«Bag-Building»- und Risikoeinschätzungs-Spiel von Wolfgang Warsch für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren. Spieldauer: etwa 45 Minuten. Verlag: Schmidt. Preis: etwa 40 Franken.
Auf dem Basar von Quedlinburg treffen sich Quacksalber und Kurpfuscher, um Tinkturen gegen Schweissfüsse und Heimweh zu brauen. Bei der Wahl der Zutaten ist aber Vorsicht geboten: Zu viele Knallerbsen im Trank können den Kessel explodieren lassen.
Zutaten-Chips aus einem eigenen individuellen Säckchen ziehen und sie in den eigenen Kessel legen. Das Risiko kalkulieren, wie lange man weitermachen will. Sich ärgern, wenn der Kessel explodiert. Schlau überlegen, welche weiteren Zutaten man danach hinzu kauft und ins Säckchen legt.
Sehr reichhaltiges Spielmaterial und sehr unterhaltsamer, nervenaufreibendem Spielablauf. Es besteht allerdings die Möglichkeit, einfach und unentdeckt zu schummeln.
Erfahrenere, risikofreudige Spieler, die nicht in Versuchung geraten, zu schummeln oder denen es nichts ausmacht, wenn andere schummeln.
Nur, damit wir uns nicht zu Beginn schon falsch verstehen: «Die Quacksalber von Quedlinburg» ist ein vergnügliches, sehr unterhaltsames Spiel. Aber es stellt eben schon sehr hohe Ansprüche ans eigene Gewissen: Hobbyspieler behaupten ja von sich gerne, dass sie nie, nie, nie, gar nie, wirklich niemals schummeln. Und sie vertrauen darauf, das andere dies auch nie tun.
Nun bin ich allerdings seit 30 Jahren auch Gerichtsreporter und deshalb mit den Abgründen der menschlichen Seele zutiefst vertraut. Und ich habe auch schon Leute beim Schummeln erwischt, die vorgaben, heilig zu sein.
In den Diskussionen über dieses Spiel ist das Thema Betrügen derart präsent, dass man es nicht einfach ignorieren und sagen kann «Spieler schummeln nicht». Denn «Die Quacksalber von Quedlinburg» ist unheimlich emotional, ja nervenzerfetzend. Und es hängt wirklich alles davon ab, dass man nun nicht (einfach nicht!) schon wieder einen Knallerbsen-Chip zuviel aus dem Beutel zieht und der ganze Kessel explodiert. Es wäre ja so einfach.
Jeder Spieler muss Zutaten-Chips für eine Quacksalber-Tinktur aus seinem Sack ziehen: Krähenschädel, Alraunwurzeln, Fliegenpilze. Knallerbsen will aber niemand erwischen. Die Knallerbsen-Chips kann man jedoch eben sehr einfach unten in der Ecke des Sacks verstecken oder gute Chips in der Faust behalten.
Natürlich kann man auch bei anderen guten Spielen wie zum Beispiel «Bohnanza» relativ einfach schummeln, wenn man will. Nur entzieht es sich beim Quacksalbern halt vollkommen der Kontrolle der Mitspieler, besonders bei Kindern. Ein Kollege erzählte, dass ihm sein Sohn nach einem Sieg beichtete, er habe die Knallerbsen im Beutel separiert. Er habe das nicht einmal als Schummeln interpretiert, sondern als cleveres Agieren.
Das Spiel hat zwar einen kinderleichten Ablauf, wenn man es einmal verstanden hat. Der Einstieg ist aber nicht ganz einfach. Acht A4-Seiten Regeln und vier A4-Seiten Erklärungen der Sonderfähigkeiten der einzelnen Zutaten wollen verstanden werden.
Dadurch ist es ein bisschen mit «Dominion» vergleichbar. Nur baut man hier nicht ein Kartendeck, sondern versucht Zutaten-Chips in seinem Sack zu optimieren. Das nennt man «Bag-Building». Zu Beginn hat man bereits Chips von ein paar weissen Knallerbsen, einem orangen Kürbis und einer grünen Kreuzspinne im Beutel. Sie haben Zahlenwerte aufgedruckt.
In jeder Runde ziehen die Spielenden – wenn man will auf das Kommando «Rühren!» – simultan Chips aus ihren Säckchen und müssen sie auf einem spiralenförmigen Kurs in ihren Kessel legen. Je nachdem, welches Feld man erreicht, bevor man freiwillig aufhört, gibt es Siegpunkte und einen Geldbetrag, mit dem man neue Chips kaufen kann.
Die farbigen Chips haben Sonderfähigkeiten: Sie lösen lukrative Boni, Zusatzzüge oder Privilegien aus. Zieht man zu viele Knallerbsen, explodiert der Kessel jedoch, und man muss für diese Runde auf Geld oder Siegpunkte verzichten, was schrecklich ist.
Der Kauf der verschiedenen Plättchen bietet Kombinationen mit unzähligen taktischen Möglichkeiten, die zunächst nicht ganz einfach zu durchschauen sind. Die Entscheidung, welche Plättchen man kauft, hat tiefgründiges, strategisches Potenzial.
Das Spiel enthält vier Sets mit vier verschiedenen Zutatenbüchern und -fähigkeiten, die man beliebig kombinieren kann. Durch das Ziehen der Chips hat «Die Quacksalber von Quedlinburg» natürlich einen sehr hohen Zufallsfaktor, deshalb wird der Anspruch des Spiels leicht unterschätzt.
Es ist wie Pokern ein Spiel um Wahrscheinlichkeiten. Wirklich zu erkennen, welche Kombinationen in der Theorie langfristig mächtiger sind, ist ein ziemlich kniffliger Denkprozess. Der Spielablauf ist aber derart einfach, dass auch taktisch geschulte Kinder mit Spielerfahrung ab zehn Jahren problemlos mitspielen können.
«Die Quacksalber von Quedlinburg» ist ein unheimlich emotionales, packendes, lustiges Spiel, das wahnsinnig unterhält. Es ist eine beachtliche Autorenleistung von Wolfgang Warsch, der uns auch bereits «The Mind» geschenkt hat.
Man kann sich aber natürlich strenggenommen auch fragen, ob die offensichtlich zu einfache Möglichkeit zu schummeln durch einen Kniff im Spiele-Design noch irgendwie vermeidbar gewesen wäre. Also, seid einfach ehrlich, liebe Kinder!
Ja, problemlos und auch dann ist es sehr unterhaltend und bleibt spannend und witzig.