«Egerkingen hat Angst um ihren internationalen Ruf» schrieb der «Tages-Anzeiger» noch im Oktober 2015 über die Solothurner Gemeinde, die wegen des Burka-Verbots in die Schlagzeilen geraten war. Offenbar ist diese Angst überwunden, denn letzten Freitag meldete Johanna Bartholdi (Gemeindepräsidentin von Egerkingen), dass «mit bis zu 550 Franken bestraft werden soll, wer auf dem Areal der Primarschule Egerkingen kein Deutsch spricht».
Sogleich doppelte übers Wochenende der SVP-Nationalrat Walter Wobmann nach: Er fordert obligatorisches Deutsch auch in der Pause an ALLEN Schweizer Schulen. Als erstes fällt auf, dass ihm offenbar nicht bewusst ist, dass in der Schweiz offiziell vier Landessprachen gesprochen werden. Doch ich verzeihe ihm das, da ich auch davon ausgehe, dass sein Horizont für andere Bereiche nicht über die Mittellandsgrenze hinaus geht.
Was ich ihm nicht verzeihe, ist, dass er nun alle möglichen Trolle in die Kommentarspalten gelockt hat, die sich darüber aufregen, dass das nicht schon längst ein Muss an den Schulen ist.
Wo kämen wir denn da hin, wenn alle Kinder ab und zu in der Sprache sprechen, die ihrer Identität entspricht? Denn dieses Phänomen ist ja so was von neu!
Nie gab es Italiener, die in der Schule in ihrer Muttersprache Sprüche klopften, Spanier, die sich im Fussball gegenseitig auf Spanisch anfeuerten oder gar Welsche, die an der Uni Zürich in der Sprache Molières Paragraphen austauschten. Das gibt es erst, seit diese seltsamen Muslime und dunkelhäutigen Menschen die Alpen überquert haben, um unsere Schweizer Identität zu sabotieren, in dem sie untereinander geheime Botschaften austauschen, die wir nicht verstehen!
Man rufe die Nationalgarde, den Nachrichtendienst! Das sind alles potentielle Terroristen, die auf unsere Pausenplätzen den Djihad üben!
Herr Wobmann, was glauben Sie eigentlich, damit zu erreichen? Mehr Integration? Wollen Sie diese mit Griff ins Portemonnaie erreichen, wie alles andere auch in der Schweiz? Wieso ist das Thema der Sprache bspw. in Spreitenbach, mit einem vielfachen an Migrantenkindern offenbar kein Problem?
Wäre es nicht logischer, wenn sich wirklich betroffene Gemeinden echauffieren würden, Frau Bartholdi?
Wieso schaffen wir nicht gleich Ghettos, in denen diese Ausländer unter sich sind und unsere Schweizer Kinderlein nicht ausgrenzen können?
Oh, warten Sie, das gab es ja schon ...
Ich könnte es sogar verstehen, wenn sich die Kinder beklagt hätten. Als Kind habe ich es auch nicht gemocht, wenn ich etwas nicht verstand. Das war bei den Spaniern und Portugiesen so. Was taten wir also? Wir lernten die paar Brocken, die uns irgendwie weiterhalfen, befreundeten uns mit diesen Kids und tauschten uns über unsere unterschiedlichen Kulturen aus! Das nennt man Horizont-Erweiterung Frau Bartholdi!
Wie wäre es, wenn wir die Kinder das Problem selber in die Hand nehmen lassen würden? In den Schulen wird doch sonst so viel geredet, wieso nicht einmal Diskussionsrunden zum Thema veranstalten, wo Schweizer Kinder ihr Unbehagen kundtun können. Wo ihre fremdsprachigen Schulkollegen sich auch mal dazu äussern dürfen, wieso es eben cool ist (denn meist geht es doch darum), in einer Fremdsprache zu reden.
Ist es nicht unsere Aufgabe als Eltern, Lehrer (die übrigens alle gegen diese Idee sind, nur deutsch auf den Pausenplätzen zu sprechen) und Politiker, unseren Kindern die Welt zu zeigen? Toleranz zu lehren? Oder geht es heute vermehrt darum, ihnen eine Idee der Heimat zu bieten, die andere ausschliesst, ihnen ihre Sprache verbietet?
Was meint ihr? Für oder gegen das Fremdsprachen-Verbot an den Schulen?