, bis er in Lausanne seine Flügel entfalten und zu mehr als einem Punkt pro Spiel flattern kann? In den Playoffs (7 Spiele/1 Assist) hatte er im letzten Frühjahr seine Form verloren und hat sie beim SCB im Laufe der Qualifikation nicht mehr gefunden (24 Spiele/9 Punkte). Verletzungspech spielte eine Rolle. Aber auch seine Sensibilität: Mit Austin Czarnik hat ihn in Bern ein ausländischer Stürmer aus der Position des ersten Mittelstürmers verdrängt. Nächste Saison wird auch der Amerikaner für Lausanne stürmen. Da wartet «Ego-Pflegearbeit» auf Sportdirektor John Fust und Cheftrainer Geoff Ward. Dominik Kahun stürmt seit vier Jahren in der National League. Er wechselte 2021 aus Nordamerika zum SCB. Der dreifache Deutsche Meister war letzte Saison drittbester Skorer und bester Passgeber der Liga.
F
29 Jahre
2.7.1995
180 cm
79 kg
Benotung 1 bis 10.
Geoff Ward ist die Ruhe selbst, ein freundlicher Mann von Prinzipien. Und auch ein Stoiker, der im Eishockey so viel erlebt hat, dass ihn nichts mehr aus dem Konzept bringt. Er coachte in der NHL, in der zweiten Bundesliga, in der wilden East Coast Hockey League und nun in der National League.
Ward hätte sich diesen Parcours vermutlich selbst nicht träumen lassen, so zufällig wie er Eishockeytrainer wurde: Er war High-School-Lehrer in Kanada, Sport und Naturwissenschaften; die Schülermannschaft hatte gerade keinen Coach. Er half aus, da war er 26. Heute ist er 62. Vielleicht ist Lausanne seine finale Station, und beinahe wäre ihm hier sein Opus Magnum gelungen.
Ein Sieg fehlte zum Titel, aber auch so war diese Saison 2023/24 ein Triumph. Dem Kanadier gelang es, einen sehr chaotischen, launischen Klub zu befrieden. Er gab seinem Team Halt und Struktur. Und ist richtigerweise als «Trainer des Jahres» ausgezeichnet worden.
Ivars Punnenovs ist im Januar aus einem laufenden Vertrag heraus nach Rapperswil transferiert worden. Connor Hughes wechselte nach der Saison überraschend in die Organisation der Montreal Canadiens. Übriggeblieben sind in Lausanne drei Talente: Kevin Pasche (21), Antoine Keller (19) und Thibault Fatton (22).
Als letztes Team der Liga ist der HC Davos mit so unerfahrenen Torhütern in eine Saison gestiegen: 2007 mit Reto Berra und Leonardo Genoni und 2016 mit Gilles Senn und Joren van Pottelberghe. Beide Male in der Not: 2007 wechselte Jonas Hiller in die NHL, 2016 Leonardo Genoni zum SCB. Beide Experimente glückten, das von 2007 sehr gut, das von 2016 recht gut und alle vier Torhüter haben sich in der Liga etabliert.
Was lernen wir daraus? Die Zukunft von Torhütern zu deuten ist mehr Kaffeesatz-Lesen als eine exakte, seriöse Wissenschaft. Es ist unmöglich zu sagen, ob einer aus dem Trio Pasche/Keller/Fatton den Durchbruch schaffen wird. Was der HCD und Lausanne gemeinsam haben: einen sehr guten Torhütertrainer. In Davos damals Marcel Kull, in Lausanne heute Cristobal Huet. Lausanne geht auf der Torhüterposition das grösste Risiko aller Klubs ein. Wobei: Das Risiko hält sich in überschaubaren Grenzen: Sollte der Saisonstart misslingen, wird ein ausländischer Torhüter engagiert.
Eine robuste, sattelfeste Abwehr, die jeden Torhüter ins beste Licht rücken kann. Man tut Connor Hughes nicht unrecht, wenn man sagt: In Ambri oder Bern hätte er sich wahrscheinlich nicht zu einem Vertrag mit den Montréal Canadiens hexen können.
Zwei Fragezeichen verhindern eine maximale Bewertung: Wie gut steckt das Team den längeren Ausfall von Lawrence Pilut weg? Und reicht die Breite? Sollte aus dem Trio Andrea Glauser/Lukas Frick/Fabian Heldner einer über einen längeren Zeitraum ausfallen, kann die Defensive sehr schnell durchlässig werden.
Viel Qualität und eine beachtliche Kadertiefe: Es ist möglich, dass Lausanne erstmals in der Klubhistorie in der National League die 160-Tore-Marke knackt. Letzte Saison waren es 158. Mit einem besseren Powerplay (2023/24: 15,53 Prozent, nur Zug war schlechter) wird die Marke fallen.
Auch wenn Bedarf an einem zusätzlichen Schweizer Vollstrecker (aus der Lohnsumme von Michael Hügli und Ronalds Kenins liesse sich ein Superstar der Preisklasse von Sven Andrighetto finanzieren …) bestünde: Ausser Damien Riat gibt es keinen Schweizer Stürmer, der 20 Treffer erzielen kann.
Wer nach einem 11. Platz gleich Rang 3 erreicht, erstmals in der Klubgeschichte den Final erreicht und es bis ins 7. Finalspiel schafft, hat alles richtig gemacht. Die Beförderung von Chris Wolf zum Manager im Herbst 2021 war der richtige Entscheid.
Die Maximalnote honoriert seine Verdienste um die Beruhigung und Strukturierung des Klubs nach den beispiellosen Chaos-Jahren unter Petr Svoboda und die Beharrlichkeit von Sportchef John Fust, der erstens in der turbulenten Zeit unter Petr Svoboda nie die Orientierung verloren und bei der Rekrutierung des ausländischen Personals keine Fehler gemacht hat.
Eine Saisonvorschau von Eismeister Zaugg mit Rang-Prognosen zu allen Teams folgt kurz vor dem Saisonstart.
Idee, Konzept und Inhalt: Klaus Zaugg. | Redaktionelle Betreuung: Adrian Bürgler, Olivier Meier. | Technische Umsetzung: Nicole Christen, Carlo Natter, Philipp Reich, Jelle Schutter. | Spielerportraits: nationalleague.ch.