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Du willst nur das Beste? Voilà:
Island ist hip. Die Bärtigen, die Tätowierten; die Sigthorssons, Bjarnasons und Gunnarsons. Und ihre Fans, wie sie dort standen und Freude hatten und die Welt mit einem simplen «Huh» verzückten.
Hach. Island ist so hip, dass es schon fast wieder uncool ist.
Die EM ist vorbei. Und die Isländer sind schon lange wieder zuhause, in der nächsten Bar, trinken über ihren Erfolg und hören sich ein Konzert an. Denn was diese Wikinger neben Fussballspielen auch noch wirklich gut können ist: Musik machen – und Musik exportieren.
Und wie im Fussball stellt sich auch bei der Musik die Frage: Wie ist das möglich in einem Land mit 325'000 Einwohnern? Und wieso sind sie so viel erfolgreicher als zum Beispiel die Schweizer Musiker?
Die Antwort ist in beiden Fällen die gleiche: Unerklärbar sind die Erfolge nicht, sondern das Ergebnis einer Strategie eines Landes mit wenigen Ressourcen. Ein Land, das zudem noch 2008 pleite war. Das klug investierte und dabei vor allem immer eines hatte: ein Konzept.
Island investierte in Fussballtrainer und Fussballfelder. Und es investierte in die Kreativwirtschaft, in die Musik und in ihren Erfolg im Ausland.
Der Erfolg lässt sich sehen:
Und damit kommen wir zu ein paar Acts aus Island, die man kennen muss:
Der Komponist Jóhann Jóhannsson wurde letztes Jahr für seine Musik zu «The Theory of Everything» für einen Oscar nominiert.
«Wenn du in Reykjavík lebst, spürst du diese musikalische Energie immer. Hier liegt etwas in der Luft, man hat Lust auf Neues, auf Experimente», sagt Jóhannes Ágústsson vom Plattenladen «12 Tónar».
Die Stadt Reykjavik ist klein und das ist ihr Vorteil: Alle hängen in denselben Bars ab, trinken denselben ekligen Schnaps und machen nach dem vierten dann ab für das nächste Musik-Projekt.
Rohstoffe hat das Land praktisch keine, dafür viel Eis und viel Nacht. Da macht man halt Musik. Oder spielt neuerdings Fussball. «Wir hatten nie einen Plan B», sagen Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen von «Kiasmos». «Das ist vielleicht dumm, aber zum Glück ging Plan A auf.»
2014 veröffentlichten sie mit «Kiasmos» ihr Debüt-Album – seither sind sie eine der am heissesten gehandelten Elektro-Acts in Europa. Für Ólafur Arnalds ist klar: «Willst du Platten verkaufen, musst du das Ausland erreichen. 325'000 Einwohner reichen nicht.»
Die isländische Bands gehen diesen Weg sehr konsequent, machen dabei aber die Musik, auf die sie Bock haben. Sie obliegen keinem Zwang des Feinschliffes, was sie auch ihren Ikonen zu verdanken haben: «Björk und Sigur Rós schenkten der nächsten Generation einen goldenen Pass: Sie machten isländische, teils sperrige Musik im Ausland salonfähig.»
Musik abseits des Mainstreams wurde für Island zum Markenzeichen.
Und die Schweiz? Kleinräumige Strukturen, alternative Bars, eine übersichtliche Musikszenen, musikalische Pioniere – das alles haben wir in der Schweiz auch. Doch uns fehlte die Krise: Die Kreativ-Wirtschaft ist für Island seit der Staatspleite 2008 wichtig geworden.
Eine kleine Unterbrechung gefällig? Unten geht es weiter ...
Konsequent wird auf Musik gesetzt. «Iceland Music Export» (IME) unterstützt mit staatlicher Hilfe gezielt isländische Bands im Ausland, die Fluggesellschaft lässt auf ihren Flügen Playlists mit isländischen Musiker laufen, das staatliche Radio bezirzt seine Zuhörer am Morgen mit isländischem Heavy Metal, das isländische Magazin «Grapevine» gibt es auf englisch und trägt die Musikszene ins World Wide Web, es gibt den «Icelandic Music Fund», der Staat bezahlt einer breiten Palette an Künstlern sogenannte «Artist-Wages».
Und mit dem «Airwaves»-Festival inmitten von Reykjavik hat das Land einen der coolsten Musikevents Europas geschaffen, wo Reykjaviks ehemaliger Bürgermeister Jón Gnarr sturzbetrunken in der vordersten Reihe zur FM Belfast abtanzt. «We bring Icelandic Music to the World», heisst einer der Werbesprüche der Fluggesellschaft «Icelandair», Festival-Gründer und Hauptsponsor zugleich.
Man stelle sich vor, die Swiss würde dasselbe machen.
Klar, auch die Schweiz kennt Künstler-Unterstützungen und Musik-Export-Förderung, einfach kleiner und weniger umfassend. Das Schweizer Pendant zum IME heisst «Swiss Music Export» (SME) – ein Gemeinschaftsunternehmen verschiedener Institutionen wie «Pro Helvetia», «Fondation Suisa» oder «Migros Kulturprozent».
Musiker wie Bastian Baker, Boy, 77 Bombay Street, OY, Wolfman oder Klaus Johann Grobe werden oder wurden durch die SME gefördert. 28 Musiker und Musikerinnen und Projekte hat die SME 2014 von «Swiss Music Export» unterstützt sowie Showcases organisiert.
Doch die Budgets sind bescheiden. «Schweizer Musik fristet international im Vergleich mit anderen Ländern nach wie vor ein Schattendasein», findet Jane Wakefield, ehemalige Geschäftsführerin der Winterthurer Musikfestwochen, aktiv beim m4music-Festival und Kennerin der Schweizer Musiklandschaft.
Einen der Gründe dafür sieht Wakefield bei den Bands selbst: «Viele Schweizer Bands suchen den Erfolg nicht mit aller Konsequenz. Es ist für viele ein Hobby, aber nicht mehr.» Gleichzeitig seien die Fördermittel sehr gering und die Möglichkeiten dementsprechend klein.
Wakefield sieht aber noch einen anderen Grund: Im Vergleich zu Island gebe es musikalisch auch keine «Schweizer Identität», welche man vermarkten könnte: «Die Schweizer Popkultur verfügt über keinen Stempel.»
Einen Stempel, den Island trotz musikalischer Vielfalt hat: Es ist ihr Hang zum Aussergewöhnlichen, ein gemeinsamer, mystischer, brachialer und zugleich feingeistiger Nenner.
Island ist anders und das Land hat begriffen, dies auch so zu vermarkten. Ob auf dem Fussballfeld, im Stadion oder auf der Musikbühne: Die Isländer spinnen. Und das verdammt erfolgreich.