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Edgar Salis ist Sportchef bei den ZSC Lions. Der ehemalige Rumpelverteidiger hat eine dreijährige Berufsausbildung zum Sozial-Pädagogen erfolgreich abgeschlossen. Mit einer Diplomarbeit zum Thema «Verwahrlosung».
Er sagt, diese Ausbildung sei gerade jetzt hilfreich. «Was wir bei Inti Pestoni machen, ist eine Krisenintervention.» Das Wort «Krisenintervention» kommt aus dem Berufsalltag der Sozial-Pädagogen.
Der Sportchef sagt «wir», weil die ungewöhnliche Massnahme um einen ungewöhnlichen Spieler wieder in Form zu bringen, nicht seine Idee alleine war. «Letzte Woche war ich mit unserem Trainer bei einer Medienkonferenz der Champions Hockey League in Luzern. Auf der Rückfahrt mit dem Auto hatten wir die Idee mit den Spezialtrainings für Inti Pestoni und Mike Künzle.»
Spezialtraining ist ein kleines Wort für eine grosse Sache. Eine Aufbauphase für Mike Künzle (22) gibt keinen Stoff für eine Polemik her. Er war im Militärdienst und hatte im Sommer Rückenprobleme. Da ist die «Null-Bilanz» (kein Tor, kein Assist in sechs Partien) kein Grund für eine grössere Geschichte.
Bemerkenswert ist hingegen das Aufbautraining für Inti Pestoni. Er ist in Ambri gross geworden und hat dort in den letzten sechs Jahren fünfmal mehr als 20 Skorerpunkte gebucht und oft den gelben Helm des Topskorers getragen. Letzte Saison erreichte er mit 40 Punkten in 50 Qualifikationspartien Karriere-Bestleistung. In 331 NLA-Partien hat er für Ambri 227 Punkte produziert. Aber bei den ZSC Lions war er diese Saison bisher bloss ein Hinterbänkler. 10 Spiele, ein Tor und ein Assist.
Die ZSC Lions haben Inti Pestoni im Sommer für drei Jahre verpflichtet. Er soll in Zürich eine zentrale Rolle übernehmen. Davon kann keine Rede sein. Ein Stammplatz im ersten Sturm ist fast so weit weg wie die NHL. Er wird voraussichtlich erst nach der Nationalmannschaftspause im November wieder eingesetzt. Was ist los?
Sportchef Edgar Salis sagt, Inti Pestoni brauche erst einmal Grundlagentraining. «Er wird in den nächsten zehn Tagen zweimal täglich unter Aufsicht im Kraftraum arbeiten und nicht aufs Eis gehen. In etwa zehn Tagen wird er wieder auf dem Eis trainieren. Alleine unter Aufsicht des Trainers und nicht mit der Mannschaft. Ich gehe davon aus, dass er dann nach der Nationalmannschaftspause wieder ins Team zurückkehrt.» Das Comeback ist also für den 11. November gegen Ambri zu erwarten. Inti Pestoni muss für gut drei Wochen dem Spielbetrieb fernbleiben – er ist sozusagen in den WK eingerückt.
Edgar Salis sagt, das Training sei für Inti Pestoni so intensiv, dass Spiele in dieser Phase keinen Sinn machen. «Er wäre nicht spritzig genug und würde nur noch mehr Selbstvertrauen verlieren.» Die ZSC Lions sind in der komfortablen Lage, einen wichtigen Spieler über einen längeren Zeitraum hinweg, zwecks Sondertrainings, nicht einsetzen zu müssen.
Wenn einer mit 25 nicht austrainiert und fit genug für die NLA ist, dann drängt sich die Frage an den ZSC-Sportchef auf: Hat Inti Pestoni in Ambri über die Jahre im Sommer mehr grilliert als trainiert? «Wenn ich Journalist wäre, würde ich diese Frage auch stellen. Sie werden aber verstehen, dass ich auf eine so provokative Frage keine Antwort geben möchte.»
Ist akzeptiert. Andere Frage: Ist der freundliche Flügelfloh (173 cm/80 kg) womöglich zu leicht und zu fragil, um in einem Spitzenteam ein Leitwolf zu sein? «Nein, das ist es nicht» sagt Edgar Salis. «Inti Pestoni ist robust. Er muss nur besser trainieren.»
Diese ungenügende Fitness dürfte der Grund sein, warum ein so produktiver Stürmer noch nie eine WM bestritten hat. In den letzten fünf Jahren ist Inti Pestoni im November, Dezember und Februar zu mehr als 20 «Operetten-Länderspielen» aufgeboten worden. Für die WM war er nie ein Thema.
Edgar Salis hat die Absicht des Chronisten längst durchschaut. Er will nicht, dass es eine Story wird, die Inti Pestoni als trainingsfaulen Lateiner beschreibt, der nach Zürich kommen musste, um endlich ein richtiger Profi zu werden. «Er versteht unsere Massnahme und ist sehr motiviert. Er ist ja zu uns gekommen, um sich weiterentwickeln zu können.» Inti Pestoni sei ein Musterprofi.
Edgar Salis ist gewillt, viel Zeit ins «Projekt Pestoni» zu investieren. Einen Transfer im Laufe der Saison oder überhaupt vor Vertragsende (im Frühjahr 2019) schliesst er aus. «Wir sind von Inti Pestoni überzeugt und deshalb sind wir geduldig.»
Kein Schelm, wer jetzt denkt, Inti Pestoni sei halt ein trainingsfaules Genie gewesen, das vor allem im Sommer im Training zu sich selber gnädig war. Er war es wohl tatsächlich bis zu einem gewissen Grade. Weil er so talentiert ist, reichte es trotzdem, um in Ambri einer der Besten und ein Dorfkönig zu sein. Er hat Glück, dass er für seine Weiterentwicklung die ZSC Lions als neuen Arbeitgeber gewählt hat. Erstens hat kein anderer NLA-Sportchef eine so hohe Sozialkompetenz wie der gelernte Sozial-Pädagoge Edgar Salis.
Zweitens ist keine andere NLA-Mannschaft so gut besetzt, dass es sich der Sportchef leisten kann, einen seiner teuersten Transfers für die Dauer eines WK zu einem Grundlagentraining abzukommandieren.