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Texten in einer Beziehung: Wieso ich finde, dass es Wichtigeres gibt

«Mein Date kann nicht texten» ist ab heute keine Ausrede mehr, um jemanden abzuservieren

24.05.2018, 20:0524.05.2018, 20:06
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Hätte man mich vor einigen Jahren gefragt, was der wichtigste Skill beim Daten ist, ich hätte doch glatt Texting geantwortet. Ein Mann, der schreiben kann – wie soll man da bitteschön Nein sagen? Wenn der Montagmorgen mit einer süssen Nachricht beginnt, war die Woche gerettet, bevor sie angefangen hatte. Ich ging also strikt nach der Regel vor: jeder, der nicht gewillt ist in mehr als drei Sätzen zu antworten, verdient keine weitere Aufmerksamkeit. 

Der muss doch hohl sein? Hat der wirklich nichts zu sagen?
Vorurteile, die ich bis 2017 gepflegt und kultiviert hatte.

Was soll ich auch mit Jans, die mir «Hey, wie geht’s» senden, oder erst vier Tage nach dem ersten Treffen schreiben. Kommunikation ist schliesslich das Wichtigste in einer angehenden Beziehung – welcher Art auch immer – und wenn ich schon beim Blick aufs Display Bauchweh bekomme, dann kann das doch nichts werden.  

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Mein früheres Ich.gif: giphy

Heute bin ich (in 98 Prozent der Fälle) anderer Meinung. Denn was bei der Diskussion um gute Texting-Skills meiner Meinung nach oft vergessen wird, ist, dass nicht jeder Mensch auf diesem Planeten geboren ist, um Gedichte auf Instagram zu rezensieren.

Folgende Menschen können in der Regel gut schreiben:

  • Autoren (let’s hope for that one!)
  • Moderatoren
  • Alle anderen Menschen, die irgendetwas mit Geisteswissenschaften studiert haben, die sich ihren Lebensunterhalt heute wider Erwartens damit verdienen, Facebook-Ads zu schalten.

Schreiben wird gerade im bourgeoisen Künstlermilieu als etwas Selbstverständliches angesehen, weil man es in der Schule oder an der Universität lernt und dabei vergisst, dass nicht jeder Lust und Musse hat, seine Fähigkeiten auszubauen; genauso wenig wie ich Lust habe in meiner Freizeit Gleichungen zu lösen. 

Angenommen, Menschen würden mich beim Dating danach beurteilen, wie ich eine Exponentialkurve zeichne – holy, ich wäre raus, noch bevor ich den Taschenrechner gezückt hätte.

Natürlich kann man jetzt argumentieren: Na gut, aber Schreiben braucht man doch im Alltag! Oder: Schreiben tut jeder, der im Berufsleben steht.

Ja, schon. Aber nicht jeder muss eloquent sein, wenn er eine berufliche E-Mail beantwortet. Nicht umsonst gibt es Business-Floskeln. Die Kunst zu Schreiben ist wie aktuell weit verbreitet gedacht eben nicht jedem gegeben. Und: was ist so schlimm daran? Es gibt Männer (und Frauen natürlich auch!), die haben keine Lust auf WhatsApp-Nachrichten, und sind trotzdem tolle Menschen, mit denen man sich stundenlang im echten Leben unterhalten und Blödsinn machen kann, die einen mit spontanen Anrufen aus dem Alltag reissen oder mal ein lustiges Meme senden. 

Wenn wir schon beim Thema sind: Ein paar Memes!

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Zwei Flaschen Soda-Welpen, bitte.

Bild: Imgur
quelle: imgur
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Nur, weil das Gegenüber nicht die vermeintlich hohe Kunst des Flirt-Schreibens beherrscht, heisst das doch nicht, dass daraus keine tolle Beziehung werden kann?

Oder, umgekehrt: wie oft ist es schon passiert, dass jemand wunderbare Romane tipselte, nur um sich danach als unzuverlässiger Komasäufer herauszustellen, der – wenn es darauf ankommt – nicht an sein Handy geht, obwohl man verabredet ist? Was nützt mir SMS-Gesäuselei, wenn kein Treffen zustande kommt? Wenn trotz lustiger Konversationen keine Verbindlichkeit besteht? Wenn der oder die Sommerliebelei zwar gut schreiben kann – aber nur dann, wann er oder sie will?  

Für mich ist inzwischen nicht mehr die Qualität der Nachrichten entscheidend, sondern das, was den Menschen dahinter auszeichnet. Warum nicht darüber sprechen, warum jemand nicht gerne textet – oder keines deiner Social-Media-Fotos liked?

Menschen sind eben unterschiedlich

Vielleicht hat der Typ mit der langweiligsten Profilbeschreibung der Welt und einem nichtssagenden «Hey, wie geht es dir» mehr zu bieten als der Newcomer-Regisseur. Vielleicht ist er auch einfach schlecht in diesem Dating-Game, schüchtern, vorsichtig – aber ein wahnsinnig lustiger Kerl, sobald du ihn erstmal kennengelernt hast, der sofort einen Roadtrip in Italien mit dir planen würde, wenn du fragst.  

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gif: Giphy

Und manchmal, da denke ich sogar es ist gut wenn der Kerl nicht so viel schreiben mag. Weil dann tut er das auch nicht ständig mit anderen. Da weiss man: diese eine Nachricht, die Samstagnachts kommt, die ist wirklich ernst gemeint. Die hat tatsächlich etwas zu bedeuten.

PS: Wenn du wenig schreibst, passieren dir auch keine peinlichen Autokorrektur-Fails:

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35 lustige und skurrile Smartphone-Autokorrekturen
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Falls du doch mal zurückschreibst – mach es besser nicht während dem Laufen

Video: srf

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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raues Endoplasmatisches Retikulum
24.05.2018 20:19registriert Juli 2017
Danke für diesen wichtigen und richtigen Artikel. Ich kann natürlich nur für mich sprechen und jeder der spass am schreiben hat bitte, aber mir macht es schlicht keinen Spass, per Whatsapp zu kommunizieren. Wir können telephonieren, skype , oder achtung uns treffen, was ich nicht mache, so nebenbei noch chatten.
Messangers sind für mich ein tool zur organisation, nicht zur koversation.
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    «Wie viel Kompromiss ist zu viel in einer Beziehung?»

    Hallo, ich heisse Mia, bin 40 Jahre alt und befinde mich seit einigen Jahren in einer festen Beziehung, die mich einerseits sehr erfüllt, mich aber andererseits auch oft an meine Grenzen bringt. Ich habe das Gefühl, dass ich in unserem Alltag immer mehr von meinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen opfere, um Harmonie zu bewahren. Anfangs war es noch süss und romantisch, jetzt fühle ich mich oft, als würde ich mich selbst verlieren. Es gibt Momente, in denen ich mich frage, ob ich zu viele Kompromisse eingehe – Kompromisse, die mich innerlich zerreissen. Ich liebe meinen Partner wirklich, aber manchmal fühle ich mich wie ein Statist in meinem eigenen Leben, während er scheinbar mühelos seine Vorstellungen durchsetzt. Besonders in Situationen, in denen es um kleine Alltagsentscheidungen geht, merke ich, dass ich meine eigene Meinung zurückstelle, um Konflikte zu vermeiden.

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