Die Schweiz stimmt dem Uno-Migrationspakt vorläufig nicht zu. Das hatte der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Er befürwortet den Pakt aber. In seinen Antworten auf parlamentarische Vorstösse erklärt er, weshalb – und tritt Behauptungen der Gegner entgegen.
Insgesamt elf Vorstösse hatte der Bundesrat zu beantworten. Sieben stammen von SVP-Vertretern, vier von Parlamentskommissionen. Drei Kommissionen fordern mit Motionen, dass das Parlament über die Zustimmung der Schweiz entscheidet.
Der Bundesrat schreibt in seinen am Freitag veröffentlichten Antworten, er habe Verständnis dafür, dass es im Parlament Klärungs- und Diskussionsbedarf gebe. Deshalb verzichte er darauf, an der Staatenkonferenz vom 10. und 11. Dezember in Marrakesch teilzunehmen und dem Pakt zu diesem Zeitpunkt formell zuzustimmen.
Trotzdem empfehle er dem Parlament aus formellen Gründen, die Motionen abzulehnen, schreibt der Bundesrat. Ein Parlamentsbeschluss über den Uno-Migrationspakt würde nicht der verfassungsmässigen Kompetenzordnung entsprechen. Der Bundesrat zeigt sich aber bereit, innerhalb von sechs Monaten einen Bericht vorzulegen über die wachsende Rolle von «Soft Law».
In seinen Antworten tritt der Bundesrat diversen Behauptungen der Gegner über den Inhalt des Paktes entgegen. Die Staaten bekräftigten mit der Zustimmung ihren politischen Willen, die globalen Herausforderungen der Migration gemeinsam anzugehen, schreibt er. Der Migrationspakt bekräftige aber explizit «das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen».
Aus dem Migrationspakt entstünden somit keine rechtlichen Verpflichtungen, die der eigenständigen Steuerung der Zuwanderung zuwiderlaufen würden. Die Sicherstellung der eigenständigen Steuerung in der Schweiz werde aber auch von der Zusammenarbeit mit anderen Staaten beeinflusst, gibt der Bundesrat zu bedenken.
Die Möglichkeit, zum Beispiel bei der Rückkehr oder der Grenzkontrolle mit den anderen Staaten zusammenarbeiten zu können, wirke sich positiv aus. «Kein Staat kann alleine die Migration steuern», schreibt der Bundesrat.
Er äussert sich auch zu einzelnen besonders umstrittenen Punkten des Paktes. Dabei betont er, dass die Schweiz weder das Recht noch die Praxis ändern müsse. So werde sie weiterhin eine enge Auslegung des Begriffs «Familie» anwenden. Aus Sicht des Bundesrates bedarf es auch keiner gesetzlichen Anpassung, um rassistische Beweggründe bei der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen.
Die Medienfreiheit werde vom Migrationspakt «in keiner Art und Weise tangiert», hält der Bundesrat weiter fest. Gefördert werden solle eine offene, faktenbasierte und freie Debatte zu allen Aspekten der Migration.
Als freiwilliges Umsetzungsinstrument werde empfohlen, die öffentliche Finanzierung von Medien einzustellen, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus förderten. Daraus entstehe kein Handlungsbedarf. Das schweizerische Recht kenne klare straf- und zivilrechtliche Grenzen und Sanktionen für rassistische Äusserungen.
Am Zugang zu Bankdienstleistungen muss die Schweiz laut dem Bundesrat ebenfalls nichts ändern. Es gibt heute nämlich keine besonderen Einschränkungen für Migrantinnen und Migranten, die in der Schweiz wohnhaft sind.
Ferner müssten die Provisionen für die Arbeitsvermittlung nicht verboten werden. Das Ziel des Paktes sei es, Zwangsarbeit, Ausbeutung und Schuldknechtschaft zu verhindern, erklärt der Bundesrat.
Gemäss schweizerischem Recht könne von den Stellensuchenden eine Provision von maximal fünf Prozent des ersten Bruttojahreslohnes für die Vermittlung verlangt werden. Da eine solche Provision nicht zu Zwangsarbeit und Ausbeutung führe, bestehe kein Handlungsbedarf.
Der Bundesrat stellt auch klar, dass der Pakt keine Forderung nach Legalisierung von Sans-Papiers enthält. Als freiwilliges Umsetzungsinstrument empfehle er eine Einzelfallprüfung. Dies entspreche der bewährten Praxis der Härtefallregelungen in der Schweiz.
Für sinnvoll hält der Bundesrat die Empfehlung des Paktes, Gebühren für Geldüberweisungen in die Heimatstaaten zu senken. Dafür brauche es jedoch keine regulatorischen Massnahmen. Mit der Digitalisierung würden die Preise in den kommenden Jahren weiter sinken.
Der Ständerat wird am 29. November und der Nationalrat am 6. Dezember über einen Teil der Vorstösse befinden. Bisher haben die USA, Israel, Australien, Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien, Bulgarien und Estland dem Pakt eine Absage erteilt. (aeg/sda)