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Wir Eltern

Haben wir bald eine Sprachpolizei auf dem Pausenplatz?

Schüler in Movelier auf dem Pausenplatz: Nur noch die Landessprache?
Schüler in Movelier auf dem Pausenplatz: Nur noch die Landessprache?
Bild: KEYSTONE
Wir Eltern

Nur noch Deutsch auf dem Pausenplatz? Warum schaffen wir nicht gleich Ghettos?

An den Schulen soll in der Pause zukünftig nur noch deutsch gesprochen werden. So wollen es gewisse Politiker. Was ich davon halte? Na, ratet mal ...
02.02.2016, 14:4402.02.2016, 15:06
nathalie sassine-hauptmann / wir eltern
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Ein Artikel von
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«Egerkingen hat Angst um ihren internationalen Ruf» schrieb der «Tages-Anzeiger» noch im Oktober 2015 über die Solothurner Gemeinde, die wegen des Burka-Verbots in die Schlagzeilen geraten war. Offenbar ist diese Angst überwunden, denn letzten Freitag meldete Johanna Bartholdi (Gemeindepräsidentin von Egerkingen), dass «mit bis zu 550 Franken bestraft werden soll, wer auf dem Areal der Primarschule Egerkingen kein Deutsch spricht».

Sogleich doppelte übers Wochenende der SVP-Nationalrat Walter Wobmann nach: Er fordert obligatorisches Deutsch auch in der Pause an ALLEN Schweizer Schulen. Als erstes fällt auf, dass ihm offenbar nicht bewusst ist, dass in der Schweiz offiziell vier Landessprachen gesprochen werden. Doch ich verzeihe ihm das, da ich auch davon ausgehe, dass sein Horizont für andere Bereiche nicht über die Mittellandsgrenze hinaus geht.

Volle Kommentarspalten

Was ich ihm nicht verzeihe, ist, dass er nun alle möglichen Trolle in die Kommentarspalten gelockt hat, die sich darüber aufregen, dass das nicht schon längst ein Muss an den Schulen ist.

Wo kämen wir denn da hin, wenn alle Kinder ab und zu in der Sprache sprechen, die ihrer Identität entspricht? Denn dieses Phänomen ist ja so was von neu!

Jetzt auf
Die fremdsprachigen Schulkollegen könnten sich auch mal dazu äussern, wieso dass es eben cool ist (denn meist geht es doch darum), in einer Fremdsprache zu reden.

Nie gab es Italiener, die in der Schule in ihrer Muttersprache Sprüche klopften, Spanier, die sich im Fussball gegenseitig auf Spanisch anfeuerten oder gar Welsche, die an der Uni Zürich in der Sprache Molières Paragraphen austauschten. Das gibt es erst, seit diese seltsamen Muslime und dunkelhäutigen Menschen die Alpen überquert haben, um unsere Schweizer Identität zu sabotieren, in dem sie untereinander geheime Botschaften austauschen, die wir nicht verstehen!

Man rufe die Nationalgarde, den Nachrichtendienst! Das sind alles potentielle Terroristen, die auf unsere Pausenplätzen den Djihad üben!

Herr Wobmann, was glauben Sie eigentlich, damit zu erreichen? Mehr Integration? Wollen Sie diese mit Griff ins Portemonnaie erreichen, wie alles andere auch in der Schweiz? Wieso ist das Thema der Sprache bspw. in Spreitenbach, mit einem vielfachen an Migrantenkindern offenbar kein Problem?

Als Kind habe ich es auch nicht gemocht, wenn ich etwas nicht verstand. Das war bei den Spaniern und Portugiesen so. Was taten wir also? Wir lernten die paar Brocken, die uns irgendwie weiterhalfen, befreundeten uns mit diesen Kids und tauschten uns über unsere unterschiedlichen Kulturen aus!

Wäre es nicht logischer, wenn sich wirklich betroffene Gemeinden echauffieren würden, Frau Bartholdi?

Wieso schaffen wir nicht gleich Ghettos, in denen diese Ausländer unter sich sind und unsere Schweizer Kinderlein nicht ausgrenzen können?

Oh, warten Sie, das gab es ja schon ...

Ich könnte es sogar verstehen, wenn sich die Kinder beklagt hätten. Als Kind habe ich es auch nicht gemocht, wenn ich etwas nicht verstand. Das war bei den Spaniern und Portugiesen so. Was taten wir also? Wir lernten die paar Brocken, die uns irgendwie weiterhalfen, befreundeten uns mit diesen Kids und tauschten uns über unsere unterschiedlichen Kulturen aus! Das nennt man Horizont-Erweiterung Frau Bartholdi!

Fremdsprachen sind vielleicht cool ...

Wie wäre es, wenn wir die Kinder das Problem selber in die Hand nehmen lassen würden? In den Schulen wird doch sonst so viel geredet, wieso nicht einmal Diskussionsrunden zum Thema veranstalten, wo Schweizer Kinder ihr Unbehagen kundtun können. Wo ihre fremdsprachigen Schulkollegen sich auch mal dazu äussern dürfen, wieso es eben cool ist (denn meist geht es doch darum), in einer Fremdsprache zu reden.

Ist es nicht unsere Aufgabe als Eltern, Lehrer (die übrigens alle gegen diese Idee sind, nur deutsch auf den Pausenplätzen zu sprechen) und Politiker, unseren Kindern die Welt zu zeigen? Toleranz zu lehren? Oder geht es heute vermehrt darum, ihnen eine Idee der Heimat zu bieten, die andere ausschliesst, ihnen ihre Sprache verbietet?

Was meint ihr? Für oder gegen das Fremdsprachen-Verbot an den Schulen?

[pbl, 16.02.2016] Durchsetzungs-Initiative

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dommen
02.02.2016 15:57registriert Januar 2016
Das Problem im Fall Egerkingen ist ja offensichtlich, dass Sprache gezielt als Instrument dazu genuzt wurde, andere auszugrenzen. Dass man da einschreiten muss, erachte ich als dem gesunden Menschenverstand geschuldet. Leider wird dieser Umstand nun von Rechts bis Links für propagandistische Triebabfuhr benutzt. Warum es überhaupt soweit kam, wird einfach übersehen geschweige denn, diskutiert. Ob nun von Herrn Wobmann, welcher sich dem Ziel einer idyllischen Bergdorfschweiz ein Stück näher sieht, oder dem Autor, der sich voller sehnsüchtiger Verklärung seinen Kindheitstagen zuwendet...
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Ylene
02.02.2016 15:24registriert Januar 2016
Persönlich bin ich hin und her gerissen... Aber Nadine finde ich lächerlich schönmalerisch. Nehme an, sie ging wie ich vor ca. 20 Jahren in die Schule - da gab es hier in Bern max. 3 Ausländer pro Klasse, falls überhaupt (meistens Italiener, Ex-Jugoslawen oder Spanier). Bei meinem Sohn, der jetzt in Bern zur Schule geht, sind min. die Hälfte Ausländer und nach mehreren Elternabenden ist klar, dass ein Grossteil deren Eltern schlecht oder fast gar nicht deutsch kann. Also müssen das die Kinder in der Schule lernen - ohne Deutsch gibts keinen guten Job und das will ja auch keiner.
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Dan Rifter
02.02.2016 15:38registriert Februar 2015
Finde die Forderung nach Deutsch auf dem Pausenplatz eigentlich legitim.
Nicht primär, weil Schweizer Kinder ausgegrenzt werden könnten (obwohl: es ist unhöflich, in Gegenwart anderer eine Sprache zu sprechen, die nicht alle verstehen).
Vor allem geht es ja darum, schneller gut (Schweizer)deutsch zu sprechen und da hilft es nun mal kaum, wenn die Kinder, sobald sie aus dem Klassenzimmer sind, zur Fremdsprache wechseln.
Gilt für alle.. Holländer, Italiener, Finnen, Albaner, ..
Und die International School ist hier kein relevantes Argument.
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