
Der FIFA und dem Weltfussball zeigt keiner so schnell die rote Karte.Bild: EPA/EPA
Kommentar
«Football Leaks» – na und? Selbst die brisantesten Enthüllungen vermögen den Weltfussball nicht mehr zu erschüttern. Sie zeigen vielmehr auf eine beunruhigende Art und Weise die Allmacht des Fussballs und die Ohnmacht der Medien.
07.11.2018, 11:3007.11.2018, 21:48
Und nun also wieder eine neue Episode aus der Sport-Lindenstrasse «Football Leaks». Ach, was für ein Spektakel. Was da wieder alles aufgedeckt, enthüllt, freigelegt, blossgelegt, ausfindig gemacht und ans Licht gebracht worden ist!
Eigentlich müssten die Staatsanwälte alles stehen und liegen lassen und sich dem Fussball-Business zuwenden und die Sportministerien Krisenstäbe bilden. Eigentlich müsste es rocken und rollen in der Fussballwelt und die Resultate in den diversen nationalen und kontinentalen Wettbewerben zur Nebensache verkommen.
Mehr zu den «Football Leaks»:
Eigentlich. Aber nichts passiert. Die Fussballwelt nimmt ihren Lauf. Wie eh und je. «Football Leaks» erwärmt nur ein wenig die Luft. Die Kritiker bellen, die Karawane zieht weiter. Was läuft da falsch?
Kaum ein anderes Sport-Business ist so gründlich durchleuchtet und skandalisiert worden. In meiner Bibliothek stapeln sich inzwischen die Enthüllungsbücher. Ich habe sie im Laufe der Zeit alle gelesen:
- «Die Paten der Liga»
- «Der Kick des Geldes oder wie unser Fussball verkauft wird»
- «Football Leaks»
- «FIFA Mafia – die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfussball»
- «Anpfiff – Enthüllungen über den deutschen Fussball» und «Einwurf – Wahrheiten über den Fussball und mein Leben» von Toni Schumacher
- «In den Sand gesetzt – Katar, die FIFA und die Fussball-WM 2022»
- «Wie das Spiel verloren ging – die korrupten Geschäfte zwischen FIFA und Medien»
- «Foul»
Aber nichts verändert sich wirklich und nachhaltig. Das globale Milliarden-Unternehmen FIFA ist nach wie vor ein gemeinnütziger Verein im Sinne von Artikel 60 unseres Zivilgesetzbuches. Der Weltfussball-Verband hat seinen Sitz im mehr als 200 Millionen teuren «Versailles des Sports» an bester Lage in Zürich und geniesst weitgehend Steuerfreiheit.
Hin und wieder wird zwar einer der FIFA-Granden gestürzt und von Honigtöpfen vertrieben wie unlängst unser Sepp Blatter. Aber am System ändert sich nichts.

Sepp Blatter wurde als FIFA-Präsident gestürzt. Doch das Geschäft läuft weiter.Bild: KEYSTONE
Ohne Boshaftigkeit dürfen wir sagen, dass Sepp Blatters Nachfolger Gianni Infantino so ziemlich im gleichen Stil fuhrwerkt wie sein Vorgänger. Deutschlands Fussballkaiser Franz Beckenbauer wird zwar entehrt, aber er zieht sich unbehelligt ins Exil zurück wie einst Wilhelm, Deutschlands letzter echter Kaiser.
Wer meint, die FIFA an den Standards zu messen, die im Land gelten, in dem sie ihren Sitz hat, vergisst leicht, dass die FIFA ein Gebilde aus 211 Nationen ist. Nur in wenigen dieser 211 Mitgliederländer gelten die geschäftlichen Sitten und Bräuche Helvetiens.
Die «Fussball-Mafia» hat eigentlich nur einen unangenehmen Gegner. Nein, nicht die Medien. Sondern die US-Justiz. Die hat, weil der Fussball in den USA keine wichtige Rolle spielt, keine Beisshemmungen. In der Regel geht es um Steuerdelikte und Korruption und einige hohe «FIFA-Tiere» sind in Bedrängnis geraten. Aber das System haben auch die Amerikaner nicht verändern können.

Der FIFA-Hauptsitz im Zürcher Nebel.Bild: KEYSTONE
Inzwischen sind wir so weit, dass eine Fussball-WM im Winter in der arabischen Wüste von Katar gespielt wird. In einer absoluten Monarchie mit dem Islam als Staatsreligion und der Scharia als Grundlage der Rechtsprechung. Diese wahrscheinlich bizarrste Verrücktheit der Sport-Weltgeschichte regt längst niemanden mehr auf.
Warum ist das so? Warum können Enthüllungen, die jede Firma, jeden Konzern, jede politische Partei, jede Regierung und jeden anderen Sport in den Grundfesten erschüttern und erneuern würden, dem Fussball so wenig anhaben?
Weil Fussball längst ein Geschäft geworden ist, das von keiner Regierung und keiner Gerichtsbarkeit kontrolliert und reguliert werden kann und von keinen Landesgrenzen beeinträchtigt wird.
Kein anderes globales Geschäft, nicht einmal Hollywood, bietet diesen Mix aus Glamour und Geld, diese schrankenlosen Möglichkeiten, Milliardenbeträge rund um den Globus zu verschieben, und diese Bühne, um berühmt zu werden.
Ein «schönes» Beispiel für die Strahl- und «Reinigungskraft» des Fussballs mag Uli Hoeness sein. Nach einer Verurteilung wegen Steuerdelikten muss der Präsident des FC Bayern im März 2014 alle Ämter niederlegen. Im November 2016 ist er wieder zum Vorsitzenden gewählt worden.

Uli Hoeness: trotz Gefängnisstrafe weiterhin Präsident der Bayern.Bild: EPA/EPA
Dieses grandiose Comeback wäre in der Politik ausgeschlossen. Karl-Theodor von Guttenberg, auch ein Bayer, musste seine hoffnungsvolle Politkarriere, die er womöglich mit dem Amt eines Kanzlers hätte krönen können, vorzeitig beenden. Bloss weil er bei der Doktorarbeit ein bisschen abgeschrieben hatte.
«Football Leaks» bringt die öffentliche Empörungsmaschine zum Laufen, liefert Medien reichlich Stoff und Aufmerksamkeitsquoten. Aber zugleich entlarvt «Football Leaks» eine beunruhigende Ohnmacht der Medien.
Kein Zyniker und Kulturpessimist, der da denkt, dass «Football Leaks» den Fussball eigentlich noch interessanter, faszinierender, fesselnder, kurzweiliger, aufregender, packender, reizvoller, spannender, grandioser, einzigartiger, sensationeller, staunenswerter und dramatischer macht.
Ein leicht paranoider Verschwörungstheoretiker könnte gar zum Schluss kommen, «Football Leaks» sei ein teuflisch genialer Einfall der FIFA-PR-Spezialisten.
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quelle: ap/ap / michael probst
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Video: srf/SDA SRF
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