Hältst du gerade dein Handy in der Hand? Oder warst du in den vergangenen Stunden auf Facebook, Instagram oder Google? Die Chancen stehen vermutlich gut.
Falls ja, solltest du dir vielleicht die neue Netflix-Doku «The Social Dilemma» anschauen. In dieser wird eindrücklich aufgezeigt, wie die grossen Tech-Firmen dich manipulieren und mit dir Geld machen.
In der gut 80-minütigen Produktion kommen mehrere ehemalige hochrangige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort, welche für Google, Facebook, Pinterest und Co. gearbeitet haben.
Folgende sieben Zitate geben dir einen Eindruck, in welch gefährliche Richtung sich die Silicon-Valley-Giganten entwickelt haben. Zum Schluss gibt es dann doch noch ein wenig (Zweck-)Optimismus.
Die meisten Social-Media-Plattformen sind für uns User vermeintlich gratis. Also muss es einen anderen Weg geben, damit die Unternehmen Geld verdienen können. Das tun sie, in dem sie Daten über uns sammeln und uns so genau analysieren, dass wir berechenbar werden. Dadurch kann uns massgeschneiderte Werbung ausgespielt werden. Anders ausgedrückt bedeutet dies:
Sprich: Wir werden verkauft.
Mit Algorithmen loten die Unternehmen aus, wie man jeden Nutzer dazu bringen kann, möglichst viel Zeit auf der Plattform zu verbringen. Am User werden Experimente durchgeführt, ohne dass er es merkt. Die ehemaligen Tech-Mitarbeiter sprechen unisono von «Manipulation».
Psychologinnen und Psychologen bei Google, Snapchat und Co. entwickeln Funktionen und Tools, die uns so süchtig wie möglich machen. Ein Beispiel: Jedes Mal, wenn man auf Instagram, die Seite neu lädt, erscheint ein neuer Post. Der User weiss nie, was ihn erwartet und wird für jeden «Re-Fresh» mit einer Überraschung belohnt.
Die Methoden, mit denen die User süchtig gemacht werden, sind derart raffiniert, dass selbst diejenige ihnen zum Opfer fallen, die sie selber entwickeln. Das erzählen in der Doku mehrere ehemalige Mitarbeiter der Tech-Giganten.
Durch maschinelles Lernen entwickeln sich die Systeme immer weiter, um den User noch mehr auszupressen. Nur sehr wenige Leute verstehen, wie das genau funktioniert. Allerdings können auch die Experten bei den grossen Tech-Unternehmen nicht mehr immer nachvollziehen, was die von ihnen programmierten Maschinen machen.
Der Mensch hat sich schon an das Radio und an den TV angepasst. Wird er nun nicht auch lernen, mit Social Media umzugehen? Nun, das dürfte ungleich schwieriger werden. Denn die Technologien, die hinter den neuen Plattformen stecken, entwickeln sich schneller als alles, was die Menschheit bisher erlebt hat. Die Rechenleistung der Computer ist seit den 60er-Jahren um das Billionenfache gestiegen, das menschliche Hirn hat sich derweil nicht bedeutend weiterentwickelt.
Für die Experten in der Doku ist klar, dass bereits eine wichtige Schwelle überschritten wurde. Die Künstliche Intelligenz weiss die Schwächen der Menschen auszunutzen, sie kann uns austricksen. Dies führt zu einer Überforderung, welche fatale Folgen hat, was uns zum nächsten Punkt bringt.
Vielleicht denkst du dir jetzt, dass dich das alles nichts angeht und du nichts dagegen hast, wenn dir personalisierte Werbung ausgespielt wird. Doch so einfach ist das nicht. In der Doku werden mehrere Beispiele aufgezeigt, welch gefährlichen Auswirkungen Social Media auf die Menschheit hat und bereits hatte.
Weil dir die Plattformen immer nur das ausspielen, was dich anspricht, wirst du deine Bubble kaum mehr verlassen. Hast du dich für eine Seite entschieden, wirst du kaum mehr Informationen von der anderen Seite erhalten. Die Folge: Die Menschen radikalisieren sich, verstehen sich nicht mehr und werden auseinandergetrieben.
In den USA sind die Gräben zwischen Republikanern und Demokraten tiefer denn je. Der Hass aufs gegnerische Lager wird immer grösser, sodass sich der ehemalige Pinterest-Präsident Tim Kendall ernsthaft Sorgen vor einem Bürgerkrieg macht.
In Myanmar radikalisierte sich derweil die Bevölkerung auf Facebook und vertrieb 700'000 Rohingyas aus ihren Dörfern. Dies, um nur ein weiteres Beispiel von vielen zu nennen.
Die Social-Media-Sucht kann aber auch verheerende Konsequenzen für die psychische Gesundheit der User haben. Seit 2009 ist in den USA die Zahl der Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren, die aufgrund Selbstverletzung ins Spital mussten, um 189 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Suizide stieg markant an.
Haben wir den Kampf gegen die Künstliche Intelligenz also bereits verloren, bevor viele überhaupt gemerkt haben, dass er begonnen hat? Die Tech-Experten in der Doku glauben, dass ein Turnaround möglich wäre, auch wenn nicht alle gleichermassen optimistisch sind.
Die Systeme seien von Menschen erschaffen worden, diese könnten sie auch sinnstiftend umprogrammieren, so der Tenor. Sie sprechen sich für stärkere Regulierungen im Internet aus und geben gleichzeitig auch Handlungsempfehlungen an jeden einzelnen von uns weiter. Etwa:
DAS SOLLTE SICH JEDER ZU HERZEN NEHMEN! Diese Radikalisierung geschieht sowohl auf Rechter wie auf Linker Seite!
Es war richtig tragisch mit anzusehen, wie sich Menschen in meinem Umfeld völlig einseitig informiert haben.
Die einen posteten täglich einen "StaytheFuckHome" -Aufruf auf SM und zogen über andere Menschen her, welche ihrer Meinung nach zu Nahe beieinander am See flanierten.
Das andere extrem postete irgendwelche wirren Youtubevideos, welche nicht mal einem 5 Sekunden-Desktopfact-checking standhalten.
Beide Gruppen fühlten sich total im Recht und durch ihre Bubble bestärkt.
Ganz ungute Entwicklung.