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Lobeshymne an Merle Haggard und eine Tirade gegen Nick Jonas

«Drink up and be someone!» – das echte Leben findet in Merle-Haggard-Songs statt.
«Drink up and be someone!» – das echte Leben findet in Merle-Haggard-Songs statt.
Bild: Rich Pedroncelli/AP/KEYSTONE
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R.I.P. Merle Haggard – ich verneige mich.
Nick Jonas? F**K YOU!

Ja, ihr ahnt es schon: Es folgt hier eine Tirade eines Grumpy Old Man. Aber es ist bitter notwendig. Und deshalb entschuldige ich mich in keiner Weise dafür.
07.04.2016, 12:5807.04.2016, 14:34
Oliver Baroni
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Gestern ist einer der ganz Grossen von uns gegangen. Merle fucking Haggard, Leute. Einer aus der leider schwindenden Liga der echten Arschtreter der Musikgeschichte, ein Gigant der Countrymusik.

Und nur wenige Tage vorher, an den Academy of Country Music Awards, spielte sich folgendes ab:

Seht, da haben wir ein wunderbar verkacktes Gitarrensolo eines ehemaligen Boyband-Mitglieds und kurz darauf den Tod eines der grössten Singer-Songwriter aller Zeiten. Zwei Geschehnisse, die exakt den Unterschied versinnbildlichen zwischen der heutigen Countrymusik und der Countrymusik, wie sie einmal war.

Merle Haggard wuchs in einem unbenutzten Eisenbahnwaggon auf und verbrachte mehrere Jahre in Jugendstrafanstalten. Kurz vor seinem 21. Geburtstag machte er sich auf, das örtliche Restaurant auszurauben, was grandios scheiterte, denn er betrank sich und wurde in flagranti erwischt. Einen Gefängnisaufenthalt und einen Gefängnisausbruch später wurde er zu einer mehrjährigen Strafe im berüchtigten St.Quentin Jail verdonnert, wo er Berichten zufolge in seiner Zelle eigenes Bier braute und einen gut laufenden Gambling-Betrieb unterhielt. Seine Millionen verdiente er später als Country-Star in den Achtzigern, doch er verprasste alles mit schlechten Investments, teuren Scheidungen und einer zehnjährigen Dauerparty auf seinem Hausboot auf dem Lake Shasta in Kalifornien. Das, Leute, ist die Bio eines echten Country-Stars.

Nick Jonas (der sich da oben als Gitarrist versucht) hingegen trat als Kind in Broadway-Musicals auf und war als Teenie Mitglied der erfolgreichen Boyband The Jonas Brothers, die ihre Karriere Auftritten in Nickelodeon-Sendungen und Guest Spots bei «Hannah Montana» und «High School Musical 2» oder «Camp Rock 2» und derartigem Quatsch verdanken. Zwischendurch gab es lukrative Werbeclips, TV-Reality-Shows und dergleichen. Auch war er sich nicht zu schade, aus karriereförderlichen Gründen christliche Keuschheitsgelübde abzulegen. Nick Jonas hat sechs Millionen Follower auf Instagram und gilt heute als grosser Star. Nun versucht er eine Country-Karriere, singt grauenhaft formelhaft zusammengeschusterte Balladen zusammen mit Leuten wie der obigen Kelsea Ballerini.

A photo posted by Nick Jonas (@nickjonas) on

«Stoked to announce that I’ve teamed up with @CreativeRecreation as their new brand ambassador», schreibt er da. Ja, ja – whatever.

Nick Jonas’ Erfolg ist das Resultat einer sorgfältig vorbereiteten Karrierelaufbahn und emsiger Beflissenheit. Merle Haggards Erfolg kam allen erdenklichen Widrigkeiten zum Trotz.

Und genau deshalb werden die Jonasses dieser Welt, die Ballerinis und die gesamte Garde Pickup-Truck besingender heutiger Weichspüler-Country-Stars niemals, NIEMALS die Grösse der alten Garde erreichen. Image-Bedachtsamkeit und Instagram-Feeds vertragen sich nun mal nicht mit Authentizität.

Gewiss, es gibt sie noch, die echten Country-Outlaws. Die, die den ursprünglichen Geist des Outsiders in sich tragen und von echten Emotionen, von Verzweiflung und Verlust singen: Hank Williams III, Nikki Lane, Bob Wayne, Steve Earle und all die geilen Siechen. Doch sie agieren heute im Untergrund, sind Indie-Künstler durch und durch. Leute wie Merle Haggard oder Johnny Cash hatten zu ihrer besten Zeit Plattenverkäufe in Millionenhöhe.

Country-Heroes – das sind Vertreter einer aussterbenden Rasse. Leider. Johnny Cash ist weg. George Jones und Waylon Jennings auch. Und nun Merle Haggard.

Doch Willie Nelson lebt noch. Und bevor er sich verabschiedete, liess Merle Haggard zusammen mit Willie die ganze Welt wissen, was er vom Zustand heutiger Musik hält. Turn It Up!

Merle – ich verneige mich.

Nick Jonas – schäm’ dich!

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