Kein Zweifel: Die Serie ist so richtig lanciert, ein weiterer Schlagabtausch mit High-Speed-Passfolgen und Spielwitz scheint programmiert.
«17:4 Torschüsse für Zürich im zweiten Drittel, 23:3 für uns im letzten Drittel», registrierte Zugs Trainer Harold Kreis (59) in Spiel 2. Der eloquente Deutsch-Kanadier hat als Headcoach schon zwei Mal Schweizer Meister-Geschichte geschrieben.
2006, als er in Lugano nach Spiel 2 der Viertelfinal-Serie gegen Ambri-Piotta einsprang und die Südtessiner nach einem 0:3-Rückstand in der Serie noch zum Weiterkommen und schliesslich zum Titelgewinn führte. 2008 wurde er Meister mit den ZSC Lions, die damals aus Position 6 und damit nur um eine Position besser als jetzt in die Playoffs gegangen waren.
Als Trainer des letztjährigen Finalisten Zug weiss Kreis, «dass wir den ZSC Lions in Spiel 2 zu lange zuviel Platz gelassen haben.» Mit einem «Verzweiflungs-Hockey» erfolgte im Schlussdrittel die Aufholjagd vom 1:4 zum 4:4. «Der Hockey-Gott liess dann die Partie auf die Seite der ZSC Lions kippen», konstatierte Zugs Verteidiger Santeri Alatalo.
Immerhin: EVZ-Trainer Kreis sah «Kampfgeist, Charakter und Entschlossenheit» in seinem Team. Er verspricht: «Am Donnerstag werden wir vom ersten Bully weg aufs Eis bringen, was uns stark macht.»
Natürlich erwartete Kreis «niemals», dass sein Team gegen die ZSC Lions durchmarschiert. Zwei Drittel lang liess man aber die «Verwandlung» der ZSC Lions zu. Die ehedem mit sich hadernden und fehleranfälligen Zürcher traten die Flucht nach vorne an. Mit noch mehr Speed überrumpelten sie die spritzigen Zuger, die gar nicht erst in die Zweikämpfe kamen. Es ist das wohl erfolgversprechendste Rezept für die Lions angesichts der eher mangelhaften defensiven Stabilität.
Erreicht ein ehedem unterschätztes Team die «Flow»-Stufe, sind die Leistungsgrenzen aufgehoben. So gewann die Schweiz 2013 WM-Silber. Und die ZSC Lions 2008 oder 2012 den Meistertitel, in der Saison 2008/2009 die Champions Hockey League und im September 2009 den Victoria Cup gegen die Chicago Blackhawks, die wiederum am Ende jener Saison den Stanley Cup holten.
Der frühere EVZ-Stürmer Fabrice Herzog, der Doppeltorschütze vom Dienstag, ist ein Musterbeispiel für die angedeutete «Entfesselung» der Lions. In der Qualifikation mit sieben Toren deutlich unter seinem Wert geblieben, ist der Schweizer Nationalstürmer und letztjährige WM-Matchwinner gegen Kanada (Doppeltorschütze beim 3:2 n.V.) wieder zum dynamischen Goalgetter mutiert. Kein Wunder, betont dessen Sturmpartner Chris Baltisberger: «Wir haben Leben, und wir haben Feuer.»
Und die Lions geben dem Puck mit mehr Geradlinigkeit die Chance, ins Tor zu gehen. Dadurch fiel auch das Siegtor in Spiel 2 nach abgefälschtem Schuss von Fredrik Pettersson. Oder vorher das «Kopftor» von Captain Patrick Geering im Powerplay.
Geering sprach gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur sda von einer wiedergefundenen Balance, «wann wir die Scheibe weghauen müssen, und wann ein Pass möglich ist. Am Dienstag bezahlten wir im Schlussdrittel noch Lehrgeld, weil wir nur verwalten wollten. Das dürfen wir am Donnerstag nicht tun.»
Klar ist: Im Fall der ZSC Lions geht es aktuell nicht nur um das übliche «einer für alle», sondern umgekehrt sehr stark um alle für einen. Denn das gesamte Team will Geerings Captain-Vorgänger, Mathias Seger (40), das Karriere-Ende veredeln und den Abschied des «Captains der Nation» («20 Minuten») möglichst weit hinauszögern – am besten mit elf weiteren Siegen in der verbleibenden Saison. (abu/sda)