
Brexit-Befürworter verlangen einen Austritt ohne Verzögerung.Bild: EPA/EPA
Weniger als drei Wochen vor der Brexit-Deadline ist immer noch unklar, wie die Briten aus der EU austreten wollen. Nun ist einmal mehr das Parlament am Zug. Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch.
11.03.2019, 14:2312.03.2019, 06:56
Die Uhr tickt unerbittlich. Sie tut es immer lauter und dringlicher. Am 29. März um 23 Uhr wird das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austreten. Zweieinhalb Wochen sind es bis zum schicksalsträchtigen Datum, und noch ist kein Ausweg aus dem Brexit-Chaos in Sicht, das die britische Politik seit bald drei Jahren in Atem hält. Diese Woche ist erneut das Parlament gefragt.
Premierministerin Theresa May wird ein zweites Mal über ihren mit der EU ausgehandelten «Scheidungsvertrag» abstimmen lassen. Im Januar hatte sie eine verheerende Niederlage erlitten. Die konservative Regierungschefin versuchte, in Brüssel Nachbesserungen auszuhandeln, biss jedoch auf Granit. Nun stehen verschiedene Optionen zur Debatte. Ein Überblick:

Theresa May bringt ihren Scheidungsvertrag ein zweites Mal ins Unterhaus.Bild: AP/AP
Wann wird abgestimmt?
Die BBC bezeichnet die zweite Abstimmung über den Brexit-Deal als «the big one». Sie wird am Dienstagabend stattfinden. Sagt das Unterhaus dieses Mal Ja, kommt es am 29. März zu einem geregelten Austritt. Konkret tritt eine bereits vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 in Kraft. In dieser Zeit müssen beide Seiten ihre künftigen Beziehungen definitiv aushandeln.
Die meisten Beobachter rechnen allerdings mit einem erneuten Nein, weil die EU den Briten keinerlei Zugeständnisse gemacht hat. Die Gespräche seien festgefahren, erklärte ein britischer Regierungsvertreter am Montag in Brüssel. Die bereitstehende Maschine der Royal Air Force, die Theresa May kurzfristig nach Brüssel fliegen könnte, dürfte am Boden bleiben.
Woran harzt es?
Das Hauptproblem ist und bleibt der Backstop, die Auffanglösung, mit der Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert werden sollen. Die Brexit-Hardliner verlangen, dass er zeitlich befristet wird oder von den Briten einseitig gekündigt werden darf. Eine Dauerlösung, bei der Nordirland mehr oder weniger ein Teil der EU bliebe, lehnen sie kategorisch ab.
Die Republik Irland wiederum muss auf die Republikaner im Norden Rücksicht nehmen. Diese streben die Wiedervereinigung der Insel an. Jegliche Grenzkontrollen, und seien sie noch so moderat und «unsichtbar», betrachten sie als Provokation. Die Iren und mit ihnen die EU fürchten deshalb um das Karfreitagsabkommen, mit dem 1998 der blutige Nordirland-Konflikt beendet wurde.
Was geschieht bei einem Nein?
Falls Mays Brexit-Deal durchfällt, wird die Regierungschefin am Mittwoch über einen No-Deal-Brexit abstimmen lassen, also einen Austritt ohne Abkommen. Ein Ja gilt als wenig wahrscheinlich, denn wenn es im völlig zerstrittenen Unterhaus für eine Option eine klare Mehrheit gibt, dann ist es die Ablehnung eines chaotischen Austritts, der die britische Wirtschaft massiv schädigen könnte.
Ein chaotischer Brexit hätte verheerende Folgen
Video: srf
Wie geht es weiter?
Bei einem Nein zum No-Deal-Brexit soll schon am Donnerstag die nächste Abstimmung stattfinden. In diesem Fall ginge es um eine Verschiebung des Austritts gemäss Artikel 50 der EU-Verträge. Sagen die Abgeordneten erneut Nein, wäre das Chaos total. Niemand wüsste, wie es weitergeht. Bei einem Ja dürfte May am EU-Gipfel vom 21./22. März eine Vertagung des Brexit beantragen.
Was ist mit einer zweiten Abstimmung?
Nach langem Zögern hat sich Labour-Chef Jeremy Corbyn für eine zweite Abstimmung über Austritt oder Verbleib in der EU ausgesprochen. Er tat dies nicht ganz freiwillig. Mehrere proeuropäische Abgeordnete waren zuvor aus der Labour-Partei ausgetreten und hatten zusammen mit «abtrünnigen» Konservativen eine Fraktion der Unabhängigen gegründet.
Grosse Chancen dürfte ein solcher Antrag im Unterhaus jedoch nicht haben. Zahlreiche Labour-Abgeordnete vertreten Wahlkreise, die im Juni 2016 für den Brexit gestimmt hatten. Es gilt als fraglich, dass sie ein erneutes Referendum unterstützen werden.
Was kommt danach?
Der Brexit dürfte höchstens bis Ende Juni aufgeschoben werden, da es sonst zu Komplikationen wegen der Europawahl im Mai kommen könnte, an der die Briten nicht mehr teilnehmen. Viel dürfte sich in dieser Zeit nicht ändern. Britische Medien glauben, dass Theresa May ein drittes Mal über ihren Deal abstimmen lassen und mit der endgültigen Deadline vor Augen Erfolg haben wird.
Sofern sie dann noch im Amt ist. Die Hardliner unter den Tories fürchten, dass es bei einer Verschiebung zu gar keinem Austritt kommen wird. Sie drohten am Wochenende offen mit einer Rebellion gegen May, die zu ihrem Rücktritt führen könnte. Der frühere Brexit-Minister David Davis warnte laut dem «Guardian» vor einem «Trump-Moment» im Volk bei einem Aufschub des Brexit.
Die Brexit-Frage spaltet Grossbritannien
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quelle: ap/ap / matt dunham
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