Da ist es also, das Trainingszentrum der TSG Hoffenheim. Hochmodern. Versteckt in einer Senke, flankiert von Hügeln, dazwischen grüne Wiesen und hölzerne Hochsitze. Ein Bild, wie wenn ein Star-Wars-Raumschiff im Appenzellerland landen würde. Willkommen in Zuzenhausen, ein Dorf mit etwas mehr als 2000 Einwohnern und Arbeitsplatz von Fabian Schär, Steven Zuber und Pirmin Schwegler.
Hoffenheim ist keine vier Kilometer entfernt. Im Dorf, das weniger als 4000 Seelen zählt, liegt aber einzig das Nachwuchsleistungszentrum der TSG. Das Schweizer Trio treffen wir im Dietmar-Hopp-Sportpark, benannt nach dem Mäzen des Klubs.
Trainiert werden die Bundesliga-Söldner seit wenigen Tagen von Julian Nagelsmann, dem jüngsten Bundesliga-Trainer der Geschichte. Nagelsmann, der mit seinen 28 Jahren jünger ist als TSG-Captain Schwegler, war eigentlich erst im Sommer als Trainingsleiter im Kraichgau vorgesehen, weil aber Abstiegskampf-Experte Huub Stevens am 10. Februar wegen gesundheitlicher Problemen den Rücktritt bekannt gab, ist er es jetzt schon.
In der Bundesliga gilt Nagelsmann zwar als Novize, dennoch ist der 28-Jährige einer mit Meriten – zumindest im Nachwuchsbereich. Nagelsmanns formidabler Ruf eilt ihm voraus, er ist unverbraucht und soll nun Hoffenheim aus dem Tabellenkeller lotsen. «Es müssen sich einige Dinge erst einspielen, das ist völlig normal», meint Schwegler. Die Lage ist prekär. In Zuzenhausen wissen das alle.
Steven Zuber, der Abstiegskampf ist ein Novum für Sie, wie gehen Sie damit um?
Steven Zuber: Das ist schwer zu sagen. Man liest vielleicht mehr in den Medien. Die Leute fragen vermehrt: Wann gewinnt ihr endlich wieder? Es ist schon anders, wenn man Wochenende für Wochenende keine oder nur einen Punkt holt.
Sie alle drei sind mit anderen Ansprüchen nach Hoffenheim gekommen. Wie macht sich die Unruhe in solch einer ambitionierten Mannschaft nun bemerkbar?
Pirmin Schwegler: Wenn man immer eins auf den Deckel bekommt, ist das auf Dauer nicht zufriedenstellend. Man beginnt, sich selbst am meisten Druck zu machen. Es ist aber in einer solchen Situation sicherlich falsch, wenn man sich durch die Negativerlebnisse runterziehen lässt. Aber damit umgehen zu können, ist herausfordernd. Ich hatte so eine Situation bereits einmal in Frankfurt.
Wo Sie Ende Saison abgestiegen sind.
Schwegler: Exakt.
Als Captain sind Sie am Puls der Mannschaft. Gab es in der Hinrunde einen Moment, in dem Sie realisierten, dass es ein schwieriges Jahr für die TSG Hoffenheim werden könnte?
Schwegler: Das Ganze ist ein Prozess. Das eine führt zum anderen. Wichtig ist, dass wir nun keiner Konfrontation aus dem Weg gehen. Manchmal muss es knallen, damit es wieder vorwärtsgeht.
Hat es dann schon – wie Sie sagen – geknallt?
Fabian Schär: Unser ehemaliger Trainer Huub Stevens hat uns auf den Deckel gegeben. Aber das gehört doch auch mal dazu.
Was macht Schwegler zu einem guten Captain?
Zuber: Mir gefällt die Ruhe, die er ausstrahlt. Wenn er aber etwas sagt, dann hat das Hand und Fuss. Ich finde, zu unserer Mannschaft passt ein ruhiger Captain. Das Team führt er sehr gut.
Wird die Binde am Arm überbewertet?
Schwegler: Ja, sicherlich. Ich habe mich gefreut, nach einem Jahr schon Captain geworden zu sein, aber es ist wichtig, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen.
Die Bundesliga ist längst beeindruckt von Ihrer Vita, dennoch sind Sie in der Schweiz nur selten ein Thema. Das kann Ihnen nicht gleichgültig sein.
Schwegler: Doch, für mich ist wichtig, dass ich in meinem Verein eine tragende Rolle einnehmen kann. Die Wahrnehmung der anderen ist für mich nicht entscheidend. Ich bin stolz, meine 10. Saison in der Bundesliga spielen zu dürfen. Das zeigt ja, dass ich nicht alles falsch gemacht habe.
Ist das Thema Nationalmannschaft ein für alle Mal begraben?
Schwegler: Ja. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Das hatte damals seine berechtigten Gründe. Trotzdem ist die Nati heute gut aufgestellt. Dass Steven in letzter Zeit keine Chance bekommen hat, zeigt ja auch, dass Vladimir Petkovic wirklich eine gute Mannschaft beisammen hat.
Wie gerne hätte Fabian Schär Pirmin Schwegler in der Nationalmannschaft vor sich auf dem Platz?
Schär: Wir haben in der Nationalmannschaft jetzt schon seit langem einen Kampf auf hohem Niveau. Da ist es für einzelne Spieler schwierig. Dass Pirmin nicht mehr dabei ist, kam für mich und viele andere überraschend, da man einen Spieler seines Kalibers immer brauchen kann. Aber der Trainer hat seine Vorstellungen und muss entscheiden, wen er aufbietet.
Konnten Sie jede seiner Nominationen nachvollziehen?
Schär: Ich bin ja nicht der Trainer und muss mir dazu keine Gedanken machen. Es gibt sicher viele Spieler, die im Ausland gute Leistungen bringen und nicht berücksichtigt werden. Aber es muss eine Auswahl vom Coach getroffen werden. Ich muss meine Leistung bringen, um selbst dabei zu bleiben.
Zurück nach Hoffenheim, inwiefern seid Ihr schon mit dem Thema Retortenklub konfrontiert worden?
Zuber: Ich denke, unser Fokus liegt auf dem Fussballplatz. Die TSG ist ein Klub mit einer jungen Bundesliga-Geschichte, aber auch ein Verein mit einer sehr professionellen Struktur.
Sich mit der Mannschaft eines Retortenvereins zu identifizieren, gestaltet sich aber schwieriger.
Schwegler: Nein, das ist falsch. Jeder muss wissen, was er in einem Verein vorfindet und was er für sich braucht. Da hat man eigene Identifikationspunkte. Hier geht alles sehr familiär zu und her. Ich persönlich geniesse diese Ruhe. Ich brauche den Trubel, der bei anderen Vereinen herrscht, nicht. Das hat auch seine Vorteile.
Wie war das für Sie drei, als Sie das erste Mal hierher, in den Kraichgau gekommen sind?
Schwegler: Die Infrastruktur ist schon eindrücklich. Am Schluss spielen wir Fussball, und da kommen einem solche Top-Bedingungen entgegen. Das hat am Anfang schon Eindruck gemacht. Als Fussballer will man sich immer verbessern, und die Möglichkeiten sind hier gegeben, auch wenn es sportlich momentan vielleicht etwas schwieriger ist.
Sieht man Sie drei oft zusammen in der Region?
Zuber: Eigentlich nicht.
Schwegler: Wir sehen uns meistens nur auf dem Trainingsgelände. Wenn man den ganzen Tag hier ist, ist man froh, wenn man dann zu Hause mal seine Ruhe hat. Auch wenn wir uns gut verstehen.
Eine Schweizer Wohngemeinschaft war nie ein Thema?
Alle: Nein (lachen).
Sie haben alle den Schritt ins Ausland zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt gewagt.
Schwegler: Es gibt nicht richtig oder falsch. Jeder von uns hat den Moment gespürt, in dem er das Ausland als die beste Lösung empfand. Jeder hat dort dann auch schwierige Phasen zu durchleben. Diese Phasen kommen immer wieder.
Zuber: Letztlich ist es auch die Unberechenbarkeit des Fussballs. Wann man wohin geht, entscheidet jeder selbst. Am Schluss muss man einfach mit sich und seiner Entscheidung glücklich sein.
Über Ihre Zeit in Moskau hat man ebenfalls nur wenig gelesen. Wie hat Sie diese geprägt?
Zuber: Ich habe dort vieles erlebt, eine neue Sprache, eine neue Kultur. Ich liebe es, neue Dinge zu erleben. Das ist vielleicht untypisch für uns Schweizer, aber ich mag Abenteuer. Ich habe es sehr genossen, dort mal einen anderen Fussball kennen zu lernen und international zu spielen.
Wie würden Sie den russischen Fussball beschreiben?
Zuber: Taktisch sind sie nicht gerade auf dem neusten Level, aber dafür sind sie echte Kämpfer und läuferisch sehr stark.
Das kommt Ihnen ja entgegen.
Schär: Taktisch nicht so (lacht).
Zuber: (Lacht). Ja, meine Explosivität ist sicher ein Trumpf.
War die Sprache eine Hürde?
Zuber: Ich hatte einen Dolmetscher, der mir alles auf Französisch übersetzt hat. So konnte ich mein Französisch verbessern. Das war perfekt. Englisch haben auch einige verstanden. Die russischen Fussballvokabeln beherrschte ich relativ schnell. Deswegen war die Verständigung auf dem Platz kein Problem. Daneben jedoch schon, die Russen sind doch sehr anders. Sie sind verschlossener und beschränkt kontaktfreudig. Aber ich bin ein anpassungsfähiger Mensch.
Sie haben damals für fünf Jahre unterschrieben. Lag es auch am lukrativen Vertrag?
Zuber: Wenn man so jung ist, ist es normal, dass man langfristige Verträge bekommt. Da macht man sich keine Gedanken, wie lange man da bleibt, weil immer irgendwo eine neue Tür aufgeht.
Wieso war das Abenteuer nach einem Jahr schon wieder vorbei?
Zuber: Da ist Hoffenheim nicht ganz unschuldig. Wir hatten schon lange vorher Kontakt und ich hatte das Gefühl, dass es für meine Karriere besser ist, jetzt raus in die Bundesliga zu wechseln.
Um in den Fokus der Nationalmannschaft zu geraten?
Zuber: Nein eigentlich nicht. Ich war ja nur einmal dabei.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zuber: Jeder Schweizer, der auf einem gewissen Niveau Fussball spielt, hat das Ziel, für die Nationalmannschaft auflaufen zu können. Auch ich träume davon. Aber der Trainer hat seine Vorstellungen, wie er spielen will. Petkovic und Hitzfeld hatten ja auch ohne mich Erfolg, also haben sie nicht so viel falsch gemacht.
Die Chinesen betreiben eine Transferoffensive, was müsste passieren, dass jemand von Ihnen nach Fernost wechselt?
Schwegler: Ich war noch nie in China, deswegen will ich nicht urteilen, aber so aus der Ferne ist das für mich kein Thema. Es reicht nicht nur, einen gut dotierten Vertrag zu haben.
China wäre doch ein weiteres Abenteuer, wie Sie es gerne haben Steven Zuber?
Zuber: Und eine neue Sprache (lacht). Mein Weg in Hoffenheim ist aber noch nicht beendet. Falls das irgendwann der Fall sein sollte, können Sie mich ja nochmals fragen.