Er ist nicht nur der Chouchou des Publikums, sondern erfreut sich auch unter den Kollegen grosser Beliebtheit: Seit 2004 wurde er 13 Mal mit dem Stefan-Edberg-Award ausgezeichnet, gewählt von den Konkurrenten, honoriert für professionelles Verhalten, für Integrität und seine Verdienste neben dem Tennisplatz. Obwohl er sich in anderen Sphären bewegt als das Gros seiner Konkurrenten, ist er in all den Jahren einer von ihnen geblieben. Einer, der sich für das Wohl des Tennis einsetzt. Einer, dem nicht egal ist, was aus dem Sport wird, wenn er ihn dereinst verlässt.
Sechs Jahre präsidierte er den Spielerrat. Mit seinen Kollegen erreichte er eine signifikante Erhöhung der Preisgelder für Spieler, die bereits in den ersten Runden eines Turniers scheitern und denen der grosse Zahltag verwehrt bleibt. «Es gibt keinen, der Roger ersetzen könnte. Was er für den Sport bedeutet und was er in Verhandlungen an Einfluss einbringt, ist einmalig», sagte Vize-Präsident Sergei Stachowski, als Federer 2014 zurücktrat.
Ein offizielles Amt bekleidet Federer zwar nicht mehr, aber sein Wort hat noch immer Gewicht. «Sein Einfluss ist gross», sagte jüngst Jamie Murray. Jeder sei ihm dankbar für das, was er für sie erreicht habe. Noch steht das Männer-Tennis in einer goldenen Ära. Noch rollt der Rubel. Noch immer dreht sich die Preisgeldspirale rasant nach oben.
53 Millionen Dollar Preisgeld werden bei den US Open ausgeschüttet. 3,8 Millionen erhalten die Sieger der Einzel. Doch das Ende rückt näher: Roger Federer ist 37, Rafael Nadal 32, Novak Djokovic und Andy Murray 32. Noch ist nicht absehbar, was passiert, wenn sie abtreten und das Feld Jüngeren überlassen.
Sicher ist: Auf politischer Ebene befindet sich das Tennis in einer fundamentalen Umwälzung. Der immer weiter marginalisierte Davis Cup wird ab 2019 in einer Finalwoche Ende November ausgespielt. Doch der Termin ist nicht in Stein gemeisselt. Barcelona-Fussballer Gerard Piqué, der das Format mit seiner Kosmos-Gruppe propagiert, schwebt ein Termin im September vor. Das entspreche auch dem Wunsch der Spieler. Er tritt damit in unmittelbare Konkurrenz mit dem Projekt, das Federer als seine «Herzensangelegenheit» bezeichnet: dem Laver Cup. Im politischen Wettstreit hat Piqué offenbar vorgelegt: Er steht seit Monaten mit der ATP im Dialog.
Dass die Organisatoren des Laver Cups den Austragungsort Genf für das kommende Jahr kurz nach Annahme der Davis-Cup-Reform und damit ungewohnt früh bestätigten, darf durchaus als Reaktion darauf verstanden werden. Die Botschaft: Wir geben den Termin nicht kampflos her. Federer sagte: «Für uns Tennis-Spieler ist es komisch, einen Fussballer in unserer Welt zu haben.» Und Federer sagte, Piqué müsse vorsichtig sein, was er wie sage. Das sind ungewohnt deutliche Worte
Seit zwei Jahrzehnten ist Federer mit der Tennis-Karawane unterwegs. Keiner hat sie in dieser Zeit mehr geprägt als er. Auf ihn geht auch eine Sonderregelung zurück, welche die ATP vor einigen Jahren einführte. Die «Lex Federer» räumt verdienten Spielern mehr Freiraum in der Gestaltung ihres Turnierkalenders ein und befreit jene, die über 30 Jahre alt sind, zwölf Jahre auf der Tour sind oder über 600 Spiele gewonnen haben, von der Teilnahme-Pflicht bei den Masters-1000-Turnieren
Die Rolle als Wortführer hat er längst verinnerlicht. Doch viel lieber als auf der grossen Bühne übt Roger Federer seinen Einfluss im Hintergrund aus – integrativ, ausgleichend. Jüngst beklagte er, die Jungen würden sich zu wenig einbringen. «Sie werden von den Eltern und Agenten abgeschottet und konzentrieren sich auf ihre Karriere.» Er hingegen kann es sich nicht erlauben, zu politischen Fragen im Welttennis keine dezidierte Meinung zu haben.
Roger Federer vereint Attribute auf sich, die ihn zum perfekten Politiker machen: fair im Umgang, aber hart in der Sache. Dabei stets diplomatisch und um Konsens bemüht. 2011, als er noch im Kanton Schwyz wohnte, erhielt er bei den Ständerats-Wahlen immerhin 132 Stimmen. Doch zu politischen Fragen hat und wird er sich nie äussern. «Es gibt viele Dinge, von denen andere mehr verstehen als ich», sagt er. Den Politiker Federer gibt es also nur in Tennis-Fragen. Dort dafür mit Herzblut.