Die Sektenlandschaft wird immer diverser, die Zahl Gurus, Heilsbringer, esoterischen Meister und christlichen Propheten steigt seit Jahren rasant an. Was den Wirten nachgesagt wird («Wer nichts wird, wird Wirt»), könnte man auch auf viele Religionsgründer oder Guru übertragen. Kurz: Wer nach Macht und Geld strebt, kann mit der Gründung einer religiösen, pseudoreligiösen oder spirituellen Gruppe rasch Erfolg haben.
Es braucht nur ein wenig übersinnliche Fantasie und rhetorisches Geschick, und das Business-Modell ist rasch zusammengeschustert. Man frage nur den ehemaligen Autoverkäufer Ivo Sasek, den Gründer der christlich-fundamentalistischen Bewegung Organische Christus Generation (OCG), über die ich hier schon mehrfach berichtet habe.
Um Guru zu werden, braucht es also weder eine Ausbildung noch ein Startkapital. Höchstens Einbildung und ein überbordendes Ego.
Ein Paradebeispiel ist Ron Hubbard, Gründer der Psycho- oder Wirtschaftssekte Scientology. Der ehemalige Autor drittklassiger Science-Fiction-Geschichten goss seine geistigen Ergüsse in ein Heilskonzept und gab ihnen die Namen Scientology und Dianetik.
Die Ingredienzien: Umherirrende verwirrte Seelen, der ausserirdische Fürst Xenu, Zeitreisen in frühere Leben, angeblich erlösende Pseudo-Terapien, die Entdeckung der menschlichen Unsterblichkeit, die Entwicklung zum Genie und vieles mehr. Science Fiction eben, die Hubbard auf die Erde transponiert und seinen Anhängern als Realität und Wahrheit verklickerte. Garniert mit Botschaftern wie Tom Cruise und John Travolta.
Ausser den indoktrinierten Scientologen glaubt kein Mensch an das geistige Produkt des ausser Rand und Band geratenen Hubbard. Man bekommt Mitleid mit seinen gehirngewaschenen Mitgliedern, die seine irren Ideen für bare Münze nehmen.
Und wie steht es mit Hubbard selbst? Glaubte der verstorbene Sektengründer an seine terrestrischen Science-Fiction-Vorstellungen?
Wer die umfangreichen Schriften mit Tausenden vonseiten von Hubbard gelesen hat, denkt intuitiv, dass er die Leser an der Nase herumführt. Und man vermutet, dass er mit dem fiesen Spiel nur eines bezweckt, nämlich Millionen zu scheffeln. Denn zumindest in dieser Hinsicht geht die Rechnung des Sektengründers voll auf: Scientology sitzt auf einem Vermögen, das mehrere hundert Millionen Dollar umfasst.
Doch wer sich intensiv mit der Biografie von Hubbard befasst, kommt zur Überzeugung: Der Mann glaubte tatsächlich an den Stuss, den er in dunklen Nächten zu Papier gebracht hat.
In einer ersten Analyse könnte man zum Schluss kommen, Hubbard sei psychisch belastet oder geistig umnachtet gewesen. Ob dies auch mitspielte, lässt sich schwer beurteilen. Zur Hauptsache aber glaubte er selbst an seine Heilsvorstellungen. Und zwar vollumfänglich.
An Vorträgen wird mir oft die Frage gestellt, wie viele Sektenführer und Gurus reine Schlangenfänger seien und ihre Heilskonzepte lediglich erfunden hätten, um reich zu werden. Meine Antwort, dass praktisch alle an ihre übersinnlichen Ideen glauben, stösst meist auf Unglauben.
Meine Erklärungen stützen sich auf die jahrzehntelangen Erfahrungen mit Hunderten von Sektenführern. Viele Gurus sind Machtmenschen mit einer Schlagseite zum Narzissmus. Manche haben eine psychische Störung und können sich dank ihres autoritären Gebarens und die Verehrung durch die Mitglieder stabilisieren. Sie brauchen keinen Therapeuten, diese Funktion übernehmen die Gläubigen, die zudem noch einen Preis dafür bezahlen.
Eine zentrale Rolle spielt bei fast allen Sektenführern der Nimbus als vermeintlicher Messias oder erleuchteter Heilsbringer. Sie glauben, von Gott gesandt zu sein oder gottähnliche Fähigkeiten zu besitzen. Das schmeichelt ihrem Ego. Viele sind deshalb überzeugt, eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Menschheit auszuüben.
Würden sie ihr übersinnliches Konzept lediglich als Business-Vehikel betrachten, wäre es für sie lediglich ein Spiel. Doch die Gurus und Sektenführer sind mit einem heiligen Furor unterwegs und verfolgen ihre pseudoreligiösen Ziele mit Akribie und Verbissenheit. Sie gefallen sich in der Rolle des Weltenretters, der angetreten ist, die Menschheit zu erlösen.
Mit diesem Wahn legitimieren sie die Ausbeutung und Indoktrinierung ihrer Anhänger. Diese realisieren nicht, dass sie lediglich dazu dienen, ihrem Guru einen göttlichen Thron zu bauen und ihm als imposante Kulisse zu dienen. Oft werden dann noch die jungen und hübschen Anhängerinnen als Blumenkinder ausgewählt, die noch für die körperliche Befriedigung sorgen und den «heiligen Samen» des Gurus empfangen dürfen.
Kurz: Viele Sektenführer erleben das Paradies auf Erden. Ihre Anhänger decken ihnen alle erdenklichen irdischen Bedürfnisse perfekt ab. Garniert wird das hedonistische Lebenskonzept mit dem Glauben, ein religiöser Heilsbringer zu sein. Mehr geht wirklich nicht.