Erleben wir nicht gerade wunderbare Hockey-Tage? Ein gänzlich neutraler Beobachter, jemand, der nicht um die politischen und sonstigen Befindlichkeiten weiss – sagen wir einmal ein Abgesandter eines kanadischen Hockey-Magazins – würde sogar von einem perfekten Meisterschafts-Finale sprechen.
Die Saison 2016/17 endet akkurat so, wie es immer sein sollte: Das richtige, das wahre Hockey wird unter uns Deutschschweizern zelebriert. In modernen, von den urbanen Zentren aus leicht mit der Benzinkutsche oder der Eisenbahn erreichbaren Stadien.
Die Welschen und die Tessiner liefern die Folklore dazu. Den Blumenschmuck fürs Bauernhaus. Mit rechtzeitigem, frühen Ausscheiden in den Viertelfinals und ein bisschen Dramatik in den Playouts und in der Liga-Qualifikation. Damit das staatstragende Fernsehen auch in der Westschweiz und im Tessin noch ein paar spannende Spiele live übertragen kann. Niemand möchte über die Osterfeiertage zu einem Finalspiel über den Gotthard reisen.
Ambri hatte viel Glück. Zum dritten Mal während der Amtszeit von Präsident Filippo Lombardi (seit 2009 im Amt) hat Ambri in der Ligaqualifikation den Klassenerhalt von Gegnern geschenkt bekommen, die tief im Herzen gar nicht aufsteigen wollten. Zweimal von Langenthal (2012, 2017) und einmal von Visp (2011).
Der SC Langenthal hat soeben eine «Jahrhundert-Chance» auf die erstmalige Promotion in die höchste Liga vergeben. Es hätte bereits genügt, rechtzeitig einen Ersatzausländer zu verpflichten. Auch mit nur einem ausländischen Stürmer vermochten die Langenthaler Ambri zu fordern. Mit zwei hätten sie triumphiert.
So viel Glück wie 2017 wird Ambri in der Liga-Qualifikation nicht noch ein viertes Mal haben. Was, wenn der Klassenerhalt einmal gegen einen echten, zum Aufstieg entschlossenen Gegner verteidigt werden muss? Gegen Olten oder die Lakers?
Hätten die Lakers das NLB-Finale gegen Langenthal doch noch gewonnen, dann hätten sie Ambri um den Liga-Erhalt gebracht. Wenn Ambri so weitermacht wie bisher und wenn die Lakers beharrlich an ihrem Neuaufbau arbeiten, dann wird Ambri den Lakers in den nächsten drei Jahren in der Liga-Qualifikation vor die Füsse fallen wie eine reife Frucht.
Der Klassenerhalt beschert Ambris Präsident Filippo Lombardi das Ende aller Ausreden. Der Liga-Erhalt ist gesichert. Es wird sich nun zeigen, ob seinen grossen, pathetischen Worten endlich auch einmal Taten folgen.
Unter seiner Führung ist Ambris sportliche Substanz seit 2009 nach und nach auf gutes NLB-Niveau erodiert. Und immer noch lagern die Pläne für das neue Stadion, inzwischen fertig ausgearbeitet, in den Schubladen. In den letzten Monaten konnte Filippo Lombardi darauf verweisen, dass es nicht möglich sei, diese Pläne zu verwirklichen, bis der Liga-Erhalt gesichert ist. Nun hat Ambri seinen Platz in der NLA. Es gibt keine Ausreden mehr.
Als Politiker – er sitzt für die CVP und den Kanton Tessin im Ständerat – genügen markige Worte ohne Taten für eine bäumige Karriere. Im Sport reichen grosse Worte nicht weit. Im Sport sind die Leistungen jedes Jahr messbar.
In Langnau, im oberen Emmental, in der Leventina der Deutschschweiz, hat ein SP-Politiker zusammen mit Klubpräsident Peter Jakob unter ähnlich schwierigen Bedingungen wie in Ambri dafür gesorgt, dass 30 Millionen in die Rundumerneuerung des Hockey-Tempels zusammengekommen sind. Die Namen von Bernhard Antener und Peter Jakob stehen bereits in goldenen Lettern in dem Geschichtsbüchern Langnaus, der SCL Tigers und unseres Hockeys.
Nun geht es für Filippo Lombardi um den Platz in der Geschichte. Er hat die Chance, als Erbauer des neuen Hockey-Tempels, als Retter Ambris, ja, als Schöpfer eines neuen Ambri in die Geschichte einzugehen. Er kann vollbringen, was Bernhard Antener und Peter Jakob geglückt ist. Er hat es noch einfacher: er ist Politiker und Klubpräsident in Personalunion. Mit einem lokalen, kantonalen, nationalen und internationalen Netzwerk.
Gelingt ihm der Bau des neuen Stadions, dann wird man ihm ein Denkmal vor dem neuen Hockey-Palast errichten. Sozusagen als Hockey-Antwort auf das Suwarow-Denkmal auf der anderen Seite des Gotthards. Versagt er, dann wird das Urteil der Geschichte ungnädig sein. Die Hockeyhistoriker werden ihn als Populisten, als Polit-Clown einstufen, der sich ins Hockey verirrt hat.
Filippo Lombardi hat auch die Führung der Sportabteilung in den letzten Jahren arg vernachlässigt. Die Verantwortung kann er nicht auf die Sportchefs abschieben. Ob Captain Paolo Duca neuer Sportchef wird oder nicht, ist unerheblich.
Entscheidend ist, dass der Präsident endlich eine Leistungskultur durchsetzt, die dem Hockey des 21. Jahrhunderts entspricht. Dass auch in Ambri ein echtes Sommertraining eingeführt wird. Dass Schluss ist mit überbezahlten, bei der Konkurrenz ausrangierten Spielern. Dass endlich wieder eine klare Hierarchie bei den Salären aufgebaut wird. Dass die Besten und nicht die Cleversten und die Schlauen die besten Verträge erhalten. Dass das Scouting verbessert wird. Dass die Philosophie eines Ausbildungsclubs mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern umgesetzt wird. Dass Trainer engagiert werden, die es verstehen, junge Spieler zu fordern und zu fördern.
Es ist schon oft gesagt worden und es soll noch einmal gesagt sein: Wenn sich Ambri nicht in der NLA halten kann, wenn es nicht gelingt, den Ligaerhalt gegen das beste NLB-Team zu verteidigen, dann liegt es nicht am Wandel der Zeiten, an der Deutschschweizer Mafia, an der Lage im Hochtal der Leventina, am Geldmangel, am fehlenden Glück.
Ambri ist Kult im besten Wortsinne. Mit Anhängern im ganzen Land. Mit einem himmelhohen Sympathiewert. Ambri ist eine der wertvollsten, edelsten Marken des helvetischen Mannschaftsportes.
Ob Ambri oben bleibt oder nicht, hängt davon ab, ob dieses traditionsreiche, faszinierende Hockey-Unternehmen von einem fähigen Präsidenten geführt wird.