Blogs
Sektenblog

Sektenblog: Wir sagen euch, warum Gott einen Bart hat

Gott, der Mann mit dem Bart: Detail von Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle.  
Gott, der Mann mit dem Bart: Detail von Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle.
bild: startalkradio
Sektenblog

Warum hat Gott eigentlich einen Bart? Weil ... ich auch einen habe!

08.07.2016, 15:0408.07.2016, 16:27
Mehr «Blogs»

Die einen verehren Gott, die anderen wollen ihn totschlagen. Wieder andere töten für Gott, oder sie halten Gott für einen Mythos, der viel Leid in die Welt gebracht hat und immer noch bringt.

Kurz: Gott lässt keinen kalt, auch nicht die Atheisten.

Die Krux beginnt mit der Frage: Wer ist Gott, was ist Gott, über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt er, ist er der Schöpfer, der barmherzige Vater, der seinen Sohn für uns geopfert hat, wie das Christentum glaubt?

Da der Mensch Gott nicht wahrnehmen kann, ist er dazu verdammt, sich ein Bild von ihm zu machen.

... und wenn es ihn gar nicht gibt?

Nicht auszudenken, wenn es ihn denn gar nicht gäbe. Dann hätten wir vergeblich unzählige Glaubenskriege geführt, unser Leben auf ihn ausgerichtet, ihn angebetet, Pyramiden, Tempel und Kirchen für ihn gebaut, heilige Bücher geschrieben, Bibliotheken mit religiösen Werken gefüllt, Millionen von Gottesdiensten abgehalten, Milliarden gespendet.

Ja, Gott und der Mensch – eine unendliche Geschichte voller Hoffnung, Sehnsucht, Leiden und Tragik. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Mensch seit Jahrtausenden vergeblich versucht, die Existenz Gottes zu beweisen.

Sektenblog

Da der Mensch Gott nicht wahrnehmen kann, ist er dazu verdammt, sich ein Bild von ihm zu machen. Doch wie stellt man sich ein Wesen vor, das ein ganzes Universum erschaffen kann? Das allmächtig ist? Wie gross muss ein solches Wesen sein? So klein wie ein Glühwürmchen? So gross wie ein Mensch? Grösser als der Eiffelturm? Halb so gross wie das Universum?

Vielleicht so?

Animiertes GIFGIF abspielen
gif: watson

Die Autoren der Bibel haben das Dilemma erkannt. Wer sich nämlich mit der Frage nach Form und Aussehen von Gott befasst, kommt zwangsläufig ins Grübeln. Und Nachdenken ist die erste Stufe der Skepsis. Deshalb steht in der Bibel:

«Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild, weder dessen, was oben im Himmel, noch dessen, was unten auf Erden, noch dessen, was in den Wassern unter der Erde ist; du sollst sie nicht anbeten und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Geschlecht an den Kindern derer, die mich hassen, der aber Gnade übt bis ins tausendste Geschlecht an den Kindern derer, die mich lieben und meine Gebote halten.»
Ex 20,4–6; Zürcher Bibel

Das ist harter Stoff.

Wir lernen: Ich darf mir kein Bild von Gott machen. Und: Gott ist eifersüchtig und tritt als Rächer auf. Barmherzig ist er nur mit denen, die ihn lieben.

Wie gross muss ein solches Wesen sein? So klein wie ein Glühwürmchen? So gross wie ein Mensch? Grösser als der Eiffelturm? Halb so gross wie das Universum?

Wir können gar nicht anders!

Die Autoren der Bibel schiessen damit ein Eigentor. Denn wir Menschen sind gezwungen, uns Bilder zu machen. Unser Hirn ist so programmiert. Ohne Bilder können wir nicht logisch denken. Und somit auch nicht lernen. Wir müssen in Bildern denken, um etwas zu begreifen und in unser Bewusstsein integrieren zu können. Analogien und Vergleiche sind die wichtigsten Instrumente beim Lernen.

Das erklärt das Geheimnis, weshalb Gott einen Bart hat, zwei Hände und zwei Füsse besitzt. Wir können nicht anders, als uns Gott mit Bart vorzustellen. Dieses Dilemma spürten die Bibelautoren. Sie griffen zu einem Trick, um es zu lösen: Sie erklärten kurzerhand, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Somit war die Kirche wieder im Dorf.

Sie sind einfach göttlich: Die bärtigen Männer an der US-Bart-Meisterschaft

1 / 29
Haarige Angelegenheit: Das Teilnehmerfeld der US-Bart-Meisterschaften 2015
Einmal im Jahr werden in New York die kreativsten Gesichtsbehaarungen in verschiedenen Kategorien gekürt. Dieser Herr – Alfred Nash – hat soeben den ersten Preis im English-Moustache-Wettbewerb abgestaubt.
quelle: epa/epa / peter foley
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Ihre Erklärung ist allerdings nicht plausibel. Das hat schon der griechische Philosoph Xenophanes vor 2500 Jahren erkannt. Er kam zu folgendem Schluss: Könnte ein Pferd zeichnen, sähe Gott pferdeähnlich aus. Und hätte ein Löwe Hände wie ein Mensch, würde Gott einem Löwen gleichen.

Gott als Illusion gegen die Todesangst

Übersetzt heisst dies: Nicht Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, sondern der Mensch ist gezwungen, sich Gott in menschlicher Gestalt vorzustellen. Was aber die Frage nach seiner Existenz immer noch nicht beantwortet.

Immerhin macht diese Erkenntnis klar, dass wir der Bibel nicht blind glauben können. Und dass der von uns Menschen geschaffene Gott vielleicht nur eine Illusion ist, um die Todesangst zu bändigen.

Kleiner Bonus: Wenn ich Gott zeichnen müsste, hätte er auch einen Bart ;-)

Bild
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und auf Twitter folgen.

Und zu guter Letzt: Da hat's auch ein paar Männer mit Bart drunter. Aber sind sie deswegen Gott?

1 / 26
Und wie gebuildet bist du? 24 Gründe für (oder auch gegen) Beach Bodys.
Ronaldo ist ein total gebuildeter Mann.
quelle: men's health
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Von Religion bis zur Gotteslästerung
Gott ist Vater, Jesus ist Sohn – Moment, wo sind Mutter und Tochter?
314
Gott ist Vater, Jesus ist Sohn – Moment, wo sind Mutter und Tochter?
von Hugo Stamm
6 alttestamentarische Grausamkeiten und die Frage, ob Gott eher Psycho- oder Soziopath war
116
6 alttestamentarische Grausamkeiten und die Frage, ob Gott eher Psycho- oder Soziopath war
von Anna Rothenfluh
Rustikale Enthaltsamkeit! Eier abgeschnitten, Schwanz entfernt – aber ganz nah bei Gott!
36
Rustikale Enthaltsamkeit! Eier abgeschnitten, Schwanz entfernt – aber ganz nah bei Gott!
von Daniel Huber
Wegen «Kontrolle durch Männer»: Führung des Vatikan-Frauenmagazins gibt auf
1
Wegen «Kontrolle durch Männer»: Führung des Vatikan-Frauenmagazins gibt auf
Papst bittet Schweizer Missbrauchsopfer um Vergebung – und bezeichnet Täter als «Monster»
7
Papst bittet Schweizer Missbrauchsopfer um Vergebung – und bezeichnet Täter als «Monster»
30 Prozent aller Nonnen werden missbraucht. Doris Wagner war eine davon, sie befreite sich
51
30 Prozent aller Nonnen werden missbraucht. Doris Wagner war eine davon, sie befreite sich
von Simone Meier
Jesus, du nervst!
110
Jesus, du nervst!
von Anna Rothenfluh
Geblendet vom kosmischen Licht: Die Irrwege der Esoteriker
155
Geblendet vom kosmischen Licht: Die Irrwege der Esoteriker
von Hugo Stamm
Dieses ständige Religions-Bashing nervt: Glauben verdient unseren Respekt
439
Dieses ständige Religions-Bashing nervt: Glauben verdient unseren Respekt
von Kian Ramezani
Wie Gott uns die Theorie vom Urknall erzählt
88
Wie Gott uns die Theorie vom Urknall erzählt
von Hugo Stamm
Gottloses Europa: Diese Grafiken zeigen, warum sich das Christentum Sorgen machen muss
111
Gottloses Europa: Diese Grafiken zeigen, warum sich das Christentum Sorgen machen muss
von Daniel Huber
«Man muss sich eine ‹Schwulenheilung› wie eine psychische Vergewaltigung vorstellen»
126
«Man muss sich eine ‹Schwulenheilung› wie eine psychische Vergewaltigung vorstellen»
von William Stern
Wenn Politiker von «christlichen Werten» sprechen: Was zum Teufel soll das eigentlich sein?
125
Wenn Politiker von «christlichen Werten» sprechen: Was zum Teufel soll das eigentlich sein?
von Anna Rothenfluh
Folter, Mord und Führerkult: Wie aus einem deutschen Idyll in Chile ein Gottes-KZ wurde
11
Folter, Mord und Führerkult: Wie aus einem deutschen Idyll in Chile ein Gottes-KZ wurde
von Christoph Gunkel 
Gott ist tot – es leben die Götter!
94
Gott ist tot – es leben die Götter!
von Hugo Stamm
Wir haben endlich herausgefunden, was die Menschen auf diesen 12 mittelalterlichen Gemälden gedacht haben. Vielleicht
3
Wir haben endlich herausgefunden, was die Menschen auf diesen 12 mittelalterlichen Gemälden gedacht haben. Vielleicht
von Anna Rothenfluh
Luther, Gratulation zum Todesjubiläum, du asoziales Genie!
27
Luther, Gratulation zum Todesjubiläum, du asoziales Genie!
von Anna Rothenfluh
So unterdrücken Religionen die Sexualität ihrer Gläubigen und fördern Missbräuche 
153
So unterdrücken Religionen die Sexualität ihrer Gläubigen und fördern Missbräuche 
von Hugo Stamm
5 Punkte zum Islam, die wir mal endgültig klären sollten
62
5 Punkte zum Islam, die wir mal endgültig klären sollten
von Shamiran Stefanos 

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
183 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
saukaibli
08.07.2016 15:52registriert Februar 2014
Irgendwie schon gemein, wenn ich auch nur drei Wochen versuche die Existenz des Osterhasen zu beweisen, stecken die mich in die Klappsmühle. Wenn man aber über mehr als 3000 Jahre versucht Gott zu beweisen, passiert einem nichts.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
The Firefighter
09.07.2016 02:14registriert Januar 2016
Typisch Stamm: viel geschrieben, nix gesagt. Aber mal ehrlich, auch das ist eine Kunst und nicht jeder beherrscht sie.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Randy Orton
08.07.2016 22:38registriert April 2016
Herr Stamm, bitte schreiben Sie noch lange weiter. Ihre Kolumnen und Berichte über Religionen und andere menschengemachte Gedankenkonstrukte sind herrlich erfrischend, entlarvend und genau so pointiert geschrieben, dass sie zum Nachdenken und Diskutieren anregen, ohne überspitzt zu wirken. Vielen Dank!
10
Melden
Zum Kommentar
183
Ist eine Welt voller Elend und Leiden im Sinne von Gott?
Gläubige Christen singen gern das Hohelied der Natur und des Lebens an sich, das Gott ihnen geschenkt hat. Schliesslich steht in der Bibel, er habe die Welt in sechs Tagen erschaffen. Mit allem, was darauf kreucht und fleucht. Für sie ist unser Planet das Produkt der Schöpfung.
Zwar glauben nur noch beinharte Freikirchler an die Mär von den sechs Tagen, doch an der Idee der Schöpfung Gottes halten alle Strenggläubigen fest. Da die Wissenschaft errechnet hat, dass die Erde rund vier Milliarden Jahre alt ist, wenden viele Christen einen Trick an. Sie interpretieren die sechs Tage als Metapher und sprechen vom «intelligent design».
Zur Story