Brüssel hat die EU-Staaten erneut zu einer raschen Lösung für das Flüchtlingsschiff Diciotti aufgerufen. Für die EU-Kommission sei dies eine humanitäre Frage, hiess es am Mittwoch aus Brüssel. Man stehe mit EU-Ländern in Verbindung, «um eine rasche Lösung zu finden».
Mehr als 170 Personen an Bord müssten so rasch wie möglich an Land gehen können, forderte eine EU-Kommissionssprecherin. «Wir verstärken unsere Anstrengungen, um eine langfristige Lösung zu finden.»
Die EU-Kommission hatte sich mit einem Aufnahmeersuchen an mehrere Staaten gewandt – auch an Deutschland. Eine Entscheidung über eine Aufnahme sei aber noch nicht getroffen, hiess es am Mittwoch aus dem deutschen Innenministerium in Berlin.
Den dritten Tag infolge harrte das Schiff der italienischen Küstenwache im Hafen von Catania in Sizilien aus. Die Diciotti war zuvor tagelang auf dem Mittelmeer herumgeirrt, weil Italiens Regierung sich weigerte, das Schiff anlegen zu lassen.
In Catania demonstrierten indes Aktivisten der Hilfsorganisation Emergency für die Erlaubnis, die Migranten und Flüchtlinge an Land gehen zu lassen.
«Die Regierung darf ihre politischen Ziele nicht auf Kosten Hunderter Menschenleben verfolgen», betonten die Demonstranten. Catania sei eine solidarische und offene Hafenstadt. «Die Behörden sollen die Migranten an Land holen», forderten die Aktivisten.
Auch der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, forderte die sofortige Aufnahme der Flüchtlinge. «Zuerst sollen die Flüchtlinge landen, danach werden wir an ihre Umverteilung denken», sagte Fico, Spitzenpolitiker der mit der rechten Lega regierenden Fünf-Sterne-Bewegung.
Wegen seiner humanitären Einstellung war Fico zuletzt mit Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini in Konflikt geraten, der seinerseits einen harten Kurs in der Migrationspolitik verfolgt.
Die Flüchtlinge waren am letzten Donnerstag von einem Boot in der Such- und Rettungszone Maltas aufgenommen und auf das Schiff Diciotti gebracht worden.
Nun ist zumindest den Minderjährigen auf der Diciotti erlaubt worden, im sizilianischen Catania von Bord zu gehen. Ein Staatsanwalt aus dem sizialianischen Agrigente erklärte am Mittwoch, die 29 Minderjährigen an Bord hätten das Recht, an Land zu gehen.
Zuvor hatten die Italiener 13 Menschen, die medizinisch versorgt werden mussten, auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa gebracht. Die Diciotti sollte die anderen Flüchtlinge und Migranten zurück nach Malta bringen, was ihr aber Malta verweigerte.
Der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli von der Fünf-Sterne-Bewegung erteilte am Montag die Erlaubnis für die Einfahrt in den Hafen von Catania. Salvini will die Menschen allerdings nicht an Land gehen lassen, solange es keine «Antworten von Europa» gebe, verlautete aus Kreisen des Ministeriums.
Italien hatte am Sonntag die EU-Kommission dazu aufgefordert, andere EU-Staaten auszumachen, die die im Meer Geretteten aufnehmen könnten. Italien und Malta handelten in den vergangenen Wochen mehrmals ad hoc mit anderen EU-Ländern die Verteilung der Menschen aus.
Unterdessen wurde bekannt, dass die EU Italien mit weiteren neun Millionen Euro an Soforthilfe zur Versorgung von Flüchtlingen unterstützt.
Damit solle der Zugang zur Gesundheitsversorgung in den Aufnahmezentren für Asylbewerber und Schutzbedürftige verbessert werden, gab die EU-Kommission am Mittwoch bekannt. Die Unterstützung komme über 42'000 Menschen in den Regionen Emilia-Romagna, Lazio, Ligurien, Toskana und Sizilien zugute.
«Italien ist in den letzten Jahren unter besonderem Druck gestanden. Die EU-Kommission wird daher nicht aufhören, die italienischen Bemühungen zu unterstützen, wenn es um Migrationsmanagement und das Gewähren von Obdach für Menschen, die diesen Schutz benötigen, geht», sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos.
Nach einem Bericht des Onlineportals EU-Observer hat Italien mindestens 200'000 Euro an EU-Hilfen dafür aufgewendet, um das Flüchtlingsrettungsschiff Aquarius im Juni nach langer Irrfahrt nach Valencia in Spanien zu eskortieren. Die Summe sei von der italienischen Küstenwache der EU in Rechnung gestellt worden.
Brüssel bestätigte den Bericht am Mittwoch nicht. Erst nach Ablauf der Berichtsperiode könne die EU-Kommission die Verwendung der Gelder analysieren. Es gebe strikte Regeln, um sicherzustellen, dass das Geld der Steuerzahler bestimmungsgemäss verwendet werde, betonte ein Sprecher. (sda/apa/dpa)