Augen zu und durch: Das scheint die Devise der bürgerlichen Sicherheitspolitiker im Parlament zu sein. Am Mittwoch lehnten sie an einer ausserordentlichen Sitzung der zuständigen Nationalratskommission drei Anträge von SP und Grünen ab, die einen Marschhalt oder Stopp beim Kauf des US-Kampfjets F-35 forderten.
«Ist das sträflich gutgläubiger Blindflug?», fragt sich der Zürcher Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli. «Oder wird die Beschaffung der F-35 von der bürgerlichen Mehrheit buchstäblich um jeden Preis durchgezogen?» Er bezieht sich gegenüber watson dabei nicht nur auf den ominösen Fixpreis von sechs Milliarden Franken für 36 Flugzeuge, der kaum noch zu halten ist.
Die Schweiz hat den USA nicht nur eine Anzahlung von 700 Millionen Dollar überwiesen, sondern bereits mehr als 900 Millionen. Der Grund sind die quartalsweisen Ratenzahlungen, die Rüstungschef Urs Loher in der Kommissionssitzung bestätigte. Sie werden sich gemäss Tamedia auf rund drei Milliarden summieren, noch bevor der F-35 in Dienst gestellt wird.
Der ehemalige Grünen-Präsident Glättli fordert deshalb das Gleiche wie watson letzte Woche in einem Kommentar: «Lieber ein Ende mit Schrecken statt ein Schrecken ohne Ende.» Obwohl die Schweiz schon fast eine Milliarde bezahlt hat, die in diesem Fall verloren wäre. Gleichzeitig erstaunt im Kontext des F-35-Kaufes langsam gar nichts mehr.
Die Empörung über die drohenden Mehrkosten, die von den USA auf bis zu 1,3 Milliarden Dollar beziffert werden, ist teilweise scheinheilig. Denn Ungereimtheiten gibt es, seit die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd den Typenentscheid vor ziemlich genau vier Jahren bekannt gab. Man kann behaupten, dass ziemlich getrickst wurde.
Die Schweiz bezahle die vom Stimmvolk im November 2020 ganz knapp angenommenen sechs Milliarden, und keinen Rappen mehr, behauptete Amherd immer und immer wieder. Wer dies hinterfragte, wurde teilweise «abgeputzt». Dabei warnte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) schon 2022, dass der angebliche Fixpreis für den F-35 rechtlich nicht abgesichert sei.
Dies scheint sich zu bewahrheiten. Die Amerikaner sprechen von einem «Missverständnis». Ein «vertrauliches» Dokument, in das die «NZZ am Sonntag» Einsicht hatte, gibt eher ihnen als der Schweiz recht. Darin ist ein «fixed price» erwähnt, doch offenbar wird nirgends definiert, was dies genau bedeutet. Auch eine konkrete Zahl werde nicht genannt.
Kritiker fragten sich von Anfang an, warum die Schweiz als so ziemlich einziges Land einen festen Preis für den F-35 erhalten sollte. Gesetze und Vorschriften in den USA schliessen dies faktisch aus. Nun will die Schweiz auf diplomatischem Weg den Fixpreis «durchsetzen». Die Chancen, dass die Trump-Regierung darauf eingeht, tendieren gegen null.
Nicht nur beim Kaufpreis ist eine Illusion geplatzt. Auch bei den Folgekosten für den F-35 deutet alles darauf hin, dass das VBS «getrickst» hat. So ist im Kaufvertrag offenbar «nur eine rudimentäre Bewaffnung vorgesehen», berichtete der «Sonntagsblick». Die vollständige Ausrüstung mit Raketen und Munition muss demnach zusätzlich bezahlt werden.
Bei den ungewöhnlich tiefen Betriebskosten gab es stets Fragezeichen. So gelte die Preisgarantie des Herstellers Lockheed Martin nur für die ersten zehn Betriebsjahre, musste Projektleiter Darko Savic einräumen. Die «Republik» warf der Rüstungsbehörde Armasuisse vor, sie habe den Tarnkappen-Jet in mehreren Punkten «billig gerechnet».
Ähnliche Vorwürfe äusserte der jurassische SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez schon 2022 in einem Buch. Im Interview mit watson zeigte er sich überzeugt, dass Verantwortliche bei Armasuisse den F-35 unbedingt wollten «und dafür die Testkriterien sowie die Gewichtung der Bewertungspunkte so zurechtgebogen haben, dass er zwangsläufig gewann».
Man könnte diesen Vorwurf auch der Luftwaffe machen, die ohnehin im Ruf steht, nur das «Beste vom Besten» zu wollen, also den Hightech-Jet aus Amerika. Als Luftwaffenchef Peter «Pablo» Merz den F-35 im März 2022 auf dem Flugplatz Emmen der Öffentlichkeit vorstellte, hatte man den Eindruck, er spreche nicht von einem Flugzeug, sondern von einer Trophäe.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grüne versuchten, den F-35 mit einer Volksinitiative zu stoppen. Das VBS aber «trickste» erneut und liess das Geschäft in der Herbstsession 2022 durch die bürgerliche Parlamentsmehrheit absegnen. Begründet wurde dies damit, dass die Offerte der USA nur bis Ende März 2023 gültig sei.
Kurz darauf wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Juristisch war dies korrekt, denn eine Volksinitiative hat keine aufschiebende Wirkung. Demokratiepolitisch aber war es ein fragwürdiger Vorgang, auch wenn das Stimmvolk den Kampfjet-Kauf im Grundsatz bereits bewilligt hatte. Den Initianten blieb zwangsläufig nur der Rückzug ihres Begehrens.
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats will eine Inspektion zur F-35-Beschaffung durchführen, kündigte sie am Dienstag an. Auch Viola Amherd dürfte befragt werden. Gefordert ist der neue Verteidigungsminister Martin Pfister. Sein Vorteil: Als «Quereinsteiger» in Bundesbern trägt der Zuger keine Verantwortung für das Debakel.
In einem ersten Schritt sollte der Mitte-Politiker eine rigorose Kostenwahrheit einfordern, ohne Tricksereien bei Bewaffnung und Unterhalt. Denn der Fixpreis allein ist nicht das Problem. F-35-Kenner Pierre-Alain Fridez rechnet mit Mehrkosten für das Gesamtpaket bis fünf Milliarden Franken. Parallel dazu sollte deshalb ein «Plan B» erstellt werden.
Einen Vorschlag skizzierte der Historiker und SP-Militärexperte Peter Hug, der Fridez’ Buch mitverfasst hat, gegenüber CH Media. Sein Vorbild ist das ebenfalls neutrale, topografisch ähnliche Österreich. Es besitzt 15 Eurofighter, den auch die Schweiz geprüft hatte, und will zusätzlich 12 leichte Kampfjets M-346 FA des italienischen Herstellers Leonardo kaufen.
Die Schweiz solle nachziehen und auf den F-35 verzichten, dafür aber die F/A-18-Flotte länger einsetzen, meint Hug. Das ist wenig zielführend, denn die Schweiz hat wie erwähnt schon fast eine Milliarde für den F-35 hingeblättert. Die sinnvolle Lösung wäre, maximal die Hälfte der 36 budgetierten Flugzeuge zu kaufen und mit den italienischen Jets zu ergänzen.
Der scheidende Armeechef Thomas Süssli meinte auf Radio SRF, die Schweiz könne die Menge allenfalls anpassen. Qualitativ ist der F-35 das derzeit wohl beste Kampfflugzeug. Und bei den italienischen Leonardo-Jets gibt es ein «Zückerchen», das auch vielen Bürgerlichen schmecken sollte: Mit ihnen liesse sich die Patrouille Suisse «wiederbeleben».