Leben
Interview

Autorin Fallwickl hat das Matriarchat eingerichtet – und es ist böse

Die Österreicherin Mareike Fallwickl werkelt am Fall vom Patriarchat.
Die Österreicherin Mareike Fallwickl werkelt am Fall vom Patriarchat.bild: Gyöngyi Tasi
Interview

Frau Fallwickl hat das Matriarchat schon mal eingerichtet – und es ist böse

Fallwickl, was für ein Name! Und was für eine Rachegeschichte, die die österreichische Autorin da verfasst hat. Wir verlosen 10 Exemplare.
15.08.2021, 17:5115.08.2021, 17:51

«Am Anfang haben wir euch per Hand zerlegt, das Blut in Wannen aufgefangen, die Gliedmassen aus den Gelenken gelöst, mit grossem Kraftaufwand, die Metzgerinnen haben es uns beigebracht. Wir haben geschwitzt, gezerrt und gezogen, uns fehlte die Erfahrung, zu zögerlich waren wir auch. Und dazu all die Haare. Rund um Bauchnabel, in Nasenlöchern, an Arschbacken, drahtige, wuselige Haare. Die haben uns den Rest gegeben.»

So beginnt Mareike Fallwickls Kurzgeschichte «Tamina Blue». Eine rasende Kurzgeschichte, ein poetisches Manifest, das im Takt mörderischer Sägen die allerschönsten Wortfetzen ausspuckt. Ein herrlich blutiges Gedicht, das auf 20 kleinen Seiten des neuen Magazins DAS GRAMM erschienen ist.

DAS GRAMM – ein brandneues Literaturmagazin
Das Konzept von DAS GRAMM ist bestechend simpel: Jede Ausgabe besteht aus nichts weiter als einer einzigen wunderbaren Kurzgeschichte.

Das erklärte Ziel: Einfach und regelmässig an gute und überraschende Literatur kommen. DAS GRAMM ist für alle, die gern lesen oder die gern mehr lesen möchten, aber nicht so viel Zeit haben, gleich ein ganzes Buch zu lesen, es danach aber doch tun, weil sie so begeistert sind von den Kurzgeschichten und dann ganz wehmütig werden, weil sie so stracks zu einem Ende finden.

Es erscheint alle zwei Monate und ist ausschliesslich als Abonnement erhältlich. Ein Abonnement läuft für ein Jahr, umfasst sechs Ausgaben und kostet 30 CHF. Die September-Ausgabe wird eine Geschichte der Schweizer Autorin und Lektorin Margaux de Weck beinhalten.

Fallwickl schreibe immer ein bisschen zu laut, klagte ein Kritiker in der «Frankfurter Allgemeinen», die Bilder seien zu bunt, die Gefühle zu gross. Nun, für «Tamina Blue», für jene gnadenlose Geschlechterkampfschrift, kann es kaum theatralisch genug sein. Es bleibt einem gar nicht viel anderes übrig, als den Pathos jener furchtlosen Österreicherin zu feiern. Und ja, ihre Sägen sind wirklich laut. Sie kreischen.

«Sie kreischen, wir füttern. Mit Weichteilen füttern wir und mit Fingern, mit Bindegewebe, kleinen Knorpeln, dunkler Haut und heller Haut, daran kleben die Haare, so viele Haare.
Wir sind eine Entsorgungsmaschinerie. Wir stehen niemals still.»

Mareike Fallwickl, möglicherweise gleich nach dem Verfassen obiger Zeilen.
Mareike Fallwickl, möglicherweise gleich nach dem Verfassen obiger Zeilen.bild: instagram/the_zuckergoscherl
Mareike Fallwickl
Mareike Fallwickl ist eine österreichische Autorin und Texterin. Zuletzt erschienen von ihr die gefeierten Romane «Das Licht ist hier viel heller» (2019) und «Dunkelgrün fast schwarz» (2018). In ihrem «Bücherwurmloch» berichtet sie von ihren Lektüren, auf Instagram ist sie als @the_zuckergoscherl aktiv. Sie lebt in Salzburg und arbeitet bereits an einem neuen Roman, der «Die Wut, die bleibt» heissen und im Frühjahr 2022 bei Rowohlt erscheinen wird.

Wer sich jetzt fragt, «Sapperlot, wen lässt denn die gute Mareike da bloss zerlegen?», dem sei gesagt: Du kannst «Tamina Blue» bei unserer Verlosung ganz am Ende des Artikels gewinnen.

Aber erstmal wollen wir mit der Verfasserin dieses rabiaten Textes selbst sprechen.

Frau Fallwickl, warum sollte man Ihre Kurzgeschichte «Tamina Blue» lesen?
Mareike Fallwickl:
Weil sie scharf und völlig unsubtil auf die Missstände aufmerksam macht, denen Frauen ausgesetzt sind. Weil sie das «Was wäre wenn» zu Ende denkt und zeigt: So könnte es aussehen, wenn das Machtverhältnis kippt. Weil die Geschichte viele Leser:innen zum Nachdenken gebracht hat.

Ein Totenschädel aus Frauenkörpern – so sieht das Cover von Fallwickls «Tamina Blue» aus. Die Kurzgeschichten von DAS GRAMM erscheinen jeweils in einem A6-formatigen Büchlein.
Ein Totenschädel aus Frauenkörpern – so sieht das Cover von Fallwickls «Tamina Blue» aus. Die Kurzgeschichten von DAS GRAMM erscheinen jeweils in einem A6-formatigen Büchlein.bild: das gramm

Warum sollte man überhaupt Literatur lesen?
Um zu lernen. Um den eigenen Horizont zu erweitern. Um sich zu bilden, andere Sichtweisen einzunehmen, sich fremden Kulturen zu nähern und über den Tellerrand zu schauen, um das Menschsein zu verstehen und kein intoleranter Saubeutel zu sein.

Welches ist Ihr bestimmendes Lebensgefühl?
Gelassenheit.

Ihr grösstes Versäumnis?
Es gibt keines. Ich habe nichts versäumt, denn es gab nie eine Liste an Dingen, die ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte erledigen müssen. Ich nehme alles, wie es kommt, und jeder Schritt – egal in welche Richtung – gehört zum Lebensweg.

Was mögen Sie an Ihrem Mann?
Er ist ein echter Partner auf Augenhöhe. Wir teilen uns die Betreuung unserer Kinder 50:50, damit sind wir die Einzigen im gesamten Freundes- und Bekanntenkreis. Er hält es aus, dass er manchmal schon um sieben Uhr morgens mit mir über ein feministisches Thema sprechen muss, und er hat den besten Humor der Welt.

Ihr Lieblingswort?
Ha! Wie hat Leonard Cohen so schön gesagt: «Ich verdiene mein Geld mit Worten, ich traue ihnen nicht.»

Leonard Cohen: Der Mann, der sehr viele schöne Sachen gesagt und gesungen hat.
Leonard Cohen: Der Mann, der sehr viele schöne Sachen gesagt und gesungen hat.bild: toronto star

Beenden Sie den Satz: Österreich ist ...
... ein reiches Land und zu dumm, seine eigenen Privilegien zu erkennen.

Sie können sich ein neues Zeitalter wünschen. Wie heisst es und was bringt es mit sich?
Es heisst Matriarchat und bringt alles mit sich, was ich in «Tamina Blue» beschreibe.

Was ist von Buchpreisen zu halten?
Es fasziniert mich, dass Menschen Systeme erschaffen, in denen die einen sich über die anderen erhöhen und sie bewerten, beurteilen. In allen Bereichen tun sie das, in der Musik, in der Literatur, bei Körpern und jeder Art von kreativem Prozess. Dabei ist das Schöne an Körpern, dass sie individuell verschieden sind, und der kreative Prozess sollte Spass machen dürfen, frei sein von der Beeinflussung von aussen. Ich kann das deshalb nicht ernst nehmen.

Wenn Sie einen toten Menschen wieder zurück ins Leben holen könnten, wer wäre das?
Christine Nöstlinger, damit sie noch ein paar so grossartige Kinderbücher schreibt.

Die Johanna Spyri von Österreich: Christine Nöstlinger, 1977. Sie hat unter anderem «Rosa Riedl Schutzgespenst» geschrieben.
Die Johanna Spyri von Österreich: Christine Nöstlinger, 1977. Sie hat unter anderem «Rosa Riedl Schutzgespenst» geschrieben.bild: getty images

Worauf ist eher Verlass: Gene oder Erziehung?
Tatsächlich ist das die Frage, die mein erster Roman «Dunkelgrün fast schwarz» stellt. Wird ein Kind zum Arschlochkind durch die Erziehung der Eltern oder ist manchen eine gewisse Bösartigkeit angeboren? Darüber hab ich eine mehr als 400 Seiten lange, spannende Geschichte geschrieben.

Fallwickls Debütroman ist 2018 erschienen und behandelt die unheilvolle Freundschaft eines Arschlochkindes mit einem Nicht-Arschlochkind.
Fallwickls Debütroman ist 2018 erschienen und behandelt die unheilvolle Freundschaft eines Arschlochkindes mit einem Nicht-Arschlochkind.bild: orell füssli

Möchten Sie sich selbst noch eine Frage stellen, die Ihnen nie jemand stellt, die Sie aber gerne endlich mal beantwortet haben wollen?
Mareike, kannst du noch irgendwas anderes gut ausser lesen und schreiben? Ja, mit meinen Kindern mit Vollkaracho die Wasserrutsche runterfetzen.

Und nun auf zur Verlosung von Fallwickls Kurzgeschichte!
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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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wurzeli
15.08.2021 19:11registriert April 2020
Das Interview macht nicht gerade Lust auf weiteres zu lesen von der Dame ehrlich gesagt.
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BoomBap
15.08.2021 20:54registriert Januar 2016
"Wir teilen uns die Betreuung unserer Kinder 50:50, damit sind wir die Einzigen im gesamten Freundes- und Bekanntenkreis." Soll das heissen, der gesamte Freundes- und Bekanntenkreis macht es falsch?
Ist ja schön, dass es diese Möglichkeit Heute gibt. Aber lasst doch die Leute selbst entscheiden, wie Sie ihr Familiendasein leben wollen. Der gesellschaftliche Druck, hat stark abgenommen. Auch in konservativen Gegenden ist das Heute machbar (mit etwaigen Nebengeräuschen)
Aber akzeptiert, dass es auch Frauen und Männer gibt, die eine Betreuung zwischen 50-100% leben wollen.
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FrancoL
15.08.2021 22:56registriert November 2015
Herrlich, da wird das Modell 50/50 zur Maxime erhoben und die Dame ist wohl der Meinung dass nur Patriarchen die sind die Maximen aufstellen.
Das kann ich nicht verstehen und ist für mich nicht besser als andere Maximen. Wann begreift auch diese Dame, dass due einzige Maxime die sein sollte die verschiedensten Lebensentwürfe zu akzeptieren. Diese Sturheit kann bestens mit der der Männer konkurrieren.
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