In England bahnt sich der nächste dramatische Meisterkampf an. Nachdem sich Manchester City und Arsenal in der letzten Saison bis kurz vor Schluss um den Titel in der Premier League duellierten und sich die «Cityzens» wie schon 2021/22 – damals mit nur einem Punkt vor Liverpool – durchsetzten, verspricht die englische Liga erneut grosse Spannung.
Dank des 3:1-Erfolgs am Montagabend in Brentford bleibt Manchester City nach Verlustpunkten das beste Team und sitzt damit in der Pole-Position. Der Rückstand auf Liverpool beträgt bei einem Spiel weniger nur zwei Punkte, Arsenal liegt gleichauf mit ManCity auf Platz 3. Und auch Aston Villa sowie Tottenham sind noch in Reichweite, wobei ein Meistertitel eines der beiden Klubs aufgrund der hervorragenden Konkurrenz eine ähnliche Sensation wäre wie jener von Leicester City in der Spielzeit 2015/16.
Fünf der letzten sechs Meistertitel gingen auf die blaue Seite Manchesters. Dass das Team von Pep Guardiola – dem Welttrainer des letzten Jahres – gerade national so erfolgreich ist, liegt auch daran, dass es in den entscheidenden Momenten die Ruhe bewahren und die nötigen Punkte einfährt. Im letzten Sommer gewannen sie ausserdem noch die Champions League und den FA Cup.
Zwar verliessen in Ilkay Gündogan und Riyad Mahrez zwei Leistungsträger der letzten Jahre Manchester, doch spielen die «Cityzens» noch immer auf allerhöchstem Niveau. Obwohl die beiden wichtigsten Offensivspieler Erling Haaland und Kevin De Bruyne am Montag aufgrund von Verletzungen erst zum zweiten Mal in dieser Saison gemeinsam in der Startaufstellung gestanden haben, stellen sie die beste Offensive der Liga. Neben Haaland mit 19 Toren trafen auch Julian Alvarez (15) und Phil Foden (11) wettbewerbsübergreifend zweistellig.
Manchester City stellt zudem den effizientesten Angriff der Liga, machte gemäss der «Expected-Goals-Statistik» (xG) von Opta aus Chancen für lediglich 39,9 Tore ganze 49 Treffer aus dem Spiel heraus. Dazu kommen vier verwandelte Penaltys. Kein Premier-League-Klub traf häufiger – obwohl die «Skyblues» ein Spiel weniger als viele der Konkurrenten absolviert haben.
Auch sonst glänzt die Offensive des neunfachen Meisters dank des meisten Ballbesitzes (durchschnittlich 64,9 Prozent) sowie durch seine kreativen und dribbelstarken Spieler, die den Ball häufiger nach vorne und ins Angriffsdrittel treiben als alle anderen der englischen Liga. Dafür sind neben Foden, der beim 3:1-Sieg in Brentford alle drei Tore erzielte, und Bernardo Silva vor allem Jack Grealish und Neuzugang Jérémy Doku verantwortlich. Der für 60 Millionen Euro aus Rennes gekommene Belgier konnte in seinen 23 Einsätzen bereits mit fünf Toren und sechs Vorlagen glänzen.
Dass Guardiola Spieler wie ihn und Grealish von der Bank bringen kann und auch defensiv in Ruben Dias, Josko Gvardiol, Manuel Akanji, Nathan Aké oder Kyle Walker ausreichend Optionen hat, ist ebenfalls eine grosse Stärke dieses mit einem Marktwert von 1,26 Milliarden Euro wertvollsten Kaders der Welt.
Obwohl ManCity derzeit die beste Ausgangslage im Titelrennen hat, ist der FC Liverpool noch immer Spitzenreiter. Dies ist insofern überraschend, als die Reds in der Vorsaison eine tiefe Krise durchlebten. Am Ende wurde das Team von Jürgen Klopp dennoch Fünfter und konservierte die starke Form der Rückrunde über die Sommerpause hinaus.
Dank der von Beginn weg stark agierenden Neuverpflichtungen Dominik Szoboszlai und Alexis Mac Allister wurde das Mittelfeld wieder zu einer der Stärken in Liverpool, während die Offensive um einen sich wieder in Topform befindlichen Mohamed Salah und dem endlich treffenden Darwin Nuñez ebenfalls zu den besten der Premier League gehört.
Kein Team holt gemäss den «xG-Werten» so gute Chancen heraus wie der 19-fache Meister, was auch daran liegt, dass die Liverpooler mit Abstand am häufigsten schiessen. Dabei geht die Genauigkeit ab und zu aber jeweils ab, wodurch nur gut ein Drittel der 18,5 abgegebenen Schüsse pro Spiel auch wirklich aufs gegnerische Tor kommen. Dadurch hapert es bei der Chancenverwertung etwas. Gerade bei den Penaltys – nur vier von sieben konnten Salah und Nuñez im Tor unterbringen – ist Luft nach oben.
Dennoch machen die Statistiken Hoffnung. Schliesslich macht Liverpool auch am defensiven Ende mit nur 22 Gegentoren eine gute Falle. Dies stellt einen gemeinsamen Bestwert der Premier League mit Arsenal dar.
Nicht auszuschliessen ist zudem, dass Klopps angekündigter Abschied Ende Saison als Extramotivation dient und zusätzliche Kräfte freisetzt. Der 56-jährige Deutsche wird Liverpool nach knapp neun sehr erfolgreichen Jahren freiwillig verlassen. Aktuell ist sowohl in der Premier League als auch in beiden nationalen Cup-Wettbewerben sowie der Europa League der Titelgewinn möglich.
Während sowohl ManCity als auch Liverpool zwei rundum starke Teams auf den Platz bringen, hat Arsenal einen klaren Schwachpunkt. Denn im Tor sind die Gunners nicht auf einem Level mit der Konkurrenz, woran auch die Verpflichtung von Brentfords David Raya als Ersatz für Aaron Ramsdale im vergangenen Sommer nichts ändern konnte. Doch das Team von Mikel Arteta kann es sich erlauben.
Denn keine Defensive lässt so wenige Chancen zu wie jene um William Saliba, Gabriel und Ben White. Auch 116-Millionen-Einkauf Declan Rice, der mit die meisten Bälle der Liga abfängt, hat seinen Anteil daran. Vor allem dank ihnen kassierte Arsenal gemeinsam mit Liverpool die wenigsten Gegentore der Liga – jedoch müssten es eigentlich sogar noch weniger sein. Gemäss der durch die «xG-Werte» errechneten Tordifferenz ist Arsenal das mit Abstand beste Team, nur konnten sie dies aus verschiedenen Gründen noch nicht in die tatsächliche Tabelle ummünzen.
Wo der 13-fache Meister aber ganz vorne dabei ist, ist bei den Pässen in die Tiefe sowie den Ballkontakten im gegnerischen Strafraum. Da kann kein Premier-League-Klub mithalten. Auch hier hat Rice einen Einfluss, wobei vor allem Bukayo Saka und Martin Ödegaard als letzte Passgeber vor einem Schuss eines Mitspielers fungieren. Saka ist mit sieben Assists in der Liga nicht nur bester Vorbereiter seines Teams, sondern mit acht Treffern auch der beste Torschütze.
Ein echter Goalgetter fehlt dem Team in dieser Saison zwar, weil Gabriel Jesus nach seiner Verletzung aus der Vorsaison noch nicht wieder zu seiner Topform gefunden hat. Dennoch stellt Arsenal die viertbeste Offensive der Liga und kann neben Saka auch auf die weiteren Flügelspieler wie Gabriel Martinelli und Leandro Trossard, die je fünfmal getroffen haben, zählen.
Ausserdem stellte sich Arsenal bisher gerade in den sogenannten Sechs-Punkte-Spielen gegen die direkte Konkurrenz als echter Titelkandidat heraus. Gegen Liverpool setzten sich die Gunners am Sonntag 3:1 durch, nachdem sie in der Hinrunde auswärts ein 1:1 erspielt hatten. Auch die «Cityzens» schlug Arsenal im eigenen Stadion im Herbst. Zwar wird es ein schwieriges Unterfangen, den amtierenden Triple-Sieger auch in Manchester zu bezwingen, doch ist Arteta mit seinem Team zum zweiten Mal in Folge ein ernsthafter Titelkandidat.
Aston Villa besticht vor allem durch seine Effizienz vor dem eigenen Tor. Der als Welttorhüter ausgezeichnete Emiliano Martinez ist ein ausgezeichneter Rückhalt, der deutlich weniger Tore kassiert hat, als nach dem «xG-Wert» zu erwarten wäre. Dennoch kassieren die Villans verhältnismässig viele Gegentore und sind mit nur zwei Siegen aus den letzten sechs Ligapartien nicht das formstärkste Team.
Mit Ollie Watkins (elf Tore, 10 Assists) befindet sich aber der zweitbeste Skorer der Liga im Kader von Aston Villa. Auch Trainer Unai Emery gilt als einer der besten seines Fachs. Dennoch dürfte eine allfällige Qualifikation für die Champions League das Höchste der Gefühle sein.
Aston Villas grösster Konkurrent im Kampf um Platz 4 kommt aus London. Tottenham Hotspur konnte sich nach einer enttäuschenden letzten Saison und dem Abgang von Rekordtorschütze Harry Kane überraschend schnell wieder in der Spitzengruppe der Premier League etablieren. Dies liegt vor allem an Trainer Ange Postecoglou und seinem gefeierten «Ange-Ball».
Dabei ergreifen die Spurs die Flucht nach vorn. Kein Klub im englischen Oberhaus betreibt aggressiveres Pressing als das Team des australischen Coachs. Dazu kommt eine beneidenswerte Effizienz vor beiden Toren. Die Offensive um Heung-min Son und Richarlison übertraf den Erwartungswert um 5,7 Treffer, während sich Neuzugang Guglielmo Vicario im Tor ebenso wie Innenverteidiger Micky van de Ven als hervorragende Verpflichtung herausstellt. Auch sie treiben den xG-Wert mit einer Differenz von 5,5 Toren zu der tatsächlichen Anzahl an Gegentoren ad Absurdum.
Im Falle von Tottenham ist der Gewinn der Meisterschaft jedoch ebenfalls eher unwahrscheinlich. Dazu ist der Rückstand von sieben Punkten auf Liverpool und potenziell acht Punkten auf Manchester City bei der derzeitigen Form der Topklubs wohl zu gross. Ob der Titelkampf am Ende aber tatsächlich ein Fünfkampf wird oder sich doch nur zwei oder drei Teams um den Titel streiten, die Premier League wartet im Rest der Saison sicher mit einigem an Spannung und Drama auf.