Es gibt diese Wissenshäppchen, die zum Kanon des Allgemeinwissens gehören und die wir gern bei Gelegenheit erwähnen – etwa um unsere Gesprächspartner zu beeindrucken. Leider haben sie einen entscheidenden Makel: Sie stimmen nicht. Mal schauen, welche aus dieser übrigens ziemlich willkürlichen Auswahl du kennst – oder sogar schon selbst zum Besten gegeben hast!
Entschuldigung für die etwas derbe Wortwahl im Titel – aber wir sind hier bei den Römern, die selber oft kein Blatt vor den Mund nahmen. Was könnte doch die Dekadenz der spätrömischen Oberschicht besser verkörpern als das Vomitorium (von lateinisch vomere, «ausspeien», «erbrechen») – ein besonderer Brechraum, in den sich die Zecher bei einem grossen Gelage zurückzogen, um sich dort mit einer Straussenfeder den Rachen zu kitzeln und durch den damit ausgelösten Brechreiz den Mageninhalt nach draussen zu befördern. Mit nun wieder aufnahmefähigem Magen kehrten sie dann zurück zum Triclinium, dem Speisesofa, um sich von Neuem vollzustopfen.
Dummerweise stimmt das aber nicht. Solche Vomitoria sind archäologisch nicht belegt und das Erbrechen war nicht fester Teil eines römischen Gelages. Der Begriff, der erst am Ende des 4. Jahrhunderts auftaucht, bezeichnet vielmehr den Zugang zu den Sitzreihen eines Amphitheaters oder Stadions, durch den viele Leute hineinströmen konnten. Immerhin bezeichnet Vomitorium aber auch ein Medikament, das Erbrechen auslösen soll (Emetikum).
Das Christentum lehrt, dass Maria Jungfrau war, als sie Jesus empfing und gebar. Oft bezeichnet man dies mit dem Begriff «Unbefleckte Empfängnis» – leider zu Unrecht. Es handelt sich um zwei verschiedene Glaubensinhalte: Die Unbefleckte Empfängnis (immaculata conceptio) ist ein 1854 verkündetes römisch-katholisches Dogma, das feststellt, Maria sei im Moment ihrer Empfängnis durch ihre Eltern Joachim und Anna und auch danach frei von Erbsünde gewesen. Laut dem Decretum de Peccato Originali sind alle Menschen in Nachfolge von Adam von der Erbsünde betroffen – ausser eben Maria. Sie blieb demnach vor jeder Sünde bewahrt, da sie die Mutter Gottes werden sollte.
Unbefleckte Empfängnis bedeutet übrigens auch nicht, dass Maria selbst ebenfalls von einer Jungfrau geboren, also ohne Geschlechtsverkehr gezeugt wurde. Dies ist Jesus vorbehalten, der von der Jungfrau Maria geboren wurde, nachdem sie vom Heiligen Geist geschwängert worden war. Die Jungfrauengeburt, die als Wunder Gottes betrachtet wird, gehörte schon im 2. Jahrhundert zum christlichen Bekenntnis. Auch der Islam hat die Jungfräulichkeit Marias übernommen: Im Koran gilt Jesu Zeugung ohne biologischen Vater als Wunder Gottes und Zeichen seiner Macht.
Von den wunderlichen Dogmen der christlichen Religion wechseln wir flugs zu den Wundern der Raumzeit, wie sie in der Relativitätstheorie von Albert Einstein beschrieben werden. Wenn es um populäre Irrtümer bei Einstein geht, werden ja immer seine angeblich schlechten Noten als Schüler genannt, die eben gar nicht schlecht waren (haben wir auch gemacht). Das ist aber mittlerweile ziemlich bekannt. Viel weniger bekannt ist hingegen, dass Einstein 1921 den Nobelpreis nicht für die Relativitätstheorie erhielt, seine wohl bedeutendste wissenschaftliche Leistung, sondern für seine Erklärung des photoelektrischen Effekts.
Der junge Einstein veröffentlichte kurz nach der Jahrhundertwende in rascher Folge vier bahnbrechende Arbeiten, die aus heutiger Sicht jede für sich nobelpreiswürdig waren. Zwischen 1910 und 1918 wurde er zwanzigmal für den Preis vorgeschlagen, erhielt ihn aber nicht. 1921 aber «musste» er den Nobelpreis erhalten, doch der schwedische Augenarzt und Medizin-Nobelpreisträger Allvar Gullstrand, der ein Gutachten zur Relativitätstheorie erstellen sollte, scheiterte an dieser Aufgabe, obwohl die Preisverleihung 1921 ausgesetzt worden war. So einigte sich das Nobel-Komitee schliesslich darauf, Einstein 1922 rückwirkend für 1921 auszuzeichnen – und zwar für seine Arbeiten zum photoelektrischen Effekt.
Kinder malen die Sonne auf ihren Zeichnungen in aller Regel mit kräftigem Gelb. Das Strahlungsmaximum der Sonne liegt im sichtbaren Licht; in geringerem Umfang strahlt sie auch ultraviolettes und infrarotes Licht aus. Diese Strahlung wird vom menschlichen Auge in der Summe als reines Weiss wahrgenommen – im Weltraum, also ausserhalb der Atmosphäre.
In der Atmosphäre wird die Strahlung jedoch an Luftmolekülen gestreut (Rayleigh-Streuung), was dazu führt, dass der Himmel blau erscheint. Der kurzwellige, also blaue und violette Anteil des sichtbaren Lichts wird wesentlich stärker gestreut, was dazu führt, dass diese Strahlung das Auge auch aus anderer Richtung als der Sonnenscheibe erreicht. Das aus der Richtung der Sonne abgestrahlte ungestreute Licht wird wegen des verringerten Anteils der kurzwelligen Strahlung als gelb wahrgenommen, in Horizontnähe auch als orange.
Nach den Gräueln der Nazi-Herrschaft war der Nationalsozialismus vor aller Augen diskreditiert. Wer dennoch etwas Positives in diesen zwölf Schreckensjahren finden wollte, nannte meist die Autobahnen: «Hitler hat die Autobahnen gebaut.» Die Autobahnen waren aber mitnichten eine Erfindung der Nazis. Die ersten Pläne für eine Schnellstrasse in Deutschland gab es bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Die erste autobahnähnlich ausgeführte Schnellstrasse war die AVUS («Automobil-Verkehrs- und Übungs-Strasse») in Berlin, mit deren Bau 1913 begonnen wurde. Sie konnte nach einer kriegsbedingten Unterbrechung 1921 dem Verkehr übergeben werden.
Auch die «Landstrasse 185» zwischen Köln und Bonn, die von 1929 bis 1932 gebaut wurde, wies alle Merkmale einer Autobahn auf. Diese Schnellstrasse, die von Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer eingeweiht wurde, gilt daher als erste deutsche Autobahn. Der Begriff «Autobahn» tauchte zum ersten Mal zu Beginn des Jahres 1927 in einer Fachzeitschrift auf. Und der Verein zur Vorbereitung der Autostrasse Hansestädte-Frankfurt-Basel (HaFraBa) plante schon in den 1920er-Jahren ein Autobahnnetz. Die Nazis, die zu Beginn gegen Schnellstrassen waren, die sie für einen überflüssigen Luxus hielten, vereinnahmten dann die Autobahnen und nutzten sie als «Strassen Adolf Hitlers» für ihre Propaganda.
Die älteste Pasta stammt aus China: Dort wurden in einer versiegelten Tonschüssel erstaunlich gut erhaltene spaghettiähnliche Nudeln gefunden, die 4000 Jahre alt waren. Von China gelangte die Pasta dann im Jahr 1295 mit Marco Polo nach Italien – noch heute zur Betrübnis manch stolzer Italiener, für die der Gedanke, dass Spaghetti nicht in Italien erfunden wurden, kaum erträglich ist. Doch sie können sich beruhigt zurücklehnen: Pasta gab es in Italien lange vor Polos Heimkehr von seiner legendären Asienreise, auch wenn der venezianische Kaufmann tatsächlich Pasta-Sorten und Rezepte aus China mitbrachte.
In italienischen Gräbern aus dem 4. Jahrhundert gibt es Abbildungen von Geräten zur Herstellung von Pasta: ein Nudelbrett, eine Teigzange und ein Nudelholz. Und hundert Jahre vor Marco Polo berichtete der arabische Geograf Al-Idrisi von einer fadenförmigen Speise aus Mehl, die in Sizilien hergestellt wurde. Die Legende, erst Marco Polo habe Pasta nach Italien gebracht, geht auf die vom Verband der amerikanischen Pastahersteller herausgegebene Zeitschrift «The Macaroni Journal» zurück, in der 1929 eine entsprechende Geschichte veröffentlicht wurde.
Im Westen ist er als «Glücklicher Buddha» oder «Lachender Buddha» bekannt: ein offensichtlich gut gelaunter kahler Mönch mit dickem Bauch, von dem es viele Statuen gibt. Es soll Glück bringen, ihm den Bauch zu streicheln. Doch der «Lachende Buddha» ist streng genommen gar nicht der eigentliche Buddha, sondern Budai, eine populäre Figur der chinesischen und japanischen Volksreligion. Sie geht zurück auf den chinesischen Mönch Qici, der im 10. Jahrhundert als wandernder Bettelmönch unterwegs war. Der historische Buddha, Siddhartha Gautama, der im 5. Jahrhundert v. Chr. den Buddhismus begründete, wird nicht korpulent und meist in einer konzentrierten meditativen Pose dargestellt.
Es sollte das Woodstock der Westküste werden und wurde zum Symbol für das Ende der unbeschwerten Hippie-Zeit: Am 6. Dezember fand auf dem Altamont Speedway in Kalifornien ein Gratis-Konzert statt, an dem neben den Rolling Stones auch Grössen wie Santana, Jefferson Airplane oder Crosby, Stills, Nash and Young spielten. Bei dem schlecht organisierten Konzert kamen mehrere Menschen bei Unglücksfällen zu Tode, berüchtigt ist aber die Tötung eines Konzertbesuchers durch einen der als Sicherheitsdienst eingesetzten Hells Angels. Das Opfer, Meredith Hunter, hatte direkt vor der Bühne unter Drogeneinfluss einen Revolver auf Mick Jagger gerichtet und war darauf vom Ordner Alan Passaro erstochen worden.
Während dieses fatalen Vorfalls spielten die Stones gerade «Sympathy for the Devil», so will es die Legende. In Wahrheit war es aber das Stück «Under My Thumb»; «Sympathy for the Devil» hatten die Stones bereits vorher gespielt. Schon dann war es zu Schlägereien im Publikum gekommen. Filmaufnahmen der tödlichen Konfrontation wurden im Dokumentarfilm «Gimme Shelter» verwendet.
Es leuchtet sofort ein: Wendeltreppen in Burgen sind im Uhrzeigersinn gebaut, weil dann ein von unten kommender rechtshändiger Angreifer Mühe hat, seine Waffe einzusetzen, während ein von oben her kämpfender Verteidiger viel Spielraum hat, um seine Waffe zu schwingen:
The reason why most staircases in medieval castles were built to be extremely narrow and spiraling in a clockwise direction is:
— LetsDiscover 🌎 (@DiscoverAtoZ) June 30, 2024
Since medieval castles were built mainly as fortifications, staircases were designed to make it extremely difficult for enemy combatants to fight their… pic.twitter.com/8PZ0zVXeBu
Ich habe dieses Wissenshäppchen selber mit Erfolg meiner Freundin serviert, als wir einmal eine Burg besuchten. Leider ist es mit seinem Wahrheitsgehalt nicht weit her: Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen aus dem Mittelalter, die diesen vermeintlichen Vorteil erwähnen. Und etwa 30 Prozent der Wendeltreppen in Burgen und Schlössern drehen im Gegenuhrzeigersinn. Manche haben auch mehrere Wendeltreppen, die unterschiedlich drehen. Ausserdem endeten Belagerungen von Burgen in der Regel nicht mit einem Gefecht auf der Wendeltreppe, sondern durch Bestechung oder Aufgabe der ausgehungerten Besatzung.
Im Oktober 1962 stand die Welt in der Kubakrise so knapp vor einem Atomkrieg wie noch nie. Die Supermächte USA und Sowjetunion bemerkten damals, dass Missverständnisse in der Kommunikation zwischen ihren Machtzentren zu gefährlichen Situationen führen konnten und richteten daher einen sogenannten Heissen Draht ein, eine direkte Verbindung zwischen Washington und Moskau. Also eine Telefonleitung, die zwei rote Telefone im Kreml und im Weissen Haus miteinander verband.
Es war aber keine Telefonverbindung, sondern eine ständige Fernschreiberverbindung, und daher standen da auch keine roten Telefone im Kreml und im Weissen Haus. Die Fernschreiberverbindung endete übrigens auch nicht im Weissen Haus, sondern im Pentagon, dem amerikanischen Verteidigungsministerium. Die Fernschreiber wurden 1988 durch Faxgeräte ersetzt; seit 2008 besteht der Heisse Draht aus einer sicheren Computerverbindung, über die E-Mails geschickt werden.
Chamäleons stehen quasi sprichwörtlich für Anpassungsfähigkeit – ihre Fähigkeit, die Hautfarbe zu wechseln, prädestiniert sie dazu. Daher sind sie Meister der Tarnung, die sich an jeden beliebigen Hintergrund anpassen können. Sie tun dies, indem sie Zellen, die Kristalle enthalten, dehnen und entspannen, wodurch die Lichtreflexion beeinflusst wird.
Tatsächlich können Chamäleons ihre Hautfarbe ändern. Sie können jedoch nicht jede beliebige Farbe annehmen, und ihre Farbwechsel dienen eher sozialen Zwecken als der Tarnung. Dunkle Farben signalisieren beispielsweise Aggression, etwa wenn ein Weibchen sich nicht paaren will. Sie wechseln ihre Farbe zudem, um die Wärme zu regulieren – hellere Farben reflektieren die Wärme. Durch ihre stumpfen braunen und grünen Grundfarben sind sie in ihrer natürlichen Umgebung meistens gut getarnt, und ein Farbwechsel erhöht ihre Sichtbarkeit für Fressfeinde.