41 der 92 an der WM verbliebenen Spieler stehen in der englischen Premier League unter Vertrag, keiner des englischen 23-Mann-Kaders ist in der Fremde engagiert. «Warum so viele in England spielen? Weil wir am meisten Geld zahlen», sagte Gareth Southgate pragmatisch. Die Entwicklung, welche in der Vergangenheit wegen der angeblich (zu) grossen Konkurrenz für englische Nachwuchsspieler oft als Grund für ein frühzeitiges Scheitern herhalten musste, scheint in Russland dem heimischen Nationalteam zugute zu kommen.
Vor allem der Einfluss ausländischer Trainer hinterlässt Spuren. «Für unsere jungen Spieler ist es toll, dass so hervorragende Trainer wie Pep Guardiola und andere mit ihnen arbeiten», sagte Southgate nach dem Halbfinal-Einzug. Nicht aber das vom Spanier Guardiola trainierte Manchester City, Manchester United oder Chelsea (je 7), sondern Tottenham Hotspur stellt das grösste Kontingent an Spielern in den Halbfinals (9).
Tuesday's #WorldCup semi-final pits two of the #PL's top goalkeepers against each other...
— Premier League (@premierleague) 10. Juli 2018
Hugo Lloris of @SpursOfficial and #FRA... pic.twitter.com/43BME8HwTl
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Der Einfluss keines anderen Klub-Trainers ist so gross wie derjenige von Mauricio Pochettino, dem 46-jährigen Argentinier, der als Spieler 2002 selbst an einer WM teilnahm. Heute stehen sich sich Hugo Lloris (Frankreich) und Toby Alderweireld, Jan Vertonghen und Moussa Dembélé (alle Belgien) gegenüber, für die «Three Lions» sind am Mittwoch gegen Kroatien mit Harry Kane, Dele Alli, Kieran Trippier, Eric Dier und Danny Rose fünf weitere Tottenham-Akteure im Einsatz. Und auch Kyle Walker hat bis 2017 bei den «Spurs» gespielt.
Nur von Englands Gegner Kroatien steht niemand bei Tottenham unter Vertrag, Captain Luka Modric spielte aber einst vier Jahre für die Londoner, ehe er 2012 für rund 40 Millionen Franken zu Real Madrid wechselte.
Gerade für Southgate ist Pochettino eine wichtige Bezugsperson, bildet doch die Tottenham-Achse das Rückgrat des englischen Teams. Harry Kane ist der unumstrittene Leader der jungen Löwen und mit sechs Treffern ihr Goalgetter. Der elegante, technisch überdurchschnittliche Spielmacher Dele Alli gilt neben Kane als das grösste Versprechen des englischen Fussballs. Der Sohn eines Nigerianers und einer Engländerin fand nach einer Oberschenkelverletzung in der Vorrunde erst in der K.o.-Phase den Tritt und schoss gegen Schweden das 2:0.
Während der nicht zur Stammformation gehörende Eric Dier mit dem letzten Penalty gegen Kolumbien einen gewichtigen Anteil am Ende des englischen Traumas vom Penaltypunkt hatte, ist Kieran Trippier eine der Entdeckungen des Turniers. Der 27-jährige Defensivakteur im rechten Couloir ist ein Spätzünder. Ausgebildet bei Manchester City, schaffte er den Durchbruch bei den Citizens nicht, ehe er via Umweg 2015 den Weg zu Tottenham fand. Während er im Klub zwischen Bank und Stammplatz pendelt, ist er unter Southgate gesetzt. In England schwärmen sie vom besten Flankengeber seit David Beckham.
Kane, Alli, Dier, Trippier, Walker, Rose, sie alle reiften bei Tottenham unter Pochettino zu Nationalspielern. «Ich habe unter ihm sehr viel gelernt», sagte Kane stellvertretend für seine Kollegen. Die «Spurs» sind das konstanteste Team der letzten Jahre: Platz 5, Platz 3, Platz 2 und Platz 3 lauteten die Klassierungen seit der Ankunft von Pochettino 2014 im Nordosten Londons. Auch in der Champions League entwickelte sich das Team Schritt für Schritt weiter, bezwang letzte Saison zuhause Real Madrid, ehe in den Achtelfinals gegen Juventus Turin das knappe Aus folgte.
Experten trauen Tottenham zu, in der kommenden Saison ein ernsthaftes Wort um den Titel mitreden zu können. Die Entwicklung und die Erfolge wecken allerdings Begehrlichkeiten. Vor allem Kane, der in vier Premier-League-Saisons über 100 Tore schoss, ist in aller Munde und wird mit Real Madrid in Verbindung gebracht. Tottenham-Klubbesitzer Daniel Levy, seit 2001 im Amt, gilt als vernünftiger Geschäftsmann, der den Irrsinn der Preistreiberei nicht grenzenlos mitmacht.
Können er und Pochettino, der seinen Vertrag unlängst bis 2023 verlängert hat, die Mannschaft zusammenzuhalten, ist die Chance gross, dass Tottenham nicht nur um den Titel spielt, sondern in vier Jahren in Katar auch wieder einen grossen Anteil an WM-Teilnehmern stellt. (pre/sda)