Ausgerechnet Meister YB hat's in der 1. Runde des Schweizer Cups am spannendsten gemacht. Gegen das viertklassige Biel retteten sich die Berner in der Nachspielzeit in die Verlängerung, in welcher sie kurz vor dem Penaltyschiessen zum 3:2-Sieg trafen. Nur Xamax (1:0 beim drittklassigen Yverdon) tat sich ebenfalls etwas schwerer, doch Fakt ist: Alle zehn Teams aus der Super League sind eine Runde weiter.
Business as usual. Denn das schöne Märchen von der Cup-Sensation in der Provinz findet in der Realität praktisch nie statt. Das zeigt der Blick auf die 1. Runde der letzten zehn Austragungen.
In der 1. Runde des Schweizer Cups blieb seit 2009 nur drei Mal ein Super-League-Team hängen. Thun erwischte es 2016 bei Kriens (Promotion League), Servette scheiterte 2012 an Cham (1. Liga) und der FC Luzern im gleichen Jahr an Delémont (1. Liga Promotion).
In 97 Spielen in den letzten zehn Cup-Austragungen feierten die Super-League-Teams zusammengezählt 94 Siege mit einem Torverhältnis von 435:49. Die Favoriten setzten sich im Schnitt mit 4,5 Toren zu 0,5 Toren durch.
Zu den Sensationen der 1. Runde gesellen sich solche in weiteren Runden. 2017 warf Stade Lausanne-Ouchy (PL) den FC Sion in der 2. Runde raus, Köniz (PL) schlug in dieser 2016 Lausanne und 2015 GC. Denkwürdig sind auch zwei YB-Pleiten: Im Achtelfinal 2013/14 verloren die Berner gegen Le Mont (1. Liga Promotion) mit 1:4, in der Saison darauf schieden sie beim SC Buochs aus der 2. Liga Interregional aus.
Dass es so wenig Sensationen gibt, liegt wohl nicht nur daran, dass der Qualitätsunterschied zwischen Super League und tieferen Ligen grösser wird. Sondern auch daran, dass der Weg nach Europa nirgends kürzer ist als im Cup: Für den Titelgewinn benötigt man sechs Siege. Die ersten zwei gibt's in der Regel billig, danach wartet vielleicht noch ein Challenge-League-Vertreter und schon bist du im Viertelfinal.
Da die meisten Super-League-Teams im Kampf um den Meistertitel aussen vor bleiben, nimmt der Cup eine grosse Bedeutung ein. So spielte beispielsweise der FC St.Gallen beinahe in Bestbesetzung, um gegen Ueberstorf (2. Liga Interregional) das Risiko so minim wie möglich zu halten.
Auch im DFB-Pokal fand am Wochenende die 1. Runde statt. Und dort gab's die erhofften Sensationen, die massgeblich zur Popularität dieses Wettbewerbs beitragen. Mit Eintracht Frankfurt erwischte es den Titelverteidiger im zweiten Pflichtspiel unter YB-Meistertrainer Adi Hütter: Es scheiterte beim viertklassigen SSV Ulm mit 1:2. Mit dem VfB Stuttgart (0:2 beim drittklassigen Hansa Rostock) scheiterte ein weiterer Bundesligist.
Das Scheitern hat System. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass anders als in der Schweiz 18 statt 10 Teams aus der höchsten Liga Gefahr laufen, auszuscheiden. Der Blick auf die letzten zehn Austragungen des DFB-Pokals ist auch ein Beleg dafür, dass das Gefälle zwischen den Ligen in Deutschland weniger gross ist als hierzulande.
2018/19:
1. Runde: SSV Ulm (4.) – Eintracht Frankfurt 2:1
1. Runde: Hansa Rostock (3.) – VfB Stuttgart 2:0
2017/18:
1. Runde: VfL Osnabrück (3.) – HSV 3:1
1. Runde: Magdeburg (3.) – Augsburg 2:0
2016/17:
1. Runde: Sportfreunde Lotte (3.) – Werder Bremen 2:1
2. Runde: Sportfreunde Lotte (3.) – Bayer Leverkusen 4:3 n.P.
2. Runde: Astoria Walldorf (4.) – Darmstadt 1:0
2015/16:
1. Runde: Carl Zeiss Jena (4.) – HSV 3:2 n.V.
1. Runde: Unterhaching (4.) – Ingolstadt 2:1
2. Runde: Erzgebirge Aue (3.) – Eintracht Frankfurt 1:0
2014/15:
1. Runde: Chemnitzer FC (3.) – Mainz 5:4 n.P.
1. Runde: Magdeburg (4.) – Augsburg 1:0
1. Runde: Dynamo Dresden (3.) – Schalke 04 2:1
2. Runde: Arminia Bielefeld (3.) – Hertha BSC 4:2 n.P.
Achtelfinals: Arminia Bielefeld (3.) – Werder Bremen 3:1
Viertelfinals: Arminia Bielefeld (3.) – Mönchengladbach 5:4 n.P.
2013/14:
1. Runde: Saarbrücken (3.) – Werder Bremen 3:1 n.V.
2012/13:
1. Runde: Berliner AK (4.) – Hoffenheim 4:0
1. Runde: Havelse (4.) – Nürnberg 3:2 n.V.
1. Runde: Kickers Offenbach (3.) – Greuther Fürth 2:0
1. Runde: Karlsruher SC (3.) – HSV 4:2
1. Runde: Preussen Münster (3.) – Werder Bremen 4:2 n.V.
Achtelfinals: Kickers Offenbach (3). – Fortuna Düsseldorf 2:0
2011/12:
1. Runde: RB Leipzig (4.) – Wolfsburg 3:2
1. Runde: Heidenheim (3.) – Werder Bremen 2:1
1. Runde: Unterhaching (3.) – SC Freiburg 3:2
Achtelfinals: Holstein Kiel (4.) – Mainz 2:0
2010/11:
1. Runde: Chemnitzer FC (4.) – St.Pauli 1:0
1. Runde: Elversberg (4.) – Hannover 5:4 n.P.
2. Runde: Kickers Offenbach (3.) – Borussia Dortmund
4:2 n.P.
2009/10:
1. Runde: Eintracht Trier (4.) – Hannover 3:1
2. Runde: Eintracht Trier (4.) – Arminia Bielefeld 4:2 n.V.
In Deutschland gibt es mehr faustdicke Überraschungen als in der Schweiz. Das ist umso erstaunlicher, gilt doch der Pokal für fast alle Bundesligisten als einziger Titel, den es zu gewinnen gibt. Denn die Meisterschale ist für Bayern München reserviert und sollte der Serienmeister wieder einmal nicht reüssieren, dann wird sich ein Team aus einem kleinen Kreis von vier, fünf Mannschaften durchsetzen.
Im Land des Weltmeisters stossen Jahr für Jahr dritt-, viert- oder gar fünft- und sechstklassige Teams weit vor im Cup-Wettbewerb. Erst in der vergangenen Saison erreichte mit Les Herbiers ein Drittligist den Final – sensationell, aber nicht einmalig:
2018: Les Herbiers (3.) verliert im Final 0:2 gegen PSG.
2012: US Quevilly (3.) verliert im Final 0:1 gegen Lyon.
2000: Calais RUFC (4.) verliert im Final 1:2 gegen Nantes.
1996: Nîmes Olympique (3.) verliert im Final 1:2 gegen Auxerre.