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Vor einem Jahr verloren wir zum WM-Auftakt im Penaltyschiessen gegen den späteren Absteiger Österreich 3:4 nach Penaltys. Jetzt haben wir auch in Moskau gegen den mutmasslichen späteren Absteiger, gegen Kasachstan, nach Penaltys verloren (2:3). Kein Grund zur Panik.
Vor einem Jahr mussten wir nach der Auftaktniederlage um unsere Nationalmannschaft bangen. Sie hatte nach einer miserablen Leistung völlig verdient verloren. Nationaltrainer Glen Hanlon war völlig überfordert – und trotzdem taumelten die Schweizer anschliessend zu zwei Siegen (3:1 gegen Frankreich, 1:0 gegen Deutschland) und schliesslich ins Viertelfinale. Wo sie gegen die USA ehrenvoll ausschieden (1:3).
Die Niederlage gegen Kasachstan ist zwar schmählich, aber leistungsmässig bei weitem nicht vergleichbar mit der WM-Pleite gegen Österreich. Also gibt es keinen Grund zur Panik. Wenn wir dieses Spiel gegen Kasachstan zehnmal wiederholen könnten, dann gäbe es zehn Siege für die Schweiz. Wir waren in allen Bereichen überlegen, dominierten die Kasachen zu Wasser, zu Land und in der Luft, in allen drei Zonen, auf den Aussenbahnen und in der Mitte (51:27 Torschüsse).
In vielen Szenen zeigte sich eine Leidenschaft, die wir vor einem Jahr schmerzlich vermisst haben. Unmittelbar nach dem zu Recht annullierten 1:0 (Andrighetto) erzielt die gleiche Sturmlinie doch das 1:0. Unmittelbar nach dem bitteren Gegentreffer zum 1:1 verhindert Reto Berra mit einer grossen Parade das 1:2. Diese Niederlage liefert die Blaupause zum Klassiker «die bessere Mannschaft hat verloren».
Die Reaktionen der verschiedenen Exponenten nach dem Spiel zeigen, dass diese Niederlage die Mannschaft nicht in den Grundfesten erschüttert hat. Torhüter Reto Berra stellt sich den Fragen der Chronistinnen und Chronisten. Er sagt: «Es war ein futzdummes Tor – bitte entschuldigen Sie den Ausdruck.» Er suchte nicht nach Ausreden und Rechtfertigungen. Er lieferte lediglich eine Erklärung: Die Scheibe seit nicht gradlinig auf ihn zugeflogen. Sie habe geflattert. Und das war tatsächlich so.
Seine Schlussfolgerung: «Wir müssen diese Niederlage wegstecken. Nach einem Sieg nicht euphorisch werden, nach einer Niederlage nicht den Mut verlieren – so ist das bei einem Turnier.» Sein Trainer Patrick Fischer wird später sagen, er habe so ein Gegentor im Powerplay und von hinter der blauen Linie auch noch nie gesehen. Aber Reto Berra sei mental robust und habe diesen Gegentreffer weggesteckt.
Es wäre keine Überraschung, wenn Patrick Fischer fürs nächste Spiel (Sonntag, 15:15 Uhr gegen Norwegen) noch einmal Reto Berra das Vertrauen schenkt und dann erst in der dritten Partie am gegen Dänemark zum ersten Mal Robert Mayer einsetzt.
So viel Dramatik steckte nicht oft in einer Niederlage. Wenn schon eine Pleite, dann eine, die reichlich Gesprächsstoff liefert. Was ja im Sinne der Vermarktung ist, der Herzensangelegenheit von Verbandsdirektor Florian Kohler. Hätte Reto Berra diesen Puck, der zum 1:1 ins Netz fuhr abgewehrt und dafür in der nächsten Phase das 1:1 zugelassen (er verhinderte mit einer grandiosen Parade einen Gegentreffer) – dann hätte das Spiel auch 1:1 gestanden und niemand würde von Reto Berras reden.
Und auch Lino Martschini hat seine dramatische Geschichte: seinen ersten Penalty hatte er souverän versenkt – und beim zweiten, beim entscheidenden und letzten Penalty kam er nicht einmal zum Abschluss. Er verlor vorher die Kontrolle über die Scheibe. Eine Schmach für einen Stürmer, fast so wie ein haltbarer Gegentreffer für den Goalie.
Verteidiger Raphael Diaz ist, wie seine Mitspieler, nach dem Spiel enttäuscht, aber keineswegs mutlos und er sucht auch gar nicht nach Ausreden: «Es war manchmal schon fast zum Verzweifeln. Aber wenn wir so weiterspielen, dann werden die Pucks reinfallen.» So ist es oft: wenn eine Mannschaft zu überlegen ist. Dann drängen sich meistens zehn Feldspieler vor dem Tor zusammen, es gibt keine freien Räume, immer wieder lenkt doch noch ein Bein oder Arm oder sein Stock die Scheibe ab und es gelingt nicht mehr, das Spiel richtig zu strukturieren.
Von zentraler Bedeutung ist natürlich das Wesen und Wirken des Leitwolfes. Vor einem Jahr in Prag ist Nationaltrainer Glen Hanlon in Prag nach der Auftakt-Niederlage verunsichert, ja fast verdattert. Sein Nachfolger Patrick Fischer wirkt nun hier in Moskau nach der Start-Niederlage hingegen souverän. Beantwortet ruhig und gelassen alle Fragen.
Er sagt: «Die Marschrichtung stimmt. Wir müssen ruhig bleiben und an uns glauben. Wir haben vieles richtig gemacht und sehr vieles hat mir gefallen. Wir dominierten den Gegner, wir spielten mutig vorwärts und die Moral ist gut. Wir liessen uns auch durch Missgeschicke nicht entmutigen.»
Er ist ja ein geschichtsbewusster Motivator und hat 1291, das Gründungsdatum unserer Eidgenossenschaft, als WM-Motto gewählt. Nun wäre eigentlich 1515 passend. 1515 verloren die Schweizer die Schlacht von Marignano. Es war eine bittere Niederlage. Aber die Folgen dieser Niederlage waren letztlich positiv: es war der Beginn unserer Neutralität und letztlich beginnt der Aufstieg der Schweiz zum erfolgreichsten Kleinstaat der Welt mit Marignano 1515.
Patrick Fischer stimmt dieser launigen Interpretation eines vorwitzigen Chronisten durchaus zu, gibt aber zu bedenken: «Wir können nicht nach jedem Spiel ein neues Motto kreieren. Es bleibt bei 1291 ...»