Die Geschichte sagt uns, es sei unmöglich. Der letzte Sieg gegen Finnland an einem Titelturnier liegt 30 Jahre (1988, Olympia Calgary/1:2) und bei einer WM noch länger zurück (1972 in Prag/2:3). Und das waren erst noch Vorrundenspiele. Eine «K.O-Partie» haben wir gegen Finnland überhaupt noch nie gewonnen.
Die Gegenwart ist ganz anders. Ohne das Wissen um die Geschichte wäre klar: Die Chancen stehen heute mindestens bei 50:50. Es gibt, ausser der guteidgenössischen Pessimismuskultur («Äs längt äuä gliich nid») keinen Grund, weshalb die Schweizer heute das Viertelfinale gegen Finnland nicht gewinnen können.
Zum ersten Mal hat Nationaltrainer Patrick Fischer die spielerischen Mittel, um das für seine Amtszeit so typische, sympathische neue Selbstvertrauen (von Arroganz zu reden, wäre unhöflich und gilt höchstens für ein paar Funktionäre) in die Tat umzusetzen.
Hier in Kopenhagen steht ihm die beste WM-Mannschaft unserer Geschichte zur Verfügung. Er hat also bessere Spieler als alle seine Amtsvorgänger. In einem Einzel-Talentwettbewerb hätten wir gegen die Finnen sehr gute Chancen. Eine wesentliche Differenz zu unseren Ungunsten gibt es nicht einmal mehr bei der NHL-Power. Höchstens eine kleine auf der Torhüterposition. Aber auch die ist nicht so gross, dass wir deswegen keine Chance haben.
Aber war das nicht auch beim olympischen Turnier so? Haben wir (und der Nationaltrainer) nicht auch da von Medaillen und «Jahrhundert-Chance» fabuliert? Waren wir nicht auch da vom Talent her den gegnerischen Teams ebenbürtig? Und die Deutschen haben ja dann mit ihrer Final-Qualifikation gezeigt, dass das olympische Turnier ohne NHL-Stars tatsächlich eine «Jahrhundert-Chance» war.
Ja, das war so. Aber es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen dem Olympischen Turnier 2018 und der WM 2018.
Unsere Nationalmannschaft mahnte bei der olympischen Expedition nach Südkorea an die SCL Tigers unter Scott Beatty. Die Führung an der Bande fehlte. So wie die Langnauer hatten auch die Schweizer beim olympischen Turnier keine charismatischen Führungsspieler, um das Team zusammenzuhalten. Sie hätten einen grossen Trainer an der Bande gebraucht. Aber dort stand keiner. Das Scheitern war so kläglich und so logisch wie jenes von Scott Beatty im Emmental.
Das ist bei dieser WM anders. Völlig anders. Die Präsenz der NHL-Stars macht auch jeden einzelnen aus der NLA ein bisschen grösser. Ein bisschen schneller. Ein bisschen besser. Das zeigt sich ganz besonders an zwei Beispielen.
Die NHL-Stars haben die ganze Führungsstruktur verändert. Sie wirken wie Spielertrainer. Sie ordnen die Dinge auf und neben dem Eis und entlasten so Nationaltrainer Patrick Fischer. Sie sind sozusagen die Heinzelmännchen des Zauberlehrlings Patrick Fischer. Der wiederum kann sich auf das konzentrieren, was er tatsächlich kann: reden, für gute Stimmung, eine positive Aussenwahrnehmung (die den Verbandsgenerälen über alles geht) und den Optimismus sorgen, der eidgenössischen Teams manchmal fehlt. «Yes We Can»: Der Wahlkampf-Slogan des US-Präsidenten Barack Obama gilt auch für die Schweizer.
Wir haben bei dieser WM also erstmals seit der Amtsübernahme von Patrick Fischer im Herbst 2015 eine gute Mischung aus spielerischer Klasse, starken Spielerpersönlichkeiten und guter Stimmung.
Es gibt nicht einen einzigen Grund, weshalb die Schweizer heute Abend Finnland nicht besiegen könnten – ausser natürlich der Ungewissheit, die einem unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage innewohnt.