Taktisches Legespiel von Lorenzo Silva, Hjalmar Hach und Luca Ricci für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren. Spieldauer: etwa 45 Minuten. Verlag: Horrible Games/Asmodee, Preis: etwa 70 Franken.
Abstraktes Spiel mit chinesischem Grafik-Touch, das Mah-Jongg-ähnliche Steine verwendet.
Steine aus der Mitte nehmen und bei sich auf seinem Tableau einbauen. «Schreine» darauf setzen. Punkte dafür kassieren.
Schöne wertige Spielsteine, asiatisch angehauchte Grafik, preislich eher im oberen Segment.
Leute, die gerne stille, abstrakte Denkspiele mit fiesem Charakter spielen, bei denen man immer aufpassen muss, dass man den Gegnern nicht die Filet-Stücke überlässt.
Millionen Menschen glauben zu wissen, wie man Mah-Jongg spielt, haben aber in Tat und Wahrheit keine Ahnung davon. Schuld daran ist ein Computerspiel, das erstmals 1986 von Activison herausgebracht worden ist, eigentlich ursprünglich «Shanghai» hiess und danach oft auch im Lieferumfang mit dabei war, wenn man zum Beispiel ein Windows-Betriebssystem kaufte.
Es handelt sich dabei um ein Solitär-Spiel, bei dem es darum geht, jeweils zwei Spielsteine mit dem gleichen Symbol vom Spielfeld abzuräumen. «Dragon Castle» ist eine Umsetzung dieses bekannten Computerspiels in die reale Welt mit schweren Steinen, die richtig schön in der Hand klimpern.
Das wahre Mah-Jongg hingegen ist ein dem Rommé ähnliches Spiel, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in China entstand, auch wenn immer mal wieder fälschlicherweise behauptet wird, dass es Jahrtausende alt sein soll.
Es wird im asiatischen Raum oft um Geld gespielt. Wenn man es kann, bietet es eine gute Gelegenheit, sich mit Einheimischen zu sozialisieren und zu verbrüdern. Ich wurde einmal in einer Teestube in Shanghai nach einer Modeschau einen Nachmittag lang von chinesischen Fotomodels abgezockt.
Und 2009 verbrachte ich fast einen Monat damit, auf einem Frachtschiff zwischen dem neuseeländischen Tauranga, Französisch-Polynesien, dem Panamakanal und Philadelphia mit der philippinischen Besatzung in deren Unterkunft beim Mah-Jongg spielen betrunken und taub zu werden, weil die Seeleute dazu ohrenbetäubend laut das Endlosband einer Modern-Talking-Compilation anhörten und mir ständig Bier nachreichten.
Meistens verlor ich, was ich darauf zurück führte, dass sich die Philippinos untereinander in ihrer Nationalsprache Tagalog unterhielten. Sie widersprachen aber: «You just have to learn to feel the stones, Tomàs». Tatsächlich machten die Matrosen jeweils ein regelrechtes Ritual daraus, mit der Beere ihres Zeigefingers vor dem Aufdecken Steine die Prägung des Zeichens darunter zu ertasten. So wussten sie immer schon blind, wo sie diesen einordnen mussten. Das war zwar beeindruckend und interessant. Aber wozu sollte es gut sein, wenn man die Steine ja eh gleich danach aufdeckt und anschaute, fragte ich mich jeweils nachts, wenn ich Schweiss gebadet in meiner Koje lag.
So, jetzt bin ich aber gehörig abgeschweift. Nun doch noch zu «Dragon Castle». Der Basiszug des Spiels wurde dem bekannten Computerspiel entlehnt. Man soll identische Spielsteine abbauen, indem man identische Steine paarweise aus der Drachenburg in der Mitte entfernt und bei sich auf einem Tableau damit lukrative Stellungen legt und baut.
Man darf alternativ auch nur einen Spielstein und einen sogenannten «Schrein» nehmen, welcher wie ein Dach auf Spielsteine gesetzt werden kann oder man darf einen Spielstein gegen einen Siegpunkt entfernen, der für die Gegner lukrativ wäre. Verbindet man auf dem eigenen Tableau mindestens vier Spielsteine derselben Farbe, muss man sie umdrehen und erhält dafür Siegpunkte. Je grösser die umgedrehte Fläche, desto lukrativer. Punkte gibt es am Spielende auch für die platzierten «Schreine». Dort ist die Höhe der Etage ausschlaggebend.
«Dragon Castle» macht natürlich allen, die das Computerspiel kennen, sofort Lust, es auszuprobieren. Dazu tragen auch die schönen Spielsteine bei. Das Kartonmaterial wirkt dagegen allerdings eher dünn und billig.
Das Spiel hat einen einfachen Zugang, durch Geister- und Drachenkarten, die zusätzliche Züge und Siegpunkte-Bedingungen möglich machen, kommt mehr Varianz ins Spiel. Auch die Drachenburg zu Beginn kann jeweils sehr unterschiedlich aufgebaut werden.
Es ist von der Art her ein eher stilles Spiel, bei dem viel gegrübelt und nachgedacht wird. Man darf sich dabei aber nicht nur darauf konzentrieren, die eigenen Steine gut aufzubauen, sondern muss auch ständig dafür sorgen, lukrative Züge der Gegner zu verhindern.
Durch die Regel-Einschränkung, dass mindestes einer der genommenen Steine aus der obersten Ebene kommen muss, entstehen aber oft Zwänge, die vor allem im Vierpersonen-Spiel das Gefühl hinterlassen, vom System gespielt zu werden und keine wirklichen kreativen Optionen zu haben. Eine Partie ist auch viel schneller vorbei, als man am Anfang gedacht hat.
Ja, und sogar wesentlich besser als zu viert. In der Viererpartie ist die Zahl von 116 verfügbaren Spielsteinen nämlich viel zu knapp bemessen, um damit eine einigermassen befriedigende Strategie aufbauen zu können. Eine Partie ist viel zu schnell vorüber. Am besten ist «Dragon Castle» eindeutig zu zweit. Zu dritt funktioniert es ebenfalls befriedigend.