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Trotzdem: Die CHL ist die perfekte Abwechslung zum NLA-Alltag. Es braucht kein Ovi, Sid, who ever. Auch gegen Färjestad kann es rocken!
Heimlich, still und leise – fast unbeachtet von der breiteren Öffentlichkeit spielt sich ein kleines Eishockey-Wunder ab. In der Champions Hockey League – quasi der ganz kleine Bruder der grossen Fussball-Champions-League – haben alle vier Schweizer Mannschaften die Gruppenphase überstanden. Die ZSC Lions, der SC Bern, der HC Lugano und der EV Zug stellen damit ein Viertel der verbleibenden Teilnehmer, welche nun in der K.-o.-Phase um die Krone des europäischen Klub-Eishockeys kämpfen.
Dass sich gleich alle Schweizer Vertreter für die nächste Runde qualifiziert haben, ist deshalb so ausserordentlich, weil der Wettbewerb in seinen bisherigen vier Austragungen (die CHL existiert seit der Saison 2014/15) dreimal von einem schwedischen und einmal von einem finnischen Team gewonnen wurde.
Die Nordeuropäer dominierten bisher fast nach Belieben. Doch diesmal scheiterte der Titelverteidiger Jyväskylä aus Finnland ausgerechnet nach einer 0:1-Niederlage gegen Lugano bereits in der Gruppenphase.
Ist der aktuelle Exploit der Schweizer Vertreter Zufall, eine schöne, aber vergängliche Momentaufnahme oder doch ein Hinweis darauf, dass unsere höchste Liga im europäischen Vergleich tatsächlich an Qualität gewonnen hat? Fest steht, dass die National League als Produkt und punkto Strahlkraft nach der nordamerikanischen NHL und der russisch geprägten KHL bei der Rekrutierung von ausländischem Personal einen Standortvorteil hat.
Als Söldner kann man in der Schweiz gutes Geld verdienen, gepaart mit einem hohen Lebensstandard. Was wiederum bedeutet, dass unsere Spitzenteams sicher über vier oder mehr überdurchschnittlich gute Ausländer verfügen.
Der ewige Talentverlust der Skandinavier in der Breite bzw. beim einheimischen Personal haben die Teams aus dem hohen Norden tendenziell Vorteile, müssen aber einen schier endlosen «Talentverlust» Richtung NHL oder KHL verkraften. Die skandinavischen Teams bestehen oft entweder aus extrem jungen, talentierten Spielern oder aus routinierten Rückkehrern, die ihr Karrierenende in der einheimischen Liga zelebrieren.
Ihr Nachteil ist also, dass die Zusammensetzung des Kaders von Saison zu Saison bisweilen extrem volatil ist. Dies im Gegensatz zu den Schweizer Spitzenteams, die sich auf einen über Jahre gewachsenen Kern von Schlüsselspielern verlassen können.
Kommt dazu, dass die Schweizer Klubs aus den europäischen Erfahrungen der letzten Jahre die richtigen Schlüsse gezogen haben. Zum Beispiel, dass man Gegner aus Nicht-Eishockey-Hochburgen wie Grossbritannien, Österreich, Frankreich oder Norwegen nicht auf die leichte Schulter nimmt. Oder man hat gelernt, wie man gegen die spielerisch und taktisch hervorragenden Skandinavier bestehen kann.
Ein weiterer Faktor in dieser Gleichung ist die Tatsache, dass man die Champions Hockey League inzwischen vollumfänglich als sportliche Herausforderung akzeptiert und sich entsprechend hohe Ziele gesetzt hat. Teams wie die ZSC Lions oder SC Bern streben den Titelgewinn an und schenken dem Wettbewerb höchste Aufmerksamkeit.
Dass dies bisher nicht unbedingt immer der Fall gewesen ist, hängt auch eng mit den finanziellen Rahmenbedingungen zusammen. Im Gegensatz zum Fussball gibt es im Eishockey unter dem Deckmantel der Champions League keine Millionen, mit welchen man die Finanzen im Erfolgsfall aufbessern kann, zu verdienen.
Im Gegenteil: Es konnte vorkommen, dass die Klubs – auch wegen der teilweise aufwendigen Reisen – Verluste im sechsstelligen Bereich schrieben. Das Gesamtpreisgeld beträgt heuer knapp 2 Millionen Euro. Der Champion erhält 365 000 Euro. Bis ins Jahr 2023 soll der Preisgeldtopf sukzessive auf 3.5 Millionen Euro erhöht werden. Erst dann wird es sich tatsächlich auch finanziell lohnen, in der Champions Hockey League nach Ruhm und Ehre zu streben.
Bleibt die Frage, ob sich der sportliche Höhenflug auf dem europäischen Parkett auch auf das Zuschauerinteresse auswirkt. Der Blick auf die Zuschauerzahlen der Schweizer Vertreter lässt Zweifel aufkommen. In Bern, welches im Schnitt über 16 000 Zuschauer zu seinen NLA-Heimspielen begrüssen darf, kamen 8500 Leute pro CHL-Partie. In Zürich waren es 3350, in Zug 3850 und in Lugano 3700. Der Publikumsaufmarsch war also überall bescheiden im Vergleich zum Ligaalltag – dies trotz sportlichem Erfolg.
Das lässt zwei Schlüsse zu: Die Fans sind gegenüber dem Wettbewerb auch im fünften Jahr seiner Existenz skeptisch und können den sportlichen Wert nicht richtig (ein-)schätzen. Zweitens fehlen – im Gegensatz zum Fussball – eben auch die gegnerischen Stars, die in die Schweiz kommen. Die allerbesten Cracks spielen sowieso in der NHL.
Und die restlichen Spieler mit einigermassen geläufigen Namen verdienen ihr Geld in der Regel in der KHL, welche die Champions Hockey League vor allem aus wirtschaftlichen Gründen links liegen lässt. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. (aargauerzeitung.ch)