Wenn die Schweizerinnen und Schweizer in einigen Jahren auf die Olympischen Spiele in Tokio zurückblicken, werden viele als Erstes an die Mountainbikerinnen denken. Jolanda Neff gewinnt das Rennen vor Sina Frei und Linda Indergand. Alle drei Medaillen gehen an die Schweiz – ein historischer Triumph.
Die Schweizer Schwimmer waren nicht minder historisch unterwegs. Jérémy Desplanches holte die erste Schwimm-Medaille seit 37 Jahren und einen Tag später legte Noè Ponti nach. Wie der Genfer schwamm auch der Tessiner zu Bronze. Die Reaktionen der RSI-Kommentatoren machten diesen Erfolg unvergesslich.
Emozioni a non finire per la storica medaglia di bronzo vinta da Noè Ponti a #Tokyo2020. Andrea Mangia e Igor Nastic le hanno vissute e ce le hanno trasmesse con moderato entusiasmo 😅 pic.twitter.com/zNLTsfOWGX
— Sport RSI (@RSIsport) July 31, 2021
Wenn man an den olympischen Geist denkt, muss man bei diesen Spielen unzweifelhaft das fidschianische Rugby-Team nennen. Mit grossem Teamgeist konnte Fidschi zum zweiten Mal in Folge Olympia-Gold gewinnen und die ganze Welt begeistern. Nach dem Sieg sorgten die Fidschianer mit ihrem Gesang für Gänsehaut.
Sing it loud and proud, Fiji rugby! What great voices! #TokyoOlympics pic.twitter.com/QdG3lT6MsW
— #TokyoOlympics (@NBCOlympics) July 29, 2021
Fast 30 Jahre musste die Schweiz auf eine weitere olympische Goldmedaille im Tennis-Einzel warten. Und das trotz Roger Federer. Belinda Bencic befand sich in Tokio in der Form ihres Lebens und begeisterte alle Schweizer Tennisfans mit ihrem Kampfgeist und ihrem schieren Siegeswillen. Damit holte die 24-Jährige nach Marc Rosset 1992 erst das zweite Einzel-Gold für die Schweiz.
Doch Belinda Bencic konnte nicht nur im Einzel überzeugen. Auch im Doppel gelang ihr mit Viktorija Golubic der Finaleinzug. Dabei musste sie zwischenzeitlich sogar sechs Spiele in drei Tagen absolvieren. Dass die Ostschweizerin ein solches Pensum abspulen konnte, hatte unter anderem auch mit ihrer Freundschaft zu Golubic zu tun. Die beiden Tennisspielerinnen verstanden sich prächtig und sorgten auch in Interviews immer für lustige Momente.
Am Ende reichte es zwar nur zu Silber, doch das Doppel Bencic/Golubic wird nicht so schnell vergessen werden. «Es war eine mega, mega, mega Woche», bilanziert die 28-jährige Golubic.
Mutaz Essa Barshim und Gianmarco Tamberi sind gute Freunde. Beide kämpften sich von Verletzungen zurück und übersprangen als einzige 2,37 Meter im Hochsprung bei den Olympischen Spielen. Ein Stechen hätte den Olympiasieger küren sollen. Doch der Katarer fragte einen IOC-Funktionär: «Können wir beide Gold haben?» Dieser antwortete, dass dies möglich sei.
«Lass uns Geschichte schreiben», rief er Tamberi zu. Der Italiener willigte ein und sprang Barshim um den Hals. Es war einer der emotionalsten Momente bei den Olympischen Spielen.
Bei der Siegerehrung standen sie gemeinsam auf dem obersten Treppchen und hängten sich gegenseitig die Goldmedaillen um.
Die erst 17-jährige Lydia Jacoby überraschte mit ihrem Olympiasieg über 100 Meter Brust. Die Schwimmerin aus Alaska holte sich Gold und liess ihre Mitschüler jubeln.
Eine tragischere Geschichte war jene von Simone Biles. Aufgrund mentaler Probleme zog sie sich aus dem Mannschafts-Mehrkampf im Turnen zurück und sagte auch ihre Teilnahme an vier der fünf Einzelwettbewerbe ab. Einzig am Schwebebalken nahm sie teil.
Dort konnte die US-Amerikanerin Bronze gewinnen und so doch noch für einen schönen Abschluss ihrer Spiele sorgen. Zudem machte die Turnerin mit ihren Aussagen auf das wichtige Thema der mentalen Gesundheit aufmerksam.
Kaum jemand dominiert eine Disziplin so wie die US-Amerikanerin Katie Ledecky. Die 24-Jährige konnte in Tokio bereits ihre sechste und siebte Goldmedaille an Sommerspielen feiern. Drei davon gewann die Schwimmerin über 800 Meter Freistil. Kein Wunder, wenn man sich die Rekordzeiten über diese Distanz ansieht. Die besten 23 Zeiten über diese Distanz wurden alle von Ledecky aufgestellt.
This is one of the most obscene stats I’ve ever seen. It’s Katie Ledecky, and then everyone else is swimming …
— Matt Norlander (@MattNorlander) July 31, 2021
…
FOR TWENTY-FOURTH. pic.twitter.com/cnW30G3wBU
Im Rennen über 400 Meter Freistil konnte Ledecky sich aber nicht durchsetzen. Dort gewann die Australierin Ariarne Titmus. Über den Olympia-Sieg der 20-Jährigen war ihr Trainer völlig aus dem Häuschen. Wenn keine Fans im Stadion sein dürfen, muss er halt selbst für Stimmung sorgen.
Australian swim coach is electric pic.twitter.com/6dNRQwxdWH
— Marc (@marcf___) July 26, 2021
Noch ein historischer Olympiasieg für die Schweiz: die erste Goldmedaille im Schiessen seit 1948. Nina Christen zeigte einen hervorragenden Wettkampf und konnte einem ansonsten wenig beachteten Sport zu etwas mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Die sympathische Nidwaldnerin gewann neben Gold im Dreistellungsmatch auch Bronze mit dem Luftgewehr.
«Dabei sein ist alles» – so wird der olympische Gedanke heutzutage oft zitiert. Doch die wenigsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben sich mit der reinen Anwesenheit zufrieden. Mit fehlendem Ehrgeiz würden sie wohl kaum zu den besten ihrer Zunft gehören. In diesem Fall kann man den geflügelten Satz jedoch ohne Frage bemühen.
Claire Michel aus Belgien kam beim Triathlon der Frauen als Letzte ins Ziel. Sie war untröstlich und begann im Ziel zu weinen. Lotte Miller, die als 24. im Ziel ankam, munterte sie auf: «Du bist eine verdammte Kämpferin. Das ist der olympische Spirit und du hast ihn zu hundert Prozent», sagte die Norwegerin zu Michel.
Tom Daley konnte in Tokio seinen ersten Olympiasieg feiern. Doch auch neben dem Wasserbecken sorgte der Brite für schöne Geschichten. Einerseits setzt sich der Turmspringer für die LGBTQ-Community ein und sagt: «Ich bin unendlich stolz zu sagen, dass ich schwul und Olympiasieger bin.» Andererseits wurde der 27-Jährige auf der Tribüne beim Stricken gesichtet. Daley strickte einen Pullover mit dem Logo des Teams GB und den olympischen Ringen. Die dadurch entstandene Aufmerksamkeit nutzte er für einen Spendenaufruf für Gehirntumor-Forschung. Ein feiner Typ, dieser Tom Daley.
Urgent update: Knitting action is back underway at the Aquatics Centre. This time it is a @TeamGB jumper! 🇬🇧 pic.twitter.com/tJlueScIp1
— Olympics (@Olympics) August 2, 2021
Mit seiner erfrischenden Art sorgte Max Kruse bereits des Öfteren für Lacher. An den Olympischen Spielen überraschte er seine Freundin zu Hause mit einem Heiratsantrag. «Wir sind ja jetzt schon fast ein Jahr zusammen und es war eine schöne Zeit. Hiermit frage ich dich, ob du meine Frau werden willst.» Dilara Mardine hat «Ja» gesagt.
Die Freude bei Marlen Reusser nach dem Gewinn der Silbermedaille im Zeitfahren war riesig. Trotz ihrer 29 Jahre nahm sie zum ersten Mal an Olympischen Spielen teil und konnte gleich einen grossen Erfolg feiern. Die sympathische Bernerin wollte ihre Silbermedaille sogar ihrem Trainer schenken, doch dieser lehnte ab: «Das kann ich nicht annehmen.»
Noch nie zuvor hatte eine Schweizerin einen olympischen Sprintfinal erreicht. Im 100-Meter-Final waren es mit Mujinga Kambundji und Ajla Del Ponte gleich zwei. Dort zeigten die Sprinterinnen starke Leistungen und kamen kurz nacheinander als Fünfte und Sechste ins Ziel.
Auch mit der Staffel schafften Kambundji und Del Ponte den Einzug in den Final. Gemeinsam mit Riccarda Dietsche und Salomé Kora liefen sie Schweizer Rekord und wurden Vierte.
Karsten Warholm aus Norwegen ist der erste Mensch, der die 400 Meter Hürden in unter 46 Sekunden absolviert. Der 25-Jährige unterbot seinen eigenen Weltrekord gleich um 76 Hundertstel und stellte ihn auf 45,94 Sekunden. Der Blick auf die Uhr versetzte Warholm in Ekstase. Es war ein Lauf für die Ewigkeit.
Ein weiterer Weltrekord gelang Yulimar Rojas beim Dreisprung. Im letzten Versuch konnte die Venezolanerin, die bereits als Olympia-Siegerin feststand, die alte Bestmarke aus dem Jahr 1995 gleich um 17 Zentimeter verbessern. Rojas setzte eine Weite von 15,67 Metern in den Sand. Ihre Konkurrentinnen freuten sich mit der Olympia-Siegerin mit.
Ryan Crouser gewinnt in Tokio zum zweiten Mal in Folge Gold. Doch für diesen Erfolg musste der US-Amerikaner hart arbeiten – und viel essen. Sehr viel essen. Fünf Mahlzeiten nahm Crouser täglich zu sich, um Masse aufzubauen und mehr Kraft hinter die Kugel bringen zu können. Die harte Arbeit zahlte sich aus. Nach dem Sieg hielt er ein Blatt Papier in die Kameras: «Opa, wir haben es geschafft. Olympia-Sieger 2020!» Sein Grossvater war einen Tag vor der Abreise an die Olympischen Spiele verstorben.
Tatjana Schoenmaker schwamm über 200 Meter Brust zum Olympia-Sieg. Doch nicht nur das, der 24-Jährigen gelang in 2:18,95 Minuten zudem auch der neue Weltrekord. Das konnte die Südafrikanerin selbst nicht so recht glauben. Als sie die geschwommene Zeit erblickte, brach sie in Tränen aus. Die Silber- und Bronze-Gewinnerinnen schwammen direkt zu ihr und nahmen Schoenmaker in den Arm. Die US-Amerikanerinnen Lilly King und Annie Lazor sowie Kaylene Corbett feierten die starke Leistung von Tatjana Schoenmaker gemeinsam.