Der Bundesrat kündigte an, dass er am heutigen Freitag, 19. Juni, die ausserordentliche Lage beenden will und epidemiologisch zurück zur besonderen Lage wechseln will. Es ist ein Schritt, der mit den gesunkenen Corona-Fallzahlen absehbar war. Bedeuten tut das vor allem eins: Den Kantonen wird wieder eine stärkere Mitsprache gewährt, wenn es um die Bewältigung der Pandemie geht.
Sie werden heute mit dem Entscheid des Bundesrates wieder vermehrt selbst gewisse Massnahmen anordnen dürfen, die in der Zuständigkeit der Kantone liegen. Ganz ohne Bundesregeln wird es aber nicht gehen: Der Bundesrat hat vor einigen Tagen den Kantonen seine Pläne vorgestellt und um Feedback gebeten. Die Resultate werden heute vom Bundesrat präsentiert – dabei wird er vor allem folgende Punkte klären müssen.
Eine Massnahme, die bereits in einem frühen Stadion der Pandemie beschlossen wurde, war das Verbot von Grossveranstaltungen. Die Obergrenze wurde Ende Februar auf 1000 gesetzt, auf 100 reduziert und zum Höhepunkt der Krise auf fünf Personen festgelegt. Mit den Lockerungen sind seit einigen Tagen Veranstaltungen von bis zu 300 Personen wieder möglich, spontane Menschenansammlungen von mehr als 30 Personen blieben jedoch verboten.
Hier soll es heute vom Bundesrat weitere Lockerungen geben. Entsprechende Andeutungen gab es von den Regierungsmitgliedern in den vergangenen Tagen mehrfach. Erwartet wird, dass der Bundesrat heute die Obergrenze für Veranstaltungen auf 1000 Personen erhöht. Diesen Antrag wird der SP-Bundesrat Alain Berset heute im Bundesrat stellen, hiess es in den Zeitungen der Tamedia.
Die Lockerungen beim Veranstaltungsverbot wird der Bundesrat mit der «Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger» begründen. Statt mit einschneidenden Verboten soll die Pandemie mit individuellen Massnahmen unter Kontrolle gebracht werden. Etwa mit der Contact-Tracing-App: Das Parlament gibt heute Freitag den gesetzlichen Segen dafür, und auch der Bundesrat wird zudem entscheiden, ab wann die SwissCovid-App von der breiten Bevölkerung genutzt werden darf.
Update: Das Parlament hat die Gesetzesänderung in der schlussabstimmung genehmigt – SwissCovid kann damit offiziell starten.
In Richtung Selbstverantwortung geht es auch bei der Abstandsregel. Zwar gibt es keine Bussen mehr, von Arbeitgebern und Restaurants wird aber nach wie vor erwartet, dass der Zwei-Meter-Abstand eingehalten werden kann. Hier wird erwartet, dass der Bundesrat diese Abstandsregel lockert – laut Tamedia-Zeitungen steht ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zur Debatte.
Und was ist mit der Maskenpflicht? Andeutungen, dass sowas auch für die Schweiz kommen könnte, gibt es keine. Anders als in Deutschland können Pendlerinnen und Pendler den öffentlichen Verkehr ohne Mundschutz nutzen. Das führt dazu, dass in internationalen Zügen auf deutschem Boden die Maske angezogen werden muss.
Weitere Lockerungen gibt es laut Zeitungsberichten auch bei der bundesrätlichen Polizeistunde: Restaurants, Clubs und Pubs mussten seit den Lockerungen jeweils um Mitternacht schliessen. Eine solche bundesrechtliche Regelung wäre in einer «besonderen Lage» nicht mehr möglich, da Öffnungszeiten von Gastronomie-Lokalen zur Kompetenz der Kantone gehören.
Fällt die bundesrätliche Polizeistunde, werden Kantone sich überlegen müssen, ob sie selbst aktiv werden. Hier könnte es zu einem Flickenteppich kommen: Dort, wo Ausgangsmeilen belebter sind, werden Kantonsregierungen strikter durchgreifen als in Dörfern, wo in Beizen und Pubs seltener nach Mitternacht ein reges Gedränge herrscht.
Die Frage nach dem Demonstrationsrecht war während der Coronakrise eine hochpolitische Frage. Das Grundrecht auf Versammlungen durfte nicht absolut verboten, sondern nur verhältnismässig eingeschränkt werden. Dieses juristische Detail führte gar unter Regierungsräten zu Unstimmigkeiten. Polizeien reagierten bei grösseren Demonstrationen unterschiedlich, was auch zu politischer Kritik führte.
Sonnige Tage brachten bereits während der Coronakrise hunderte bis tausende Menschen auf die Strassen. Das Bedürfnis, sich durch Grossdemonstrationen Gehör zu verschaffen, dürfte in den Sommermonaten nicht kleiner werden. Der Bundesrat wird die Demo-Frage klären müssen, wenn er verhindern will, dass die Glaubwürdigkeit der Corona-Einschränkungen schwindet. Zeitungsberichten zufolge könnte ein solcher Entscheid erst nächste Woche kommen. Einen Zwang zu Lockerungen durch den Wechsel zur «besonderen Lage» gibt es nicht.
Wenn irgendwo Masken (für Alle) sehr sinvoll sind, dann im öffentlichen Verkehr.
Erstens hält sich sowieso nur ein kleiner Bruchteil der Menschen an die Empfehlung. Zweitens sind Masken ja da, um andere zu schützen, und nich sich selbst. Die eigene Gesundheit wird in die Hände anderer Menschen gelegt. Und drittens wäre es ein relativ kleiner Aufwand mit welchem man potentiell eine dritte Welle verhindern könnte. Will man dieses Risiko wirklich eingehen?
Deshalb: Maskenpflicht für alle die können.