
SP-Nationalrätin Min Li Marti, Nationalrat Matthias Aebischer und der Stadtzürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) freuen sich über das Nein.Bild: KEYSTONE
Kommentar
Das deutliche Nein
zur USR III ist ein Fiasko für die Bürgerlichen und die
Wirtschaftsverbände. Es ist ihnen nicht gelungen, das Vertrauen des
Mittelstands zu gewinnen. Der internationale Druck aber bleibt hoch.
12.02.2017, 15:5313.02.2017, 10:06

Folgen
Das hat gesessen.
Trotz enormen Einsatzes finanzieller und personeller Mittel haben
die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände bei der
Unternehmenssteuerreform III eine deftige Abfuhr erlitten. Selbst die
Stimmberechtigten von Basel-Stadt sagten klar Nein, obwohl
SP-Finanzdirektorin Eva Herzog auf allen Kanälen für die Reform
geweibelt hat.
Der Nein-Trend
zeichnete sich in den letzten Tagen ab. Eine wesentliche Rolle dürfte
die Aussage von Eveline Widmer-Schlumpf gespielt haben, die Reform
sei «aus der Balance». Sie hatte die Vorlage als Finanzministerin
aufgegleist. Eine bessere «Kronzeugin» konnten sich die Gegner
der Reform nicht wünschen. Die Fokussierung ihrer Kampagne auf den
Mittelstand war ein Volltreffer.

Die Mittelstands-Kampagne war ein Volltreffer.Bild: KEYSTONE
Den Befürwortern
der USR III gelang es nie, die Befürchtung zu widerlegen, dass die «Normalverdiener» die Zeche für die Reform bezahlen werden. Sie
hatten nichts zu bieten ausser Drohungen mit Arbeitsplatzverlusten
oder einer noch höheren Belastung im Falle eines Neins. Das
Last-Minute-Versprechen der kantonalen Finanzdirektoren, die Steuern
für Privatpersonen nicht zu erhöhen, dürfte eher kontraproduktiv
gewirkt und das Misstrauen geschürt haben.
«Präzedenzfall» USR II
Nun liesse sich
einwenden, dem Schweizer Mittelstand gehe es im internationalen
Vergleich blendend. Dabei hat er seit Jahren keine echte Lohnerhöhung
mehr gesehen, während Mieten und Krankenkassenprämien gestiegen
sind. Und die Manager-Clique sich die Taschen gefüllt hat. So
erodiert der Glaube, dass Politik und Wirtschaft das Wohl des
Volkes im Auge haben.
Der «Präzedenzfall» der USR II bleibt unvergessen. Die Einnahmenausfälle
betrugen Milliarden statt Millionen, wie Finanzminister Hans-Rudolf Merz
versprochen hatte. Schon jetzt lässt sich sagen, dass ein
beträchtlicher Teil der SVP-Basis mit Nein gestimmt haben dürfte.
Der neoliberale Kurs der Parteispitze um Magdalena Martullo-Blocher hat bei der ländlich-konservativen Basis kaum Rückhalt, zumal
sie permanent gegen echte oder vermeintliche «Eliten» aufgewiegelt wird.
Ohne zinsbereinigte Gewinnsteuer
Das Grundproblem
aber ist mit dem Nein nicht gelöst. Die Schweiz hat die Reform nicht
aus eigenem Antrieb beschlossen, sondern aufgrund des Drucks aus dem
Ausland. Dieser wird nicht abnehmen. Sicher ist nur, dass eine
weitgehend identische Neuauflage nach diesem Debakel nicht in
Betracht kommt. Die Büchse der Pandora namens zinsbereinigte
Gewinnsteuer muss aus dem Gesetz fliegen, alles andere wäre ein Verstoss gegen Treu und Glauben.

Lange Gesichter beim Zuger CVP-Ständerat Peter Hegglin und bei Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer.Bild: KEYSTONE
Dabei ist auch die
Linke gefordert, sie muss ihre Verantwortung wahrnehmen und
konstruktiv an einer neuen Vorlage mitarbeiten. Probleme könnten vor
allem die Kantone mit vielen Unternehmen bekommen, die von den
nunmehr verpönten Steuerprivilegien profitieren und von denen manche
wegen der internationalen Entwicklungen von sich aus aussteigen
wollen. Die Reformgegner haben angetönt, dass sie für
Übergangsbestimmungen offen sind.
Fanal für Altersvorsorge 2020
Heute aber dürfen
Rotgrün und Gewerkschaften jubeln. Mit ihren Initiativen erleiden sie
regelmässig Schiffbruch, aber ihre Referendumsmacht gegen
bürgerlichen Übermut ist und bleibt beachtlich. Zuletzt hatte sie bei der «Rentenklau»-Kampagne gegen die BVG-Revision 2010 gewirkt. Daran sollte man
sich bei der Altersvorsorge 2020 erinnern, die in der Frühjahrsession
durchs Parlament gepeitscht werden soll.
Auch in diesem Fall wollen
FDP, SVP und Wirtschaftsverbände eine komplizierte, schwer
durchschaubare Vorlage durchstieren. Nach dem USR-Flop sollten sie
sich fragen, ob der gut eidgenössische Kompromiss von CVP und SP mit 70 Franken Zuschlag bei der AHV nicht der bessere Weg ist.
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