ZSC-General Peter Zahner ist am Samstag vor der Partie gegen den SC Bern zornig. Er hätte es gerne gesehen, wenn die Chronisten eine Polemik gegen den SCB losgetreten hätten. Die Berner hatten per Einsprache beim Verbandsportgericht erwirkt, dass Kevin Klein für das Foul gegen Luca Hischier in zweiter Instanz doch noch für das 6. Spiel gesperrt worden ist. In erster Instanz war der beste ZSC-Verteidiger noch freigesprochen worden. SCB-Sportchef Alex Chatelain ist nur seiner Pflicht nachgekommen und hat alles getan, was seinem Team helfen kann. Kein Schelm, wer behauptet, Peter Zahner hätte in einer vergleichbaren Situation genau gleich handeln lassen.
Dieses Beispiel zeigt, wie sehr die Bedeutung von Einzelspielern im wahren Mannschaftsport Eishockey immer wieder überschätzt wird. Selbst von profunden Kennern der Materie wie Peter Zahner. Dabei gilt seit Anbeginn der Zeiten und in alle Ewigkeit: «Namen sind nur auf dem Dress aufgenähte Buchstaben.» Noch selten ist dieses eherne Gesetz so eindrücklich bestätigt worden wie in den Playoffs 2018.
Die ZSC Lions gewinnen auch ohne ihren kanadischen Verteidigungsminister Kevin Klein die 6. Halbfinalpartie gegen den SCB in der Verlängerung 3:2. Und inzwischen denkt schon gar niemand mehr daran, dass den Zürchern schon während der gesamten Playoffs der talentierteste, kreativste Offensivspieler wegen einer Blessur fehlt: Schillerfalter Robert Nilsson. Vor einem Jahr war der verletzungsbedingte Ausfall des Schweden mit helvetischer Lizenz die Ausrede für das Scheitern im Viertelfinale gegen Lugano.
Lugano verliert unmittelbar vor den Playoffs mit der unberechenbaren offensiven Diva Damien Brunner, dem hüftsteifen Titan und Captain Alessandro Chiesa sowie dem flinken Aussenbahnfeger Dario Bürgler drei Schlüsselspieler. Gross ist das Wehklagen. Nun könne man die Playoffs abschreiben.
Inzwischen ist Lugano in den Playoffs eine verschworene Gemeinschaft wie nie mehr seit dem letzten Titelgewinn vor 12 Jahren. Und aus Greg Ireland ist ein richtiger Bandengeneral geworden.
Dazu eine boshafte Anmerkung: Damien Brunner hatte sich im Laufe dieser Saison mit seinem Trainer in einer Art und Weise gestritten, dass es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab: Greg Ireland oder Damien Brunner feuern. Der Spieler bekam recht. Wie immer in Lugano. Nun ist Damien Brunner doch zum Zuschauen verurteilt. Coachen die Hockey-Götter Lugano zum Titel?
Der EHC Kloten hat in den Playouts ein einziges Spiel gewonnen. Die dritte Partie auf eigenem Eis (4:2), die noch einmal Hoffnung aufkommen lässt. Es ist das einzige Playoutspiel ohne Captain Denis Hollenstein. Aber er sitzt nicht auf der Tribune, weil Trainer Kevin Schläpfer endlich den Mut aufgebracht hat, die permanent miserablen Leistungen seines bestbezahlten Spielers endlich zu sanktionieren. Die Verbandsgerichtsbarkeit hat geholfen und Denis Hollenstein wegen eines Stockschlages für eine Partie gesperrt.
Ambri verliert vor den Playouts mit Michael Fora seinen Captain und wichtigsten Verteidiger mit Schweizer Pass. Und nach dem dritten Spiel fällt im denkbar kritischsten Moment mit Nick Plastino auch noch der beste Verteidiger nach einem Autounfall aus. Zu diesem Zeitpunkt hat Kloten auf 2:1 verkürzt und Ambri muss nach Kloten reisen. Ist das die Wende? Nein. Ohne Michael Fora (er fehlt während der ganzen Playoutserie) und nun auch noch ohne Nick Plastino siegt Ambri auswärts 3:2 nach Verlängerung.
Dieses Beispiel scheint das Gegenteil zu beweisen. Biel führt mit 2:1 Siegen und liegt nach zwei Dritteln in der vierten Partie in Lugano nur 1:2 zurück. Noch scheint alles möglich. Da trifft Luganos Nationalstürmer Grégory Hofmann Torhüter Jonas Hiller mit einem harten Schuss am Kopf. Biels Torhüter bliebt nach der Pause in der Kabine, seine Mannschaft verliert 1:5. Er kehrte erst im 6. und letzten Spiel zurück.
Die offizielle Lehrmeinung: Der Ausfall von Jonas Hiller hat die Halbfinalserie entschieden. Es geht nicht ohne Jonas Hiller. «Wir haben Jonas Hiller im Tor, also sind wir.»
Tatsächlich ist Biels bestverdienender und wichtigster Einzelspieler weit mehr als «nur» ein Torhüter. Der freundliche, eher introvertierte Appenzeller ist eine charismatische Persönlichkeit und hat Biel alleine durch seine Präsenz positiv verändert.
Die letzte Saison der «alten Zeit» beendet Biel 2016 auf dem 12. Platz. Dann kommt Jonas Hiller. 2017 erreicht Biel die Playoffs (8.) und reduziert die Anzahl der Gegentreffer von 175 auf 140. Diese Saison sind es nur noch 124 Gegentore. Nach einem 3. Platz in der Qualifikation sind zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg die Halbfinals erreicht worden.
Aber kein Schelm, wer sagt, dass die Bieler ihren Torhüter aufgrund seiner ruhmreichen NHL- und HCD-Vergangenheit in fataler Weise überschätzen. Jonas Hiller hat mit 88,69 Prozent mit Abstand die schwächste Fangquote aller vier Halbfinalgoalies. In den Playoffs wehrte nur noch Gottérons Nonkonformist Barry Brust weniger Pucks ab.
Die Wende im Halbfinale war nicht der Ausfall von Jonas Hiller. Sondern der Zusammenbruch im 3. Spiel mit einer 3:6-Heimniederlage nach einer 3:0-Führung. Jonas Hiller hätte, wenn er seinem Salär hätte gerecht werden wollen, diese Niederlage verhindern müssen. Es war eines dieser Spiele, das ein Torhüter im Alleingang hätte entscheiden können.
Sind Biels defensive Fortschritte am Ende eher der klugen Transferpolitik von Sportchef Martin Steinegger, dem Zuzug von Beat Forster und dem Trainerwechsel zu Antti Törmänen geschuldet? Käme Biel womöglich mit einem anderen Torhüter noch weiter?
Solche Fragen müssen wir sofort vergessen. Jonas Hiller hat auch für nächste Saison einen Vertrag. Wer ihn in Frage stellt, erschüttert das ganze Hockeyunternehmen. Das ist die «Hiller-Falle», in der Biel gefangen ist. Wenn ein teurer Feldspieler zwischendurch nicht bringt, was er bringen könnte (wie beispielsweise in Zug Raphael Diaz oder in Lugano Damien Brunner), dann ist es möglich, ihm weniger Eiszeit zu gewähren oder ihm einen guten Ergänzungsspieler zur Seite zu stellen.
Aber das ist bei Jonas Hiller nicht möglich. Biel wird auch nächste Saison mit dem teuersten Torhüter der Klubgeschichte leben müssen. Die Investition in einen starken zweiten Goalie ist nicht möglich. Niemand mit Verstand unterschreibt in Biel als Nummer zwei. Wohl wissend, dass es selbst Antti Törmänen niemals wagen wird, Jonas Hiller ohne Not auf die Ersatzbank zu setzen.
Moral von der Geschichte: Freundlich und interessiert zuhören, wenn über Ausfälle und Absenzen lamentiert wird. Dann einen Moment innehalten, nachdenken und daran denken: Namen sind nur auf dem Dress aufgenähte Buchstaben.