«Friedenspräsident» Trump stolpert durch den Nebel des Krieges
Das berühmteste Zitat des preussischen Militärtheoretikers Carl von Clausewitz lautet: «Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.» Von ihm stammt aber auch der Begriff «Nebel des Krieges». Gemeint ist, dass alle Pläne und Strategien für den Ernstfall letztlich unbrauchbar sind, weil sich der Verlauf eines Krieges kaum vorhersagen lässt.
Die Geschichte liefert dafür unzählige Belege, bis zu Wladimir Putins Wahnidee, die Ukraine im Februar 2022 in einem dreitägigen «Blitzkrieg» unterwerfen zu können. Donald Trump hingegen will als grosser Friedensstifter in die Geschichte eingehen und den Nobelpreis abräumen. Doch in der Ukraine und in Gaza stolpert er selbst durch den Nebel des Krieges.
Erst vor etwas mehr als einer Woche wurde mit viel Pomp der Plan zur Beendigung des Gaza-Kriegs abgefeiert. Er soll nach Ansicht des US-Präsidenten der geplagten Region den «ewigen Frieden» bringen, doch bereits wackelt er bedenklich. Und Trumps Bemühungen im Ukraine-Krieg schwanken zwischen Trauerspiel und Schmierenkomödie.
Gaza
Nach zwei für die Bevölkerung im Gazastreifen fürchterlichen Kriegsjahren schien am 13. Oktober der Durchbruch gelungen zu sein. Die Hamas liess die letzten 20 noch lebenden israelischen Geiseln frei. Donald Trump liess sich in Israel bejubeln. Später unterzeichnete er im ägyptischen Scharm El-Scheich ein Dokument, das die Waffenruhe festigen sollte.
Rasch aber zeigte sich, dass die Terrororganisation Hamas keineswegs besiegt und nicht bereit war, ihre Waffen wie im 20-Punkte-Friedensplan vorgesehen einfach herauszurücken. Nach Angriffen auf israelische Soldaten am Wochenende schien der Krieg erneut zu eskalieren. Der Friedensprozess drohte zu scheitern, ehe er richtig begonnen hatte.
Im Weissen Haus zeigte man sich alarmiert. Dort sorgt man sich, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Friedensdeal, für den er Präsident Trump in Jerusalem in höchsten Tönen gelobt hatte, «zerlegen» könnte, berichtete die «New York Times» unter Berufung auf Trump-Mitarbeiter. Die Befürchtungen sind nicht unbegründet.
Netanjahus rechtsextreme Minister fordern, den Krieg wieder aufzunehmen und die Hamas zu «vernichten». Die Versuchung muss für den Regierungschef gross sein, denn mit der Freilassung der Geiseln hat er das wichtigste Ziel erreicht. Auch hatte Trump ihn regelrecht genötigt, sich bei Katar für den Luftangriff auf die Hamas-Führung zu entschuldigen.
Allerdings wäre eine Rückkehr zum Krieg für Netanjahu riskant, denn die USA sind der letzte mächtige Verbündete, der ihm geblieben ist. Die Trump-Regierung sah sich dennoch zu einer «Rettungsaktion» für das Abkommen veranlasst. Vizepräsident J.D. Vance reiste mit den Sondergesandten Jared Kushner und Steve Witkoff nach Israel.
Sie sollen Netanjahu laut israelischen Medien geradezu bedrängt haben, die Waffenruhe einzuhalten. Donald Trump drohte der Hamas mit «Auslöschung», doch gleichzeitig verhielten sich seine Vertreter vor Ort auffällig freundlich gegenüber der Terrororganisation. So erklärte J.D. Vance am Dienstag, es gebe keine explizite Frist für die Waffenabgabe.
Trumps Vize bat auch um Geduld bei der Übergabe der restlichen 13 toten Geiseln. Es sei aufwendig, sie in den Trümmern des Gazastreifens zu finden. Zwei Leichen hatte die Hamas in der Nacht auf Mittwoch ausgehändigt. Vance anerkannte sogar, dass es schwierig sei, die Hamas zu kontrollieren, da sie aus «rund 40 verschiedenen Zellen» bestehe.
Nicht alle seien bereit, sich an die Waffenruhe zu halten, räumte J.D. Vance ein. Witkoff und Kushner sagten am Sonntag in einem Interview mit CBS, die Lage sei «sehr heikel». Man müsse eine Situation schaffen, in der Israelis und Palästinenser «dauerhaft Seite an Seite» leben können. Es war fast schon ein Bekenntnis zur Zweistaatenlösung.
Der schonende Umgang mit der Hamas ist nachvollziehbar, denn sie hat mit dem Verzicht auf die Geiseln ein enormes Zugeständnis gemacht. Für die Trump-Regierung geht es auch darum, die arabischen und muslimischen Staaten bei Laune zu halten, die am Friedensplan beteiligt sind. Wegen der Stärke der Hamas zögern sie, Soldaten für eine Sicherheitstruppe bereitzustellen.
Ukraine
Er wolle den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden nach seinem Amtsantritt beenden, hatte Donald Trump im letztjährigen Wahlkampf angekündigt. Davon ist er weiter entfernt denn je. Vielmehr schwankt er zwischen den Positionen der Kriegsparteien, wobei er sich im Zweifelsfall auf Wladimir Putins Seite schlägt, aus welchen Gründen auch immer.
Bisweilen zeigt er sich verärgert über die fehlende Bereitschaft des Aggressors, in ein Ende des Krieges oder auch nur einen Waffenstillstand einzuwilligen. Er schloss nicht aus, der Ukraine die begehrten Tomahawk-Marschflugkörper zu liefern. Präsident Wolodymyr Selenskyj hoffte auf eine Zusage bei seinem Besuch in Washington am letzten Freitag.
Dann kam es so, wie es kommen musste. Einen Tag vor dem Treffen telefonierte Wladimir Putin mit Donald Trump, und einmal mehr kroch ihm der US-Präsident auf die Schleimspur. Beim Mittagessen mit Selenskyj im Weissen Haus verweigerte Trump diesem nicht nur die Tomahawks, er soll den Ukrainer mit Schimpfwörtern eingedeckt haben.
Jetzt ist wieder alles anders: Das beim Telefonat vereinbarte Gipfeltreffen von Trump und Putin in Budapest wird vorerst nicht stattfinden. Der Präsident bestätigte dies gegenüber Reportern: «Ich möchte kein vergeudetes Treffen.» Zuvor war es bei einem Telefonat der Aussenminister Marco Rubio und Sergej Lawrow zu keiner Einigung gekommen.
Beim Gespräch mit Trump am letzten Donnerstag hatte Putin Zugeständnisse bei der Annexion ukrainischer Gebiete angedeutet, doch nun beharrten die Russen offenbar erneut auf ihren Maximalforderungen. Donald Trump will den derzeitigen Frontverlauf «einfrieren», eine mögliche Lieferung von Tomahawks an die Ukraine aber liess er weiter offen.
Frustrierend ist dies für die Europäer, die sich alle Mühe geben, um Trump auf die Seite der Ukraine zu ziehen. Und erleben müssen, wie er sich von Putin vorführen lässt. Im US-Senat wäre eigentlich ein Paket mit scharfen Russland-Sankionen hängig, das von 80 der 100 Mitglieder unterstützt wird. Doch ohne Trumps Okay kommt es nicht zur Abstimmung.
Donald Trump wäre gerne ein Friedenspräsident, doch mit schnellen Deals wird das nichts. «Frieden zu wünschen ist viel einfacher als Frieden zu schliessen», heisst es in einer Analyse von CNN. Trump müsste einen Ausweg aus dem Nebel des Krieges finden, und das ist viel verlangt für einen Menschen mit einer derart kurzen Aufmerksamkeitsspanne.