Mal toben die Berner, die sich um die Königs-Chance von Fabian Staudenmann betrogen fühlen. Der Nordostschweizer Werner Schlegel ärgert sich lautstark über die Kampfrichter. Joel Wicki, der Schwingerkönig von 2022, hadert mit deren Entscheidungen – auch deshalb verpasst er die Titelverteidigung.
Nach dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Mollis feiern der Bündner Armon Orlik und die meisten der 39 anderen Schwinger mit einem Kranz. Vor allem aber wird im Emmental und im Entlebuch, im Toggenburg und im Berner Oberland darüber diskutiert, was alles hätte sein können.
Das ist grundsätzlich wunderbar und gehört zu jedem populären Sport. Erst recht zu einem, der das geniale Prinzip der Einteilung besitzt. Aber dass in einer Welt hochauflösender TV-Bilder so viele vermeintliche Fehlentscheide den Ausgang des Fests beeinflussen wie an den zwei Tagen in Mollis, ist ein Ärgernis.
In einer nicht repräsentativen watson-Umfrage finden zwei Drittel der über 15'000 Teilnehmenden, das Schwingen brauche einen Videobeweis (28 %), beziehungsweise man solle es wenigstens einmal versuchen (36 %). Nur etwa jeder Vierte will, dass alles so bleibt, wie es ist.
So könnte sich das Schwingen öffnen.
Fehler wird es immer geben, wo Menschen ein Urteil fällen müssen. Die Verbände könnten in die Aus- und Weiterbildung der Kampfrichter investieren, um die Fehleranzahl zu verringern. Und die Unparteiischen besser für ihren Einsatz entschädigen, um den Posten attraktiver zu machen.
Es ist klar, dass in einem Sport, in dem nicht einmal die Athleten Profis sind (zumindest nicht offiziell), die Kampfrichter auch keine Profis sein können. Aber zumindest verbessern liesse sich die Situation wohl.
Heute leitet ein Kampfrichter den Gang im Sägemehl und zwei verfolgen ihn an einem Tisch sitzend. Gemeinsam bestimmt das Trio über die Note.
Warum werden die Kampfrichter nicht besser verteilt, um das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven zu sehen? Also: zwei im Ring, einer am Tisch. Weder braucht diese Lösung mehr Kampfrichter noch zusätzliche Technik.
Für die Saison 2026 sind laut Arnold Forrer, dem Schwingerkönig von 2001, entsprechende Tests angedacht. Es gibt dafür aber keine offizielle Bestätigung und es ist daher auch noch nicht bekannt, an welchen Festen die neue Aufteilung der Kampfrichter ausprobiert wird.
Am Kampfrichtertisch läuft die Übertragung des Gangs. Ist ein Schwinger überzeugt, dass er den Gegner auf dem Rücken hatte, der Kampfrichter das aber nicht sah, kann der Schwinger eine Challenge verlangen. Die drei Kampfrichter am Ring analysieren die Aufnahmen und fällen ihr Urteil.
Liegt der Schwinger richtig, wird der Entscheid entsprechend gefällt. Liegt er falsch, wird der Gang fortgesetzt – und dem Schwinger wird ein Viertelpunkt abgezogen. So wird verhindert, dass die Challenge nicht aus taktischen Gründen genommen wird, sondern nur, wenn der Athlet sich sehr sicher fühlt.
Nicht der Schwinger wird aktiv, sondern die Kampfrichter von sich aus. Bei unklaren Szenen können sie am Tisch die Aufnahme anschauen – ohne Einflüsterer aus einem VAR-Raum, denn den einzurichten wäre zu aufwändig.
Die Kampfrichter erhalten 30 Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen. Fällen sie keine, lag wohl kein offensichtlicher Fehler vor, weshalb der Gang weitergeht. Dadurch wird verhindert, dass die Unterbrüche zu lange dauern.
Ein revolutionärer Ansatz: weniger Technik als mehr. Sobald der Gang entschieden wird, schaltet die Regie von einer Nahaufnahme auf eine Kamera-Einstellung, die die Schwinger von weiter weg zeigt. Denn: Sieht man es nicht genau, akzeptiert man den Entscheid des Kampfrichters viel eher. Auch Zeitlupen und Superzeitlupen würden gestrichen.
Beim Fussball wäre so etwas völlig undenkbar. Aber beim Schwingen, das Traditionen hochhält und bei dem sowieso vieles im Unklaren bleibt (Warum wurden Schlegel und Giger dem späteren König Orlik für den Schlussgang vorgezogen?), könnte das passen.