Gestern Sonntag führten die Politologen des Gfs Bern erstmals so genannte «Exit Polls» durch. Am Wahlsonntag (sowie kurz davor) wurden dafür online rund 9200 Stimmberechtigte nach den Gründen für ihren Entscheid zur Selbstbestimmungs-Initiative (SBI) befragt. Wir präsentieren die sechs wichtigsten Ergebnisse der Studie.
Im eigenen Lager klappte die Mobilisierung gut: 96 Prozent der SVP-Wähler legten ein Ja zur Selbstbestimmungs-Initiative in die Urne. Darüber hinaus konnte die Partei allerdings kaum jemand von der Initiative überzeugen – trotz einer bewusst brav-zurückhaltenden Plakatkampagne, welche auf die politische Mitte schielte.
Die Einschätzung des wichtigsten europapolitischen Vertragswerks der Schweiz, der bilateralen Verträge mit der EU, beeinflusste die Haltung zur SBI stark. Wer die bilateralen Verträge in erster Linie als vorteilhaft einschätzt, lehnte die SBI ab. Wer die Bilateralen als nachteilig einschätzt, stimmte ihr zu.
Auch das Regierungsvertrauen beeinflusste die Haltung zur SBI stark. Wer dem Bundesrat vertraut, lehnte die SBI mit grosser Wahrscheinlichkeit ab. Wer dem Bundesrat hingegen Misstrauen entgegenbringt, der stimmte der Initiative mit grosser Wahrscheinlichkeit zu.
Die SVP gab sich im Abstimmungskampf alle Mühe, lammfromm zu wirken. Vorbei die Zeiten, in denen sie mit grossen Lettern und aggressiver Bildsprache für ihre Anliegen warb. Die Plakatkampagne kam mit urban wirkenden Models daher, farblich dominierte ein modernes Gelb. Nicht einmal das Parteilogo war zu sehen.
Diese Strategie ging nur halbwegs auf. Zwar stimmte eine knappe Mehrheit jener, welche die Plakate nicht als Werk der SVP erkannten, für die Selbstbestimmungs-Initiative. Doch immerhin 47 Prozent der Befragten, welche die SVP nicht als Urheber der Plakate ausmachen konnten, lehnten die SBI dennoch ab.
Zwiespältig fällt auch die Analyse der Forscher des Gfs Bern aus. Zwar gelang nur sehr wenigen Befragten die Zuordnung nicht, schreiben sie. Bei diesen sei aber nicht auszuschliessen, dass hier «ein Ja auf Basis einer falschen Wahrnehmung erfolgte».
Die Grafik zeigt alle Argumente, welche gemäss «Exit Poll» einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Abstimmungsresultat hatten. Die Länge des Balkens bemisst, wie gross dieser Einfluss war. Orangene Argumente führten eher zu einer Ablehnung, blaue eher zu einer Zustimmung zur SBI.
Laut den Politologen des Gfs Bern scheiterte die Initiative an drei unterschiedlichen Stossrichtungen: Die Stimmberechtigten wollten sich international nicht isolieren, den Ruf als verlässlicher Handelspartner nicht gefährden und internationale Rekursmöglichkeiten, gerade auch im Menschenrechtsbereich, nicht verlieren. Die Befürworter stimmten der Initiative am ehesten zu, weil sie der SVP grundsätzlich vertrauen und mit ihrem Entscheid Selbstbestimmung zurückgewinnen wollten.
Die Stimmbürger wünschen sich ein pragmatisches Beurteilen zwischen internationalem und nationalem Recht. Je nach Situation soll das eine oder das andere gelten: «Zwischen den beiden Rechtssystemen soll je nach Situation entschieden werden.» Purismus in beide Richtungen werde mehrheitlich nicht gewünscht, schreiben die Forscher. Ihr Fazit: «Damit schiesst die Initiative schon im Grundsatz neben dem Ziel vorbei.»
Die Ergebnisse der Nachanalyse des Gfs Bern zur SBI basieren auf einer Befragung von 9281 Stimmberechtigten aus der gesamten Schweiz. Rekrutiert worden sind die Teilnehmenden über die Medienplattformen der SRG sowie aus dem Onlinepanel polittrends.ch des Gfs Bern. Die Repräsentativität der Daten sei durch ein komplexes mehrstufiges Gewichtungsverfahren sichergestellt. Die Befragung fand zwischen zwischen Freitag, 23. November und dem Abstimmungssonntag am 25. November statt. (cbe)