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Der Wunderglaube der Anthroposophen an die magischen Kräfte der Sterne

Kuhhörner mit Mist vergraben
Rudolf Steiner empfahl, Kuhhörner mit Mist zu füllen und im Boden zu begraben.Bild: Shutterstock
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Der wundersame Wunderglaube der Anthroposophen an die magischen Kräfte der Sterne

Anthroposophische Bauern benutzen den Mondkalender und vergraben mit Mist gefüllte Kuhhörner.
17.09.2022, 08:38
Hugo Stamm
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Für unsere Urahnen war das Firmament ein heiliges Mysterium. Was sich vor ihren Augen am Himmel abspielte, konnten sie weder erfassen noch erklären, sondern nur bestaunen. Kein Wunder, dass sie dem Kosmos mystische oder religiöse Attribute beimassen. Die Sonne wurde als göttlicher Lebensspender, der Mond als nächtlicher Gegenspieler und Lichtspender verehrt.

Als die Wissenschaften uns die Zusammenhänge der Lichtpunkte am Himmel zu erklären begannen, wurden Sonne und Mond entmystifiziert und als göttliche Instanzen entzaubert. Doch spirituell und esoterisch interessiere Kreise halten weiterhin an der Magie der Himmelskörper fest.

Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie
Rudolf Steiner gründete die Anthroposophie und erklärte die biodynamische Landwirtschaft.Bild: Public domain / Wikimedia Commons

Anthroposophen glauben an den Mondkalender

Der beste Beweis ist die Astrologie, die am direkten Einfluss der Gestirne auf uns Menschen festhält. Die Popularität dieser Pseudolehre zeigt, dass sich der Glaube an die magische Kraft der Himmelskörper tief in unser Bewusstsein gegraben hat.

Neben der Astrologie gibt es noch andere esoterische Disziplinen, die an den direkten Einfluss der Gestirne glauben. Die bekannteste ist die Anthroposophie. Der Gründer Rudolf Steiner hat dem Kosmos eine magische Bedeutung zugemessen, der für unser Leben auf dem blauen Planeten wichtig ist.

So spielt etwa der Mondkalender im Alltag der Bauern, die Demeter-Produkte erzeugen, eine zentrale Rolle. Angebaut wird im Rhythmus der Mondphasen, wobei auch die Sternen-Konstellationen einbezogen werden. Rudolf Steiner spricht von überirdischen, luftübertragenen Planetenkräften.

Die Bauern düngen den Boden mit angerührten und homöopathisch verdünnten Flüssigkeiten. Beigegeben werden zermalmte Kuhhörner, Innereien, Kristalle, Quarzmehl oder Tierschädel. Dabei spielt es eine Rolle, ob bei dem Ritual das flüssige Düngemittel links- oder rechtsherum gerührt wird.

ZDF-Reportage über anthroposophische Landwirtschaft.Video: YouTube/Terra Xplore

Das Ritual erinnert an Uriella, die das heilige Wasser in ihrer Badewanne ebenfalls gequirlt hatte.

Bei der bekanntesten Methode, der Erde Energie zuzuführen, kommen ebenfalls Kuhhörner zum Einsatz. Diese werden mit Kuhmist, Kräutern und Quarz gefüllt und über den Winter ein Meter tief im Acker vergrabenen. Sie sollen die kosmischen Kräfte in der Erde binden.

In guter Milch spiegle sich der ganze Kosmos, verkündete das Demeter-Journal. Laut Rudolf Steiner ist am Pflanzenwachstum der ganze Himmel mit seinen Sternen beteiligt.

Auf dass sie im Sommer Früchte und Gemüse von kosmischer Qualität erhalten, wie Demeter Schweiz einst erklärte. Und: In guter Milch spiegle sich der ganze Kosmos, verkündete das Demeter-Journal vor Jahren. Laut Rudolf Steiner ist am Pflanzenwachstum der ganze Himmel mit seinen Sternen beteiligt.

Solche landwirtschaftlichen Weisheiten verkündete der Hellseher an acht Vorträgen, die er 1924 vor Landwirten hielt. Dabei hatte er von Landwirtschaft keine Ahnung. Vermutlich kupferte er seine magischen Ideen von anderen Okkultisten ab.

Trotz dieser abstrusen Anbaumethoden traten die biodynamisch angebauten Demeterprodukte im deutschsprachigen Raum den Siegeszug an. Man findet heute in der Migros und im Coop Demeter-Gemüse, -Früchte und -Säfte.

Es gibt keine wissenschaftlichen Nachweise

Dass die vergrabenen Kuhhörner keine Auswirkung auf die Qualität der Produkte haben, dürfte so klar sein wie der Mond hell. Es gibt auch keine unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die einen Nutzen hätten nachweisen können.

Der riesige Aufwand und die kleinen Erträge haben aber eine nachweisbare Wirkung: Sie verteuern die Produkte. Doch das kümmert weder die Grossverteiler noch die esoterisch und anthroposophisch interessierten Kunden.

Manche Produkte schnitten bei Tests geschmacklich nicht sonderlich gut ab. Dass sie umweltschonend produziert, biologisch rein und gesund sind, bestreitet aber niemand. Doch an den Kuhörnern und am Mondkalender liegt es sicher nicht.

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Die Erträge sind klein

Es gibt aber auch eine Kehrseite: Die Erträge bei der Demeter-Produktion fallen vergleichsweise gering aus. Die Mehrheit der Menschheit würde verhungern, wenn alle Bauern Kuhhörner vergraben würden. Ausser, man würde die restlichen Urwälder abholzen.

Doch nicht nur die anthroposophischen Bauern richten ihre Arbeit und teilweise ihr Leben auf den Mondkalender aus, auch viele esoterische Anbieter nutzen die angebliche Wirkung des Himmelskörpers.

Das Entfernen von Zahnstein sei an diesem Tag besonders günstig. Ungünstig seien hingegen Operationen im Kieferraum.

Wie sich dies manifestiert, demonstriert Mondinfo.de. Der Mondkalender für den vergangenen Donnerstag hält für die Mondgläubigen unter anderem folgende Ratschläge bereit.

  • Das Entfernen von Zahnstein sei an diesem Tag besonders günstig. Ungünstig seien hingegen Operationen im Kieferraum.
  • Abnehmender Mond wirke sich positiv auf den Erfolg von Operationen aus, die nicht dem Mondstand zugeordnete Körperteile betreffen würden.
  • Besonders leicht lasse sich Hornhaut bei abnehmendem Mond entfernen.
  • Die Zeit sei günstig, die Haare zu entfernen, weil sie danach nur sehr langsam nachwachsen würden.
  • Die Schuhe liessen sich jetzt besonders gut und gründlich reinigen.

Ob dies auch für das Hirn gilt, verrät der Mondkalender nicht.

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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525 Kommentare
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Macrönli
17.09.2022 09:19registriert April 2018
Ich gebs zu. Ich kaufe wenn oft Demeter. Und zwar nicht wegen den vergrabenen Kuhhörner sondern weil es nicht bis aufs letzte Ausbeutung ist, der Boden sich erholen kann, das Tierwohl hoch ist und ich lieber Globulidünger hab als das giftige Zeug.

Und die "Demetersekte" ist auch nicht in der Kritik wegen zB Kindsmissbrauch oder die Vertuschung davon.

Das mit dem Einfluss vom Mond ist übrigens nicht totaler Humbug Herr Stamm. Sie dürfen gerne mal in Gebärabteilungen nachfragen. (Ok das mit dem Zahnstein....naja😄)
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Achillea
17.09.2022 09:16registriert April 2021
Bei dieser Thematik bin ich der Meinung, wenn es nichts nützt, dann schadet es auch niemandem. Das Kuhhornvergraben ist mir zu esoterisch. Aber wieso soll man nicht nach dem Mondkalender säen und ernten oder Holz schlagen? Das tut niemandem weh.
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Maya Eldorado
17.09.2022 09:17registriert Januar 2014
Hugo Stamm hat nicht gemerkt, dass der Mondkalender und der Aussaatkalender nach Maria Thun nicht dasselbe ist.
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Alles Scheisse! Voilà, meine Hasstirade!
Es wird Frühling und alles ist schön und blüht und alle sind happy und das Leben ist supi, bla bla bla. Ich seh's anders. Ich find grad fast alles Scheisse.

Heute Morgen war's eine Horde KV-Schüler:innen, die mich noch vor 8 Uhr zur Weissglut getrieben haben. Sie haben im Tram gekifft. Natürlich habe ich vor 20 Jahren auch im Tram gekifft und fand's ultra bünzlig, wenn sich Bünzlis darüber aufregten.

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