Kommunikation dieser Tage: Geburtstagsgeschenke werden in Familien-Whatsapp-Chats besprochen («Hat Mama House of Cards gesehen?»), von verpatzten ersten Dates erfährt man via Sprachnachricht («Schmatzen geht gar nicht!») und im Facebook-Messenger tummelt sich eine lauwarme Gemüsecremesuppe aus nicht beantworteten Nachrichten («Wo steckst du?») von Arbeitskollegen, Ex-Mitbewohnern und Freunden, die ihr Ablaufdatum längst überschritten haben. Wer hat nochmal behauptet, dass uns eine Vielzahl an Kommunikationskanälen in irgendeiner Weise befreit?
Es scheint, als macht sich in bestimmten Milieus gerade ein neuer Trend breit:
... lauten die selbstauferlegten Neujahrsvorsätze. Sich rar machen, nur noch zu bestimmten Uhrzeiten erreichbar sein – wenn überhaupt. WhatsApp, das ist doch viel zu anstrengend und überhaupt, wer möchte dauernd am Smartphone hängen? Es ist ein neuer Luxus, der um sich greift und er fordert sofortige Handlungskonsequenzen.
Nachdem über Jahre alles, was öffentlich kommuniziert werden konnte, im Social-Media-Feed verblasen wurde – der Wohnort, der aktuelle Job, die Beziehung – schickt es sich jetzt, Wahrhaftiges nur noch persönlich zu kommunizieren. Geheimnisse werden endlich wieder dahin verlagert, wo sie hingehören: Nicht ins Internet jedenfalls. Nachdem uns die grössten Technologiekonzerne der Welt zu gläsernen Menschen machten, greift der reumütige Mensch wieder zu der einst wichtigsten Funktion des 10Kilo Handtelefons.
Es gibt Funktionen, die sind so gut, dass sie mal wieder jemand ansprechen sollte: Telefonieren ist das, was als Alternative geblieben ist, nachdem Facebook, Twitter, Snapchat und Co. angefangen haben unser Privatleben Stück für Stück instagramgerecht aufzusaugen. Haben wir schließlich doch noch erkannt, dass es traurig ist, mehr über- als miteinander zu sprechen?
Beim Sprechen entfaltet sich die im Strudel der Massenmedien verloren gegangene Möglichkeit, echt zu sein – nicht für viele Kommunikationspartner, sondern für den einen. In einem Internet, das mittlerweile darauf programmiert ist, möglichst vielen möglichst oft zu gefallen, klingt diese uralte Technik beinahe lächerlich revolutionär.
Dabei haben neue, scheinbar höher entwickelte Medien die alten nie vollends verdrängt, so will es das Gesetz der Komplementarität. Es besagt, dass kein gesellschaftlich etabliertes Instrument des Gedankenaustauschs von einem anderen, das im Laufe der Zeit hinzutritt, vollkommen ersetzt wird.
Telefonieren schafft ganz einfach Missverständnisse aus der Welt, die erst durch nonverbale Kommunikation – ein fehlendes Smiley, eine spitze Formulierung, ein nicht überdachter Kommentar – ausgelöst werden.
Du willst jemanden wiedersehen? Du willst wissen, wie das Bewerbungsgespräch war? Du weisst nicht mehr genau, warum du seit drei Wochen nicht mehr mit deiner Lieblingsperson gesprochen hast?
Es ist das Unmittelbare, das Nicht-Ausweichen-Können, das ein Telefonat so besonders macht. Und ja, es kostet Zeit und auch einen Funken menschliche Überwindung. Aber es bringt uns näher, als es fünfzig Likes auf ein Profilfoto jemals könnten.