Donald Trumps Zollhammer verliert immer mehr an Schlagkraft. Am Sonntag einigte sich US-Finanzminister Scott Bessent in Genf mit China auf eine deutliche Senkung der gegenseitigen Strafzölle für 90 Tage. So reduzieren die USA ihre Zölle auf chinesische Importe von 145 auf 30 Prozent. Präsident Trump hatte zuvor von 80 Prozent gesprochen.
Einmal mehr sind die USA zurückgekrebst. Das erstaunt nicht, denn bereits werden wegen Trumps China-Zöllen weniger Waren über den Pazifik verschifft. Die Chefs grosser US-Detailhändler hatten den Präsidenten gewarnt. Ihre Botschaft ist offenbar angekommen, denn steigende Preise und leere Regale würden selbst harte MAGA-Fans ins Grübeln bringen.
Immer mehr zeigt sich: Donald Trump hat mit seinem «Befreiungstag» am 2. April dem Rest der Welt eine Grube gegraben, in die er selbst hineingeplumpst ist. Das sollten jene Länder bedenken, die einen raschen Deal mit dem Präsidenten anstreben. Als Erste einigten sich die Briten am letzten Freitag, doch auch die Schweiz will vorwärtsmachen.
Eine schnelle Lösung im Zollstreit zwischen der Schweiz und den USA sei «im Interesse beider Länder», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Freitag. Ihr US-Amtskollege Bessent legte am Montag nach: «Grossbritannien und die Schweiz haben sich am Anfang der Schlange für ein Handelsabkommen eingereiht, während die EU viel langsamer war.»
Sind die Schweizer also wieder einmal cleverer als die Bürokraten in Brüssel? So einfach ist das nicht. Es gibt Gründe, warum das zurückhaltende Vorgehen der Europäer am Ende vorteilhafter sein könnte. Auch Christian Etter, ein ehemaliger Handelsdiplomat des Bundes, meinte gegenüber dem «Tages-Anzeiger», die Schweiz solle «nichts überstürzen».
Denn Trump steckt in der Klemme. Er hat sich mit seiner 90-tägigen «Zollpause» unter Druck gesetzt, möglichst rasch möglichst viele Deals abzuschliessen. Gleichzeitig neigt die Schweiz dazu, vorschnelle Zugeständnisse zu machen, sei es die einseitige Abschaffung der Industriezölle oder die angekündigten Investitionen von 150 Milliarden Franken.
Das könnte bei den Amerikanern Appetit auf mehr wecken. Wie das aussieht, zeigt der Deal mit den Briten, der eigentlich eine Absichtserklärung ist. Sie dürfen mehr Autos in die USA liefern, doch der «Grundzoll» von zehn Prozent bleibt. Die Schweiz möchte ihn loswerden, denn hiesige Produkte sind teuer. Da tut ein Zuschlag von zehn Prozent sehr weh.
Gleichzeitig muss Grossbritannien Zugeständnisse machen, etwa mit dem Kauf von Boeing-Flugzeugen oder in der Landwirtschaft. Zwar müssen die Briten weder Chlorhühner noch Hormon-Steaks importieren, dafür aber die generelle Einfuhr von Rindfleisch und Bio-Ethanol erleichtern. Man könnte im wahrsten Sinn von einem Kuhhandel sprechen.
Während der britische Bauernverband zurückhaltend reagierte, äusserten sich Farmer und Aktivisten empört. Für die Schweiz ist die Landwirtschaft ein besonders heikles Thema, sie schottet sich gegenüber Einfuhren so stark ab wie kaum ein anderes Land. Das soll auch so bleiben, betonte Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag in Genf.
In sensiblen Bereichen der Landwirtschaft werde die Schweiz gegenüber den USA keine grossen Konzessionen machen, sagte der SVP-Bundesrat. Hingegen sei man offen für Gespräche über Importzölle für Produkte, die nicht in der Schweiz produziert werden. Das könnten etwa Orangen sein, doch es fragt sich, ob sich die Amerikaner damit begnügen.
Über eine Senkung der Zölle würden sich die Produzenten in Andalusien oder Sizilien freuen, die einen grossen Teil des hiesigen Bedarfs abdecken. Sie dürften ebenfalls profitieren, wegen der Meistbegünstigungsklausel. Donald Trump schert sich einen Deut darum, doch die Schweiz betont immer wieder, wie wichtig allgemeingültige Regeln sind.
Billigere Orangen könnten zudem den einheimischen Obstbauern sauer aufstossen. Sie ärgern sich ohnehin, dass Konsumenten in der Schweiz lieber Bananen und Zitrusfrüchte kaufen als hiesige Äpfel oder Zwetschgen. Die Landwirtschaft könnte sich für die Schweiz bei einem Abkommen mit den USA nicht zum ersten Mal als Stolperstein erweisen.
Und am Montag eröffnete sich eine weitere Kampfzone. So liebäugelte Präsident Trump anfangs auch mit Zöllen auf Pharmaprodukte. Nun legte er eine radikale Kehrtwende hin. Im Weissen Haus ordnete er per Dekret eine massive Senkung der Medikamentenpreise in den USA an. Bundesrat Parmelin zeigte sich im CH-Media-Interview nicht überrascht.
Dabei betrifft ein grosser Teil der angekündigten Schweizer Investitionen in den USA die Pharmakonzerne Novartis und Roche. Jetzt könnte Novartis-Chef Vas Narasimhan das Grinsen in dem von Trump verbreiteten Video aus dem Weissen Haus vergangen sein. Allerdings ist es zweifelhaft, dass Trump mit seinem Preiskampf durchkommen wird.
Das gilt auch für seine Zölle. So berichtete «Politico» über einen bislang kaum beachteten Aspekt: Am Dienstag findet vor dem U.S. Court of International Trade in New York die Anhörung zu einer Klage gegen Trumps Zolldekret statt. Unterstützt wird sie von republikanischen Politikern «alter Schule», die sich dem Freihandel verpflichtet fühlen.
Die Trump-Regierung beruft sich auf einen «nationalen Notstand», doch es scheint fraglich, dass das wenig bekannte Handelsgericht darauf eintreten wird. Bei einem schnellen Entscheid könnte der Zollspuk laut «Politico» schon im Juni zu Ende sein. Wie der Präsident reagieren würde, ist offen, doch die EU könnte mit ihrer abwartenden Haltung richtig liegen.