Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gab Donald Trump folgendes Statement ab: «Es ist schwierig, jemanden zu impeachen, der nichts Falsches getan und der die beste Wirtschaft in der Geschichte des Landes geschaffen hat. […] Ich mache mir daher keine Sorgen. Ich bin überzeugt, dass die Menschen revoltieren würden, sollte dies (ein Impeachment) tatsächlich geschehen.»
Diese Worte sind idiotisch, nicht nur wegen der lächerlichen Beste-Wirtschaft-aller-Zeiten-Behauptung. Sie verschärfen Trumps ohnehin schon massive Probleme. «Mit dieser Drohung versucht Trump, das ganze Land in Geiselhaft zu nehmen», erklärt der Harvard-Professor Laurence Tribe gegenüber CNN. Tribe ist Spezialist für Verfassungsrecht und Autor eines Buches mit dem Titel «To End a Presidency».
Trump wird in die Enge gedrängt. Nachdem die Strafbehörden letzte Woche ihre Empfehlungen in drei Fällen veröffentlicht haben – sie betreffen den ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn, den ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort und den ehemaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen –, hat sich die Lage des Präsidenten schlagartig verschlechtert.
Derweil gehen die Demokraten in die Offensive. Adam Schiff, der im Januar die Führung des House Intelligence Committee im Abgeordnetenhaus übernehmen wird, spricht nun offen davon, dass Trump «im Gefängnis» landen könnte. Ins gleiche Horn stösst der einflussreiche Senator aus Kalifornien, Eric Swalwell.
Selbst Konservative sind beunruhigt. Andrew McCarthy, ein ehemaliger Strafverfolger des Southern District of New York (SDNY) und Trump-Sympathisant, erklärte auf Fox News besorgt: «Der Präsident wird wahrscheinlich angeklagt werden, weil er gegen das Gesetz zur Finanzierung der Wahlen verstossen hat.»
Warum sprechen plötzlich alle wieder von Impeachment und möglichen Anklagen? Bis vor kurzem schien man sich mehr oder weniger damit abgefunden zu haben, dass Trump bis zum Ende seiner Amtszeit im Weissen Haus bleiben wird. Ein Amtsenthebungsverfahren würde ihn zum Märtyrer machen und mehr Schaden als Nutzen zur Folge haben, lautete die gängige Einschätzung.
Nun hat der Wind gedreht. Entscheidend ist dabei die Tatsache, dass nun nicht mehr Demokraten, Journalisten und TV-Experten sich zu möglichen Straftaten von Donald Trump äussern. Es ist sein eigenes Justizministerium. Und zwar wie folgt:
Das SDNY ist nicht irgendeine Dienststelle, die Verbrechen in New York jagt. Es ist Teil des Justizdepartements und damit ein Teil der nationalen Regierung. Die Strafverfolger des SDNY gehören zu den besten der USA. Sie haben in ihrer Empfehlung im Fall Cohen festgehalten, dass «Individual I» – hinter diesem Pseudonym steckt der Präsident – seinen einstigen Anwalt angewiesen hat, Schweigegelder an den Pornostar Stormy Daniels und das Playboy-Model Karen McDougal zu bezahlen.
Das ist keine Lappalie. Im Bericht des SDNY steht ausdrücklich, dass damit «die Wähler getäuscht wurden, indem ihnen wichtige Fakten vorenthalten wurden, die den Ausgang möglicherweise beeinflusst hätten». Mit anderen Worten: Die Anwälte des SDNY kommen zum Schluss, dass Trump ein Verbrechen begangen hat, und zwar ein gewichtiges.
Es hatte zur Folge, dass er die Wahlen gewann. «Individual I» ist somit in der Sprache der Juristen – und zwar der Juristen des eigenen Justizministeriums – ein «nicht angeklagter Mitverschwörer» (non indicted co-conspirator). Wäre Trump nicht Präsident, müsste er nun vor dem Kadi erscheinen; und die Beweise, die das SDNY in der Hand hat, scheinen wasserfest zu sein.
Es ist umstritten, ob ein amtierender Präsident angeklagt werden kann. Nach Watergate hat das Justizministerium eine Richtlinie erlassen, wonach dies nicht möglich sei. Ein Präsident, der ein schweres Verbrechen begehe, werde ohnehin impeached, lautete die Begründung.
Harvard-Professor Tribe weist jedoch darauf hin, dass es sich hier bloss um eine unverbindliche Richtlinie handelt. Gemäss dem in den USA sehr hoch gehaltenen Grundsatz, wonach kein Mensch über dem Gesetz steht, kann laut Tribe auch der Präsident anklagt werden. Das Argument, er würde damit von seinen schweren Pflichten abgehalten, hält Tribe für eine billige Ausrede.
Auch im Empfehlungsschreiben des Sonderermittlers Robert Mueller steckt Dynamit. Ein allfälliger Trump Tower in Moskau hätte Trump Einnahmen in der Höhe von hunderten von Millionen Dollar beschert, heisst es darin. Cohen hatte gestanden, dass die Verhandlungen darüber bis in den Sommer dauerten, etwas, das Trump stets bestritten hat.
Der Tower hätte auch nur dann gebaut werden können, wenn die USA ihre Sanktionen gegenüber Russland aufgehoben hätten. Trump steht damit im Verdacht, private und nationale Interessen vermischt zu haben.
Nach der Veröffentlichung der drei Empfehlungsschreiben hatte Trump getweetet: «Totally clears the President. Thank you!» Das war Pfeifen im Dunklen, und zwar auf Stelzen. Inzwischen ist er zurückgekrebst. Das Schweigegeld sei eine Privatsache und ohnehin sei dafür Cohen als Anwalt zuständig gewesen, die Sache mit dem Trump Tower Moskau sei Peanuts, sagt Trump nun.
Vor allem geht er jedoch politisch in die Offensive. Soeben hat er sich vor laufenden Kameras mit den beiden demokratischen Führern Nancy Pelosi und Chuck Schumer ein eher peinliches Duell über die Mauer gegen Mexiko geliefert. Trump weiss, dass ein Impeachment, sollte es tatsächlich dazu kommen, letztlich ein politisches Verfahren und die letzte Instanz das Wahlvolk ist.
Chuck Schumer: "The experts say you can do border security without a wall which is wasteful and doesn't solve the problem."
— The Hill (@thehill) December 12, 2018
President Trump: "It totally solves the problem."
Nancy Pelosi: "Unfortunately, this has spiraled downward." https://t.co/5yEUHlCFXx pic.twitter.com/LOAi4QyymY
Doch auch diese Front bröckelt. Jüngste Umfragen zeigen, dass der Präsident in der Wählergunst wieder unter die kritische 40-Prozent-Marke gefallen ist, und dass nach wie vor eine Mehrheit wünscht, dass Mueller seine Arbeit ungeschoren zu Ende führen kann. Die Tatsache, dass sehr viele Stellen in den erwähnten Empfehlungen an die Richter eingeschwärzt sind, lässt dabei nichts Gutes für Trump erwarten.
Zu dieser Einschätzung scheint man auch im West Wing des Weissen Hauses zu kommen. Der amtierende Stabschef John Kelly geht auf Ende Jahr. Sein designierter Nachfolger Nick Ayers hat dankend abgewinkt. Ayers ist ein junger, aufstrebender und sehr ehrgeiziger Mann. Schlägt ein solcher Typ ein solches Angebot aus, dann kann das eigentlich nur heissen: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.