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Kruzifix noch mal: Das Kreuz mit dem Kreuz

Workers suspend the 1100-year-old crucifix from the church of the village of Enghausen, Bavaria, above the altar on the fair grounds in Munich, southern Germany, Thursday, Sept. 7, 2006, where pope Be ...
Montage eines Kruzifixes.Bild: keystone
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Kruzifix noch mal! Das Kreuz mit dem Kreuz

Die bayerische Regierung hat beschlossen, in allen Behördenämtern Kruzifixe aufzuhängen. Auch in der Schweiz sorgen die Kreuze regelmässig für Diskussionen.
02.05.2018, 08:22
Hugo Stamm
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Religionsgemeinschaften haben den Drang, in der Öffentlichkeit Präsenz zu markieren. Schliesslich gehört die Mission zu ihrem Kerngeschäft. Wer glaubt, im Besitz der einzig relevanten oder wahren Heilslehre zu sein, will die Menschheit damit beglücken.

Kirchen sind das mächtige Symbol dieses Bestrebens. Sie stehen in der Regel an einem erhöhten Standort oder im Zentrum des Dorfes. Meist überragen sie die übrigen Gebäude und sind mit ihren hohen Türmen Ausdruck besonderer Mächtigkeit.

Da Kirchen zum Ortsbild gehören und Teil unserer Kultur sind, regt sich – abgesehen vom nervenden Glockengeläut – kaum Widerstand in der Bevölkerung. Anders verhält es sich bei einem weiteren Symbol des christlichen Glaubens, dem Kreuz oder Kruzifix mit Jesus.

Neu ist das Thema nicht …

ORF-Sendung zum Thema Kreuze in den Schulen.Video: YouTube/Islam in Austria

Diese religiösen Reliquien führen mit schöner Regelmässigkeit zu öffentlichen Debatten. Aktuell läuft in Bayern eine hitzige Debatte. Auslöser ist ein kürzlicher Beschluss der bayerischen Landesregierung. Sie verlangt, dass in allen Behördenämtern Kruzifixe aufgehängt werden müssen.

Spinnen sie denn, die Bayern? Was ums Himmels Willen ist denn in die Regierung gefahren?

Kruzifix noch mal.

Man muss wohl davon ausgehen, dass die Kruzifixe nicht primär dazu dienen, die Lederhosen-Christen an ihren Glauben zu erinnern, vielmehr sollen sie ein Signal gegen den Islam sein, indirekt auch gegen die wachsende Gemeinde der Muslime.

Auslöser dürfte der Slogan «Der Islam gehört nicht zu Deutschland» gewesen sein, mit dem bayerische Politiker die Debatte um die Glaubensgemeinschaft befeuerten. An vorderster Front kämpften CSU-Chef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder, die nicht müde wurden, das Christentum für Bayern als gottgegeben zu betrachten.

epa06393140 Bavarian Prime Minister and head of the Christian Social Union (CSU) party, Horst Seehofer (L), and Bavarian Finance Minister Markus Soeder of the Christian Social Union (R) demonstrate th ...
CSU-Chef Horst Seehofer (l.) und Ministerpräsident Markus Söder.Bild: EPA/EPA

Bekenntnis zu den Grundwerten

Die Staatskanzlei schwurbelte nach der Kabinettssitzung: «Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland anzubringen.»

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Kritik am Beschluss kam nicht nur von den Linken, selbst die bürgerliche FDP war, gelinde gesagt, überrascht. Parteichef Christian Lindner schrieb, die CSU  instrumentalisiere Religionen permanent für ihre Parteipolitik, was ihn «geradezu an Erdogan» erinnere.

Vor ein paar Jahren tobte auch in der Schweiz ein Streit um das Kuzifix. Der Walliser Lehrer und Freidenker Valentin Abgottspon, der das Kreuz aus seinem Schulzimmer in Stalden verbannte, wurde für sein Verhalten abgestraft. Er musste sein Schulzimmer rasch räumen. Die Schulbehörden schoben zwar andere Kündigungsgründe an, die Taktik war aber leicht durchschaubar.

Valentin Abgottspon, enseignant du cycle d'orientation de Stalden pose pour le photographe devant l'eglise du village suite a son licenciement pour avoir refuser de prendre un crucifix dans  ...
Freidenker Valentin Abgottspon kämpfte vergeblich gegen das Kruzifix in seinem Schulzimmer.Bild: KEYSTONE

Jedenfalls rekurrierte der Lehrer gegen seine Entlassung und bekam aus formaljuristischen Gründen vom Kantonsgericht Recht. Doch das Kreuz blieb im Schulzimmer hängen.

Auch in luzernischen Triengen forderte ein Freidenker die Verbannung von Kruzifixen und Kreuzen aus den Schulzimmern. Die Behörden liessen sich aber nicht erweichen, ersetzten aber die Kruzifixe durch Kreuze.

Ja, diese Kruzifixe. Da hängt ein sterbender Mann an einem Kreuz, durchstossen von einer Lanze. Wäre es nicht der vermutete Sohn Gottes, würden wohl viele Eltern auf die Barrikaden gehen mit dem Argument: Gewaltszenen im Schulzimmer gehen gar nicht.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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244 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lord_Mort
28.04.2018 08:42registriert Oktober 2015
Gut geschrieben. Ich bin selber Atheist, finde aber jeder soll seine Religion ausleben dürfen, allerdings im privaten Rahmen. In der Öffentlichkeit hat Religion nichts verloren, dort ist sie nur ein Zeichen der Ausgrenzung. Bei solchen Diskussionen frage ich mich immer, wie wackelig das Fundament ist, auf dem der Glaube dieser Leute fusst, wenn schon ein nicht vorhandenes Kruzifix die Gläubigen derart aus ihrem Konzept bringt. Zu Kreuzen in Klassenzimmern gibts aber nur eines zu sagen. Raus damit! In der Schweiz herrscht Glaubens-und Gewissensfreiheit. Wir haben keine Leitreligion.
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contefosco
28.04.2018 09:57registriert November 2014
Wäre Jesus mit einer PC-Tatstatur erschlagen worden, würden sich die Diskussionen über Kruzifixe im Büro erübrigen.
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James McNew
28.04.2018 10:02registriert Februar 2014
Der Feind meines Feindes ist mein Freund, auch wenn der das gar nicht will. Wenns gehen den Islam geht, sind einige Papierli-Christen, die seit Jahrzehnten nicht mehr in der Kirche waren, plötzlich ultra-gläubig. Und eingefleischte Machos setzen sich plötzlich für Frauenrechte ein...aber nur solange sie selbst ihr Verhalten nicht ändern müssen. Das Land, das den Holocaust hervorgebracht hat (auch das übrige Europa hat immer wieder mal systematisch seine Juden vertrieben und ermordet), beruft sich auf die christlich-jüdische (!) Tradition. Alles kaputt hier.
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