Dieser Archetypus ist von elanvoller Eigeninitiative geprägt. Kaum eine noch so latente Gelegenheit zur Optimierung oder Verlängerung des nächtlichen Spasserlebnisses wird von ihm je ausgelassen. Teils zurecht wird ihm ein übersteigerter Selbstzerstörungstrieb attestiert. Denn wer will schon aufhören, wenn es am schönsten ist, wenn es ja auch noch schöner werden könnte?
Nicht von Beginn weg eindeutig zu identifizieren, zeigt sich das wahre Gesicht dieses Typs durchschnittlich erst nach der zweiten Runde. Wichtig ist diesem Typ vor allem die Begründung seiner Wesensart. Gerne erklärt er sein Müde-Sein in Form einer lallenden Litanei. Bis ihm die Lichter ausgehen und er sich dem sanften Schlaf hingibt. Auf dem Sofa. Auf dem Klo. Auf der Tanzfläche. Egal.
Man merke: Es ist sicher nicht einfach der Alkohol per se, der müde macht ...
Nicht selten sind es harmoniebesinnte Zeitgenossen, die sich nach Konsum einiger Alkohol-Prozente in kathartischer Manier dem Konflikttrieb hingeben. Hierbei ist die Bandbreite der Konfliktaustragung breit. Von hitzigen Diskussionen mit polarisierender Aura bis hin zu Handgreiflichkeiten jeglicher Art ist alles denkbar. Ob Freund oder Fremd ist dabei egal. Langweilig wird's mit ihm nicht.
Der Alkohol macht aus ihm eine tollwütige Umarmungsmaschine, ein Laudator allererster Güte, ein radikaler Nächstenliebe-Ultra. Zu seinem Repertoire gehören pathetische Versöhnungshymnen, emotionale Treueschwüre und intime Liebesbekundungen.
Gerne holt er jeweils einen guten, alten Stern vom Himmel, baut Luftschlösser – schöner, prunkvoller als all die Versailles und Schönbrunns dieser Welt zusammen, malt mit Worten Gemälde, die Claude Monet wie einen dilettantischen Pinselschwinger aussehen lassen und ab und an, ja, da wird auch mal der eine oder andere Berg versetzt. Alles nur für dich. ❤️
Oh, guck, 1 Eisberg – Das denkst du dir jeweils, wenn du ihn nüchtern siehst. Der Alkohol vollbringt dann aber Erstaunliches; er gewährt dir einen Blick unter die Wasseroberfläche. Tief, tief runter. Während du in unbändiger Faszination dieser neuen Seite frönst, kreist der Deepe stoisch und unverfroren in zentripetalem Sog auf den Sinn des Lebens zu.
Nach einigen lustvollen Schlücken vom Zapfhahn arbeitet dieser Typ eiskalt eine tief in ihm abgespeicherte Liste von Dingen ab, die man eigentlich nicht tun sollte. Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung erreicht schnell ihren Zenit. Und der Depp irrt sich unbeirrbar in sich selbst. Dieses Verhalten ist und bleibt Experten ein Rätsel.
Die Gürtellinie, so sagt sich dieser Typ, ist lediglich eine Koordinate. Den moralischen Kompass ausblendend, navigiert er sich mit Witzen, Streichen und Sparglimenten nördlich und südlich der Gürtellinie durch den Abend. Hauptsache, es ist irgendwie lustig. Also zumindest für ihn.
Obwohl sich seine koordinativen Fähigkeiten im Normalfall arg in Grenzen halten, gibt er sich nach dem Mut einflössenden Zaubertrank auf dem Balzparkett die Ehre. Hüften werden geschwungen, Takte geklatscht, Stile vermengt. Sein Zuhause ist dort, wo der Bär steppt, weshalb er sich auch nicht zu schade ist, zeitgleich in fragwürdig-melodiöser Form von seinen Stimmbändern Gebrauch zu machen.