Nachtzug statt Billigflieger: Will die Schweiz die Klimaziele von Paris erreichen, muss sie Flugticketabgaben und Kerosinsteuer erheben und klimafreundliche Transportmittel wie Nachtzüge fördern. Dies verlangt eine breite Umweltallianz in einem offenen Brief.
Adressiert ist der Brief an Verkehrsministerin Doris Leuthard, verfasst wurde er von der Koalition Luftverkehr, Umwelt und Gesundheit (Klug) und von der verkehrspolitischen Organisation Umverkehr. Mitunterzeichnet haben das Schreiben über hundert Umwelt- und Verkehrsorganisationen sowie die SP, die Juso und die Grüne Partei.
Schweizerinnen und Schweizer sind laut den Unterzeichnenden doppelt so viel mit dem Flugzeug unterwegs wie die Einwohner der Nachbarländer. Dabei haben über 80 Prozent der Flüge aus der Schweiz einen Zielort innerhalb von Europa. Hier bestehe ein grosses Einsparpotenzial, heisst es im Brief, der am Montag dem Informationschef des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) überreicht wurde.
Eine klimafreundliche Alternative zum Flugzeug wären laut den Umweltschützern für Strecken bis zu 1500 Kilometer – etwa die Strecke von Berlin nach Rom – Nachtzüge. Doch diese leiden unter den Spottpreisen für Flugreisen. Weil sich der Betrieb von Nachtzügen immer weniger rentiert, ist das Angebot in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden.
Die Allianz ruft in Erinnerung, dass die Vielfliegerei verheerende Auswirkungen auf das Klima hat. Der Luftverkehr sei in der Schweiz bereits für über 18 Prozent des menschengemachten Klimaeffekts verantwortlich – Tendenz steigend. Laut Prognosen werde er bis 2030 zum grössten Treiber des Klimaeffekts anwachsen.
Wolle die Schweiz dem entgegenwirken, wozu sie sich durch die Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris auch verpflichtet habe, müsse sie auch bei den Luftverkehrsemissionen ansetzen. Fliegen müsse teurer werden, das Zugfahren attraktiver gemacht werden.
Konkret fordert die Allianz deshalb, dass die Schweiz künftig eine Flugticketabgabe erhebt, damit sich künftig die Umweltkosten des Flugverkehrs im Preis von Flugtickets widerspiegelt. Zudem soll sie sich für eine Kerosinsteuer einsetzen. Gleichzeitig soll die Verkehrsverlagerung zum nachhaltigeren Schienenverkehr stärker gefördert werden.
Bundesrätin Leuthard solle diese Massnahmen unterstützen, vorantreiben und aktiv kommunizieren, fordern die Verfasser.
Ein Umdenken zu bewirken, werde «sicher nicht einfach», sagte Daniel Costantino, Kampagnenleiter von Umverkehr, auf Anfrage. Er ist dennoch zuversichtlich – auch dank eines positiven Beispiels aus der jüngsten Vergangenheit.
Der Verein Umverkehr hatte sich unter anderem 2016 mit der Petition «Rettet den Nachtzug» für den Erhalt der Nachtzuglinien eingesetzt. Die Petition wurde mit 11'000 Unterschriften ans UVEK überreicht.
Den Anstoss zu dem Schreiben gab damals der Beschluss der Deutschen Bahn (DB), per Ende 2016 sämtliche Nachtzuglinien aus ihrem Angebot zu streichen. Begründet wurde dieser Schritt mit der mangelnden Rentabilität dieser Züge.
In die Bresche sprangen daraufhin die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und übernahmen fast die Hälfte des Angebots der Deutschen Bahn. Dies stimme positiv, so Costantino.
Die zweite Verfasserin des Briefes, die Klug, wurde im Sommer 2017 gegründet. Sie vereint verschiedene Umwelt- und Lärmschutzorganisationen und setzt sich für eine Reduktion der vom Flugverkehr verursachten Treibhausgase, Luftschadstoffe und Lärm ein.
Die Umweltbelastung durch den Flugverkehr nehme trotz technischem Fortschritt kaum ab, stellt sie fest. Das werde durch Privilegien für die Luftfahrt gefördert. Kerosin sei steuerfrei, die öffentliche Hand finanziere die Erschliessung der Flughäfen. Es sei höchste Zeit, dass sich die Behörden mit den wahren Kosten des Luftverkehrs befassten und dabei das Verursacherprinzip anwendeten. (sda)