2009 lief Usain Bolt die 100 Meter in 9,58 Sekunden. Nie wurde ein Mensch auf dieser Strecke schneller gemessen – Bolt war bei seinem Rekordlauf mit durchschnittlich 37,58 km/h unterwegs, seine Spitzengeschwindigkeit lag über 47 km/h.
Im Vergleich zu den schnellsten Tieren ist Bolt freilich eine Schnecke. Menschen sind eher Allrounder als Spezialisten, die in einer Disziplin herausragen. Und sie sind eindeutig bessere Langstreckenläufer als Sprinter – wie die sogenannte Ausdauerjagd zeigt, die heute noch bei den San im südlichen Afrika betrieben wird. Dabei hetzt der Jäger seine Beute in der Hitze des Tages so lange, bis sie erschöpft zusammenbricht. Aber auch bei der Ausdauer findet der Mensch im Tierreich seinen Meister – Dromedare zum Beispiel können bis zu 18 Stunden lang ein Tempo von 16 km/h durchhalten.
Wenn man Rekorde in der Tierwelt vergleicht, gibt es allerdings gewaltige Unterschiede zwischen den absoluten und den relativen Zahlen. Ein Elefantenbulle kann mit seinem Rüssel bis zu 400 Kilogramm heben, wiegt aber selber bis zu 6,5 Tonnen. Das Gewicht, das ein Nashornkäfer stemmen kann, ist vergleichsweise winzig – aber es ist das 850-Fache seines eigenen Gewichts.
Dies hat einen physiologischen Grund: Die Kraft nimmt proportional zur Fläche des Muskelquerschnitts zu. Die Fläche nimmt jedoch bei wachsender Körpergrösse weniger schnell zu – nämlich im Quadrat – als das Volumen, das im Kubik wächst. Das heisst: Ein grösserer Muskel ist relativ zu seiner Masse schwächer als ein kleinerer. Ohnehin leben kleine Tiere und grosse Tiere gewissermassen in verschiedenen Welten: Die Lebensbedingungen der Grossen werden durch die Schwerkraft diktiert, die masseabhängig ist. Jene der Keinen hingegen sind durch die oberflächenabhängigen Reibungskräfte bestimmt.
Wenn wir also hier ein paar spektakuläre tierische Rekorde vermelden, tun wir das mit einem Augenzwinkern und im Bewusstsein, dass hier Äpfel und Birnen verglichen werden.
Misst man die Geschwindigkeit in absoluten Zahlen, geht der Pokal an einen Vogel, nämlich an den Wanderfalken (Falco peregrinus). Im Sturzflug erreicht dieser Beutegreifer 320 km/h. Umgerechnet sind das etwa 153 Körperlängen pro Sekunde. Würde ein 1,8 Meter grosser Mensch eine solche relative Geschwindigkeit erreichen, wäre er mit fast 1000 km/h unterwegs.
In relativen Zahlen sieht das jedoch ganz anders aus: 153 Körperlängen pro Sekunde sind gar nichts im Vergleich zu den fast 500, die das schnellste Säugetier erreicht. Das ist aber nicht etwa der Gepard, wie man vermuten könnte. Es handelt sich vielmehr um die nur etwa neun Zentimeter grosse Mexikanische Bulldoggfledermaus, auch Brasilianische Bulldoggfledermaus (Tadarida brasiliensis) genannt. Im Horizontalflug ist sie 160 km/h schnell. Ihre Geschwindigkeit wird nur knapp vom Stachelschwanzsegler übertroffen, dem schnellsten Vogel im Horizontalflug. Ein Mensch mit der relativen Geschwindigkeit dieser Fledermaus wäre knapp 3200 km/h schnell.
Das schnellste Landtier ist eine Katze: Der Gepard (Acinonyx jubatus) erreicht bis zu 120 km/h – allerdings nur über wenige Sekunden hinweg. Während eines solchen High-Speed-Sprints befindet sich sein Körper länger in der Luft als auf dem Boden. Körperlängen pro Sekunde schafft der Gepard 16 oder 20, je nachdem, ob der Schwanz mitgerechnet wird. Ein Mensch, der mit 20 Körperlängen pro Sekunde rennen könnte, würde etwa 130 km/h erreichen.
Ob Paratarsotomus macropalpis wohl als Landtier bezeichnet werden kann? Eigentlich schon – diese südkalifornische Milbenart bewegt sich freilich in Dimensionen, die von blossem Auge schon fast nicht mehr erkennbar sind. Das flinke Tierchen kann in einer Sekunde 322 Körperlängen zurücklegen. Das sind in absoluten Zahlen lediglich 0,225 m/s oder 0,81 km/h, denn Paratarsotomus macropalpis ist nur 0,7 Millimeter lang. Ein Mensch, der mit der relativen Geschwindigkeit der Milbe rennen würde, wäre 2086 km/h schnell.
Der Gepard hält seine Spitzengeschwindigkeit jeweils nur kurz durch. Anders der Gabelbock (Antilocapra americana): Dieser nordamerikanische Paarhufer erreicht bis zu 85 km/h, die er über 5 Kilometer durchhalten kann. Dies entspricht knapp 16 Körperlängen pro Sekunde. Eine etwas gemächlichere Gangart von 65 km/h schafft er über die Distanz von 11 Kilometern hinweg.
Der Fächerfisch (Istiophorus platypterus), der auch unter dem Namen Segelfisch bekannt ist, dürfte der schnellste Fisch sein: Er soll Geschwindigkeiten bis zu 110 km/h erreichen – bei einer durchschnittlichen Körperlänge von 2,5 Metern wären das 12 Körperlängen pro Sekunde. Wie bei anderen sehr schnellen Fischen, etwa dem Schwarzen Marlin oder dem Gestreiften Marlin, gibt es aber begründete Zweifel an diesen Rekordzahlen – nach einer rezenten Studie soll der Raubfisch lediglich maximal 45 km/h schnell sein. Das wäre immer noch bedeutend schneller als der schnellste menschliche Schwimmer: Knapp 8 km/h schaffte César Cielo 2009 bei seinem Weltrekord über 100 Meter Freistil. Der 1,95 Meter grosse Brasilianer benötigte für die Strecke 46,91 Sekunden – das entspricht etwa 1,1 Körperlängen pro Sekunde.
Delfine, Schweinswale und Schwertwale sind Fleischfresser; bei der Jagd können diese Meeressäuger hohe Geschwindigkeiten erreichen. Der schnellste von ihnen ist vermutlich der Gemeine Delfin (Delphinus delphis), der bis zu 64 km/h – oder 8,4 Körperlängen pro Sekunde – schafft.
Die grösste Echse Australiens, der Riesenwaran (Varanus giganteus), ist auch die schnellste, und zwar weltweit. Das Reptil kann bis zu zwei Meter lang werden; manchmal rennt es aufrecht auf den Hinterbeinen. In vollem Lauf können diese schlanken, agilen Warane um die 40 km/h erreichen. Dies entspricht 5,5 Körperlängen pro Sekunde.
Die vollkommen ans Leben im Meer angepasste Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die grösste Schildkröte überhaupt, schlüpft zwar an Land, verbringt aber den Rest ihres Lebens im Ozean. Das Reptil ist ein ausgezeichneter Taucher und stösst bis in Tiefen von 1200 Meter vor. Ihr hydrodynamisch geformter Körper macht sie zu schnellen Schwimmern; sie erreichen bis zu 35 km/h oder knapp 4 Körperlängen pro Sekunde.
Der grösste Vogel ist auch der schnellste: Der flugunfähige Afrikanische Strauss (Struthio camelus) erreicht im Spurt eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 7,7 Körperlängen pro Sekunde, das sind 70 km/h – Rekord für zweibeinige Läufer. Aber auch als Dauerläufer zeigt der Laufvogel eine beeindruckende Leistung: Er kann eine halbe Stunde lang ein Tempo von etwa 55 km/h durchhalten.
Pinguine sind flugunfähig, aber dafür an das Leben im Wasser angepasst. Der exzellenteste Schwimmer von ihnen ist der Eselspinguin (Pygoscelis papua), der je nach Quelle 36 oder 27 km/h Spitzengeschwindigkeit erreichen kann. Dies entspricht 11 bzw. 8,3 Körperlängen pro Sekunde. Im Schnitt begnügt sich dieser Pinguin, der bis zu 200 Meter tief tauchen kann, allerdings mit einer Geschwindigkeit von 6 km/h.
Die schnellsten Flieger im Insektenreich sind die Libellen. Möglicherweise die schnellste von ihnen ist die in Ostaustralien vorkommende Austrophlebia costalis, der in unbestätigten Berichten eine Fluggeschwindigkeit von beinahe 100 km/h attestiert wurden. Realistischer dürften eher Höchstgeschwindigkeiten von etwa 55 km/h sein. Das sind immer noch stolze rund 180 Körperlängen pro Sekunde.
Mehrere Gattungen der Sandlaufkäfer (Cicindelinae) können sich am Boden sehr schnell fortbewegen, einige sind auch ausgezeichnete Flieger. Die räuberischen Insekten gelten als die schnellsten Läufer des Insektenreichs, besonders die flugunfähige Art Rivacindela hudsoni, die in Südaustralien vorkommt. Sie erreicht eine Geschwindigkeit von 9 km/h – das entspricht etwa 120 Körperlängen pro Sekunde.
Als Bonus zum Abschluss in der Kategorie Geschwindigkeit noch die vermutlich schnellste Krabbe: Die Gehörnte Geisterkrabbe (Ocypode ceratophthalmus), auch Hornaugen-Sandkrabbe genannt, soll eine Geschwindigkeit von rund 100 Körperlängen pro Sekunde erreichen. Das sieht ziemlich beeindruckend aus:
Noch immer hält Javier Sotomayor den Weltrekord im Hochsprung: 2,45 Meter übersprang der Kubaner 1993. Kein Mensch sprang bisher höher. Die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) schafft dagegen nur 70 Zentimeter – das sieht nicht nach viel aus. Zieht man jedoch die Grösse dieses Insekts in Betracht, sieht die Sache anders aus: Die 5 bis 6 Millimeter grosse Zikade erreicht im Hochsprung etwa das 117-Fache ihrer Grösse. Würde der 1,93 Meter grosse Sotomayor so hoch springen, läge der Weltrekord im Hochsprung derzeit bei 225,8 Metern. Das ist höher als der im Bau befindliche Roche-Turm (Bau 2) in Basel. Die Wiesenschaumzikade schlägt im Hochsprung sogar den Floh, der traditionell als Topathlet in dieser Disziplin galt.
In absoluten Zahlen hält aber ein anderes Tier den Rekord. Es ist eine afrikanische Antilopen-Art, der Klippspringer (Oreotragus oreotragus), die eine Sprunghöhe von 8 Metern erreichen soll. Die zierlichen Tiere sind selber nur gerade 1 Meter gross (Schulterhöhe knapp 60 Zentimeter); sie springen also so hoch wie das 8-Fache ihrer Körpergrösse.
Auch der Weltrekord im Weitsprung datiert aus dem letzten Jahrhundert: 1991 sprang der Amerikaner Mike Powell 8,95 Meter weit. Wie beim Hochsprung ist diese Marke wenig eindrücklich, wenn man sie mit den Leistungen von Sprungspezialisten aus dem Tierreich vergleicht. In absoluten Zahlen dürfte es der Schneeleopard (Panthera uncia) sein, der hier den Pokal erhält: Dem Irbis, wie die im zentralasiatischen Hochgebirge lebende Katze auch genannt wird, werden Sprünge von 15 Meter Weite nachgesagt, die allerdings nicht belegt sind. Sollten sie zutreffen, spränge der Schneeleopard 11,5 Mal so weit wie seine Körperlänge (ohne Schwanz). Wenn der lange Schwanz mitgerechnet wird, wäre es immer noch das 6,5-Fache. Zum Vergleich: Der 1,88 Meter grosse Powell sprang so weit wie das 4,8-Fache seiner Körperlänge.
Naturgemäss sind es wiederum Winzlinge, die bei den relativen Zahlen obenaus schwingen. Rekordhalter dürfte hier der Floh sein, der 60 Zentimeter weit springen kann. Dies entspricht bei einer Körpergrösse von rund 4 Millimetern etwa dem 150-Fachen der eigenen Länge.
Den aktuellen Weltrekord im Gewichtheben hält der Georgier Lascha Talachadse. Der selbst 156 Kilogramm schwere Mann schaffte 2019 im Stossen 264 Kilogramm – also rund das 1,7-Fache seines eigenen Gewichts. Ein ausgewachsener männlicher Gorilla (Gorilla) ist schwerer – in freier Wildbahn um die 200 Kilogramm, in Gefangenschaft sogar bis zu 350 Kilogramm – kann aber ein Gewicht von nicht weniger als 900 Kilogramm heben, also das 4,5- bzw. 2,6-Fache des eigenen Körpergewichts.
Solche Gewichte sind – in Bezug gesetzt zum eigenen Körpergewicht – Peanuts für eine Rote Waldameise (Formica rufa). Das lediglich 7 Millimeter grosse Insekt stemmt locker das 30- bis 50-fache seines Körpergewichtes. Aber auch diese ansehnliche Leistung verblasst neben jener, die dem Nashornkäfer (Oryctes nasicornis) nachgesagt wird: Dieser Vertreter der Blatthornkäfer soll das 850-Fache seines eigenen Körpergewichts stemmen können. Ein 75 Kilogramm schwerer Mensch müsste knapp 64 Tonnen heben, um diesen Rekord zu egalisieren.