Religiöse Dogmen oder Heilsvorstellungen werden uns von klein auf mit einer solchen Selbstverständlichkeit erzählt, dass wir uns kaum Gedanken darüber machen. Die Eltern erzählen sie, die Religionslehrer, die Pfarrer, der Volksmund. Also integrieren wir die religiösen Geschichten in unser Bewusstsein, ohne zu fragen, was sie konkret aussagen, was sie bedeuten, ob sie stimmig, nachvollziehbar oder sinnvoll sind.
Und weil wir selten kritische Fragen stellen, entwickeln die religiösen Ideen ein Eigenleben und prägen unser Denken und unser Weltbild. Irgendwann empfinden wir die Dogmen als Wert an sich, der abgespalten wird von unserem Alltagsbewusstsein. Einem Bewusstsein, das geprägt ist von rationalen Aspekten und einem kritischen Geist.
Denn wären wir im zivilen Leben so leichtgläubig wie bei religiösen Fragen, wäre unser Dasein bald ein Alptraum. Uns würde der Realitätssinn fehlen, wir wären ziemlich orientierungslos und geistig nicht fit genug, um das Leben zu meistern.
Nehmen wir als Beispiel für den unkritischen Umgang mit religiösen Dogmen die Dreieinigkeit, wie sie im christlichen Glauben gelehrt wird. Also das Phänomen, dass Gott aus drei Wesen besteht: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Beginnen wir ganz vorn. Im Zentrum steht Gott Vater. Zu ihm gibt es ein paar einfache Fragen. Wie ist er entstanden? Hat er sich selbst erschaffen? Wie muss ich ihn mir vorstellen? Wieso hat er eine menschliche Gestalt? (Er hat uns angeblich nach seinem Ebenbild erschaffen.) Wo befindet er sich? Was macht er? Über welche Fähigkeiten und Mächte verfügt er? Welchen Einfluss übt er auf die Welt und das Leben der Menschen aus? Woher beziehen wir unsere Informationen über ihn?
Solche naheliegenden Fragen stellen uns oft Kinder. Erwachsene meist nicht mehr. Sie glauben, was die meisten glauben: dass die religiöse Welt ein Mysterium ist, das sich unserem Verstand entzieht. Deshalb mache es keinen Sinn, Fragen zu stellen.
Von dieser Haltung haben die Religionen seit jeher profitiert und die Hoheit über das Bewusstsein der Gläubigen erlangt. Und somit Macht.
Fragen stellen sich auch beim Sohn Gottes. Bei Jesus Christus wird die Situation noch etwas schwieriger. Auch er ist Teil der Trinität.
Doch: Warum ist es Gott erst nach Millionen von Jahren in den Sinn gekommen, sich einen Sohn zuzulegen? Warum hat er ihn nicht im Himmel gebären lassen und später dann zur Welt geschickt? Schliesslich konnte er auch auffahren. Warum musste er den irdischen Weg der menschlichen Geburt gehen?
Weiter: Hat er die gleichen Eigenschaften wie Gott? Ist er als Sohn untergeordnet? Fragen stellen sich auch zu seiner irdischen Mission. Als göttliche und allwissende Instanz musste er wissen, was ihn bei uns erwartete, nämlich einen barbarischen Tod am Kreuz. Warum hat er seine göttlichen Fähigkeiten nicht eingesetzt, um dem entwürdigenden Tod zu entgehen? Oder konnte er die Schmerzen mit seiner göttlicher Energie betäuben?
Es stellt sich auch die Frage, weshalb er seine göttlichen Eigenschaften nicht benutzte, um allen Menschen ein für allemal klarzumachen, dass er nicht irgendein Wanderprediger ist, sondern der Sohn des Allmächtigen. Dann wäre es nicht zu den zweitausendjährigen religiösen Konflikten gekommen, die Millionen von Menschenleben gekostet haben.
Über den Heiligen Geist, das dritte Wesen im Dreifaltigkeitsbund, haben sich eh die wenigsten Christen je Gedanken gemacht. Er will nicht so recht in die göttliche Familie passen.
Eher wirkt er als Diener, als Mittler zwischen Gott und den Menschen, als Energiespender. Also als Wesen mit spirituellen, nicht aber göttlichen Fähigkeiten. Weshalb er trotzdem zum göttlichen Triumvirat gehört, lässt sich theologisch schwer erklären.
Apropos göttliche Familie: Wenn die Bibel schon von Gott und Sohn spricht, wo sind dann Mutter und Tochter? Die Erklärung ist wohl ebenso banal wie einfach: In der urchristlichen Welt vor 2000 und mehr Jahren waren Frauen Menschen zweiter Klasse, die man gern versteckte. Es ist deshalb den Autoren der Bibel nicht einmal im Traum in den Sinn gekommen, weibliche Wesen, die oft als unrein galten, im Himmel anzusiedeln.
Die göttliche Welt ist oft allzu menschlich.