Es gibt kaum Schöneres als unbeschwertes Kinderlachen. Doch nicht alle Kinder auf der Welt können unbeschwert lachen. Denn gerade die Kleinsten leiden besonders unter den Folgen von Naturkatastrophen.
2024 lebten 473 Millionen Kindern in Krisen und Konfliktgebieten – zwei Jahre früher waren es noch rund 400 Millionen. Zudem veränderten verheerende Naturkatastrophen auf einen Schlag das Leben von Millionen Kindern.
Etwa eine Milliarde Kinder sind den Auswirkungen des Klimawandels extrem ausgesetzt – und sind zum Beispiel von Hunger bedroht. Das jüngste Kapitel dieser Geschichte sind die Erdbeben in Myanmar und Thailand. Auch da gehören wieder viele Kinder zu den Leidtragenden.
Jürg Keim vom UNO-Kinderhilfswerk UNICEF hat für die vergangenen zwölf Jahre Bildmaterial derjenigen Katastrophen zusammengetragen, die die verheerendsten Folgen für Kinder hatten. Denn Bilder sprechen in diesem Fall lauter als Zahlen:
Am 8. November 2013 fegte einer der verheerendsten Tropenstürme der Geschichte über Teile der Philippinen – Supertaifun Haiyan. Der Wirbelsturm zerstörte alles, was er berührte. Mehrere Tausend Menschen verloren ihr Leben.
Im Katastrophengebiet auf den Inseln der Visayas-Gruppe ist nach dem Taifun Haiyan Chaos ausgebrochen. Und unter den Trümmern waren auch die sichere Zukunft und die Lebensgrundlage von sechs Millionen Kindern begraben.
Die internationale Nothilfe war schnell zur Stelle. Doch gerade die Kleinsten sollten nicht nur überleben, sondern auch leben: Fast eine halbe Million Kinder wurde darum mit Spiel- und Lernmaterial ausgestattet und Notschulen wurden aus dem Boden gestampft.
Noch heute zählen die betroffenen Gebiete zu den ärmsten der Philippinen.
2014 brach der bisher tödlichste Ebola-Ausbruch in der Geschichte der Menschheit in den westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone aus. Rund 5000 Tote gab es alleine in Liberia, so die Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Liberia riegelt sich und seine Bürger ab – unter anderem wurden alle Schulen geschlossen. 1,6 Millionen Schulkinder verloren somit nicht nur Zugang zu Bildung, sondern auch den Zugang zu einer regelmässigen Mahlzeit. Denn diese war häufig nur in den Schulen garantiert. Gleichzeitig explodierten die Preise für Nahrungsmittel und Essen wurde für viele Familien erst recht unerschwinglich.
Ein Problem damals: Viele Menschen der Region kannten die Krankheit nicht oder glaubten erst gar nicht daran, dass es Ebola tatsächlich gebe. Darum mussten Helfer nicht nur Chlor und Seife verteilen, sondern auch mit Informationsblättern von Tür zu Tür gehen, um aufzuklären.
Heute ist die Ebola-Krise in Westafrika gebannt. Hunger und Armut haben die Menschen aber weiterhin fest im Griff.
Im April und Mai 2015 erschütterten gleich zwei schwere Erdbeben Nepal. 600'000 Familien wurden über Nacht obdachlos. Insgesamt 1,7 Millionen Kinder waren von den Folgen der Erdbeben betroffen.
Internationale Organisationen versuchten nach der ersten Nothilfe unter anderem Kinder zu identifizieren, die von ihren Familien getrennt wurden.
Viele Häuser und Dörfer sind mittlerweile wieder aufgebaut. Doch die Naturkatastrophe hat gerade Mädchen langfristig zu Opfern gemacht: Tausende obdachlose Minderjährige und Frauen sollen Beute von Menschenhändlern geworden und in Bordelle in Südasiens verschleppt worden sein, wie der «Guardian» berichtete.
Am 16. April 2016 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,8 Ecuador. Besonders betroffen waren die Regionen im Nord- und Südwesten des Landes. Laut der Regierung gab es erhebliche Schäden in der grössten Stadt des Landes, der Hafenmetropole Guayaquil. Der Erdstoss war bis Kolumbien zu spüren. Hunderte Menschen kamen dabei ums Leben.
Die Regierung schickte 10'000 Soldaten an die am stärksten betroffene Küstenregion. Fünf Schutzunterkünfte wurde für die Evakuierten eingerichtet. In vielen kamen Familien mit Kindern unter.
2011 erlangte der Südsudan die Unabhängigkeit vom Sudan. Doch der jüngste Staat der Erde kam nicht zur Ruhe. Die Situation in den Ländern Südsudan, Somalia und Nigeria spitzte sich 2017 dramatisch zu. Das hatte auch mit der Dürre zu tun.
Denn gleichzeitig hatten alleine in Somalia schätzungsweise 6,2 Millionen Menschen Hunger – wegen der anhaltenden Dürre und der damit zusammenhängenden Lebensmittelknappheit. Die Dürre wiederum führte zu einem Anstieg von Krankheiten wie Cholera.
Die internationale Gemeinschaft stellte auch Jahre später immer noch Nahrungsmittel und Wasser für Hunderttausende Menschen zur Verfügung. Hilfsorganisationen bauen unter anderem sanitäre Einrichtungen und versuchen, Kindern Bildung zu ermöglichen.
Am 28. September 2018 wurde die indonesische Insel Sulawesi von einem Erdbeben erschüttert und von einem Tsunami heimgesucht. Über 200'000 verloren ihr Zuhause. Über 2000 Menschen starben.
Schätzungsweise 375'000 Kinder waren in der Folge auf Hilfe angewiesen – auch, um ihre Traumata überhaupt verarbeiten zu können. Denn etwa 5000 Kinder hatten ihre Angehörigen verloren. Andere waren tagelang verschüttet und durchlitten Todesängste. Gerade für diese Kinder war es wichtig, dass von Hilfsorganisationen auch Kindergärten oder Schulen neu aufgebaut und unterhalten wurden.
Heute hat sich die Region erholt.
Der Zyklon Idai brachte am 14. März 2019 Tod und Verwüstung über Mosambik, Malawi und Simbabwe. Es ist die schlimmste Naturkatastrophe im Süden Afrikas seit Jahrzehnten.
Der heftige Wirbelsturm und damit einhergehende Überschwemmungen löschten hunderte Leben aus und machten eine Million Kinder zu Hilfsbedürftigen. Nur wenige Wochen später wurden über 500 Cholera-Fälle gemeldet und es gab kaum sauberes Trinkwasser.
Die Länder werden immer wieder von saisonalen Tropenstürmen heimgesucht. Die unsichere Lage wirkt sich auch weiterhin negativ auf die Ernährungssituation von Kindern aus.
Die Covid-19-Pandemie beeinträchtigte das Leben rund um den Globus. Keim meint:
Er ergänzt: «Corona hat sich auf alle Bereiche des Alltags von Kindern ausgewirkt: auf ihre Bildung, ihre Gesundheit, ihre Ernährung und nicht zuletzt auf ihr Wohlbefinden.» Corona hat eine Generation weltweit geprägt.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie haben Kinder aufgrund der Schulschliessungen rund zwei Billionen Unterrichtsstunden verloren, so ein Bericht von UNICEF. Auch hätten Kinderarbeit und Kinderehen wieder zugenommen.
Nach Jahrzehnten geprägt von Konflikten und Naturkatastrophen eskalierte im Sommer 2021 die Krise in Afghanistan vollends und die Taliban übernahmen das Land. Die neuen Herrscher und die unsichere Lage stürzen Millionen von Menschen ins Elend. Hunderttausende sind auf der Flucht.
Neben dem Krieg musste mit Dürren, Wassermangel und Hunger gekämpft werden. Das begünstigte Durchfallerkrankungen, Polio und Massern. Mehr als 24 Millionen Menschen waren von der humanitären Katastrophe betroffen, die Hälfte davon Kinder.
Die Kindersterblichkeit im Land ist eine der höchsten weltweit. 13 Millionen Mädchen und Jungen benötigen dringend humanitäre Hilfe aufgrund von Hunger und Krankheiten. Schätzungen zufolge könnte derzeit jedes zweite Kleinkind so schwer mangelernährt sein, dass sein Leben nur noch am seidenen Faden hängt.
In Ostafrika herrscht die schwerste Dürre der jüngeren Geschichte. Denn vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind in Teilen Äthiopiens, Kenias und Somalias ausgeblieben. «Aktuell sieht es so aus, als ob auch die kommende Regenzeit trocken bleibt», sagt Keim.
Die Dürre hat die schlimmsten Folgen für die Betroffenen: Über eine Million Menschen wurde vertrieben. Rund 6,7 Millionen Menschen sind von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen.
Hilfsorganisationen versuchen viel, um gerade Kinder vor dem Hungertod zu retten – doch die Mittel reichen häufig nicht, um das ganze Ausmass der Katastrophe in den Griff zu bekommen. Dabei wäre Hunger bekämpfbar, erklärte Saskia Kobelt bereits im Interview mit watson:
Ein heftiges Erdbeben erschütterte am 6. Februar die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens. Die Beben brachten die ganze Region mitten im Winter in Gefahr.
In Nordwestsyrien war die Situation aufgrund des zu diesem Zeitpunkt seit zwölf Jahren andauernden Bürgerkriegs noch prekärer. Mindestens 56'000 Menschen starben. Rund sieben Millionen Kinder waren auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die langfristigen Auswirkungen der Katastrophe, einschliesslich der steigenden Lebensmittel- und Energiepreise in Verbindung mit dem Verlust der Lebensgrundlage und des Zugangs zu wichtigen Dienstleistungen, treibt Hunderttausende von Kindern noch tiefer in die Armut.
Weil die Wasser- und Abwasserinfrastruktur teilweise zerstört wurde, sind 6,5 Millionen Menschen einem erhöhten Risiko durch Cholera und anderen durch Wasser übertragbare Krankheiten ausgesetzt. Auch ist der Schulbesuch von fast vier Millionen Kindern durch die Erdbebenkatastrophe unterbrochen. In Nordwest-Syrien litten drei Monate nach der Katastrophe schätzungsweise 51'000 Kinder unter fünf Jahren an akuter Mangelernährung.
Bangladesch wurde im August 2024 hart getroffen. Die schlimmsten Überschwemmungen seit drei Jahrzehnten sorgten im Osten des Landes für grosse Verwüstungen. Über zwei Millionen Kinder waren betroffen, insgesamt rund 5,6 Millionen Menschen.
Die Monsunregenfälle forderten über 50 Todesopfer, es fehlte an Esswaren und medizinischer Versorgung. Emma Brigham, die UNICEF-Verantwortliche in Bangladesch, sagte: «Die gewaltigen Überschwemmungen im Osten des Landes sind die tragischen Auswirkungen des Klimawandels, der sich in extremen Wetterereignissen zeigt.»
Mitarbeit: Yasmin Müller