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Eishockey ist, wenn am Ende doch Kanada gewinnt.
Eishockey ist, wenn Kraft und Härte der Kanadier am Ende doch über die taktische Schlauheit und die Schnelligkeit der Schweizer triumphieren.
Eishockey ist, wenn die Abpraller von Jonas Hiller doch zur Niederlage führen.
So lässt sich polemisch der Auftakt zur grossen Olympia-Expedition gegen Kanada zusammenfassen. Wir werden später diese Behauptungen noch etwas relativieren.
Unsere «Baukasten-Nationalmannschaft» war lange Zeit besser. «Baukasten-Nationalmannschaft» deshalb, weil neun Spieler des gestrigen Teams die Reise nach Finnland für die Partien gegen Tschechien (Freitag) und Russland (Samstag) nicht mitmachen. Sie werden durch einen Bieler und zehn Berner und Zürcher ersetzt, die am Dienstag noch auswärts in der Champions Hockey League engagiert waren.
Dieses Kommen und Gehen, Demontieren und neu Aufbauen, Auseinandernehmen und wieder Zusammensetzen macht Sinn. Einerseits um die Belastung der einzelnen Spieler im vernünftigen Rahmen zu halten und andererseits um so viele Spieler wie möglich zu sichten.
Zur Olympia-Vorbereitung bleibt nachher ja nur noch der Spengler Cup – und dort wird nicht mehr experimentiert. Sondern soweit wie möglich mit der Olympia-Mannschaft der Ernstfall geprobt.
Die eingangs aufgestellten Behauptungen galten gegen die Kanadier lange Zeit nicht. In einer intensiven, schnellen und hochstehenden Partie kompensierten die Schweizer ihre physische Unterlegenheit bis weit ins zweite Drittel hinein durch Mut, Schnelligkeit und Taktik.
Und es sah ganz danach aus, als müsste ein Kapitel der neueren Hockeygeschichte ein wenig umgeschrieben werden. Die internationale Karriere von Jonas Hiller (35) schien ja bei der WM in Paris im letzten Mai beendet. Er war gegen Kanada nach zwei Gegentreffern in der 7. Minute durch Leonardo Genoni ersetzt worden. Die Schweizer machten anschliessend aus dem 0:2 ein 3:2 nach Verlängerung.
Gegen die Kanadier kehrte der ehemalige NHL-Titan und HCD-Meistergoalie nun wieder auf die internationale Bühne zurück und liess erkennen, warum er in der NHL zum Dollar-Millionär geworden ist. Kurz nach Spielmitte gelang ihm gegen Linden Vey sogar eine «Jahrhundert-Parade».
Jonas Hiller with an absolutely incredible glove save, easily the best today. Linden Vey can't believe it. #KarjalaCup pic.twitter.com/aEu0VgO9oq
— Steven Ellis (@StevenEllisNHL) 8. November 2017
Wer polemisiert hatte, dass Jonas Hiller nur aufgeboten worden sei, weil diese Partie in Biel gespielt wurde, musste sich korrigieren. Ganz offensichtlich ist es für einen Torhüter etwas einfacher, hinter einer nationalen als hinter einer regionalen Verteidigung zu spielen. Also im Tor der Nationalmannschaft statt im Kasten der Bieler zu stehen.
Jonas Hiller als Nummer zwei hinter Leonardo Genoni ans Olympische Turnier? Bei Spielhälfte mussten wir sagen: Ja, auf jeden Fall. Er war drauf und dran, mit einem sensationellen Comeback ein Hockey-Märchen zu schreiben.
Die Kanadier traten zwar auch nicht mit dem definitiven Olympia-Team an. Auch sie testen noch. Cheftrainer Willie Dejardins sagt, nach wie vor gehe es darum, aus einem Pool von rund 60 Spielern die Mannschaft fürs olympische Abenteuer zusammenzustellen. «Wir werden beim Spengler Cup weitere Spieler testen.»
Aber alles in allem dürfte das kanadische Olympiateam ungefähr die Kragenweite der Mannschaft haben, die in Biel angetreten ist. Was zu kühnen olympischen Hoffnungen berechtigt. Denn bis weit ins zweite Drittel hinein hielten wir den potenziellen Olympiasieger im Schach.
Aber die Eishockeygeschichte muss doch nicht umgeschrieben werden. In der zweiten Hälfte der Partie setzten sich die kräftigeren, bissigeren, standfesteren Kanadier durch. Assistent und Hockeylegende Dave King fasst es in einem Satz zusammen: «Wir bekamen in den Zweikämpfen nach und nach die Oberhand.» Wie erwartet.
Nice hit here by Sciaroni for Switzerland. #KarjalaCup pic.twitter.com/j5aCi0m1lx
— Steven Ellis (@StevenEllisNHL) 8. November 2017
Und so kam es, dass sich Jonas Hiller auch im eidgenössischen Dress im Bieler Hockeytempel wieder heimischer fühlte: Die nationalen Verteidiger brachten – wie in der Meisterschaft die Bieler Abwehrspieler – die Abpraller nicht mehr unter Kontrolle. Wie erwartet.
Die drei Treffer waren letztlich «Bieler Tore». Zwei fielen nach Abprallern von Jonas Hiller, die von den Verteidigern nicht «verarbeitet» werden konnten und eines durch einen Ablenker: Eric O’Dell liess sich von unseren Verteidigern nicht aus dem Slot vertreiben. So fallen in der Meisterschaft die meisten Tore gegen Biel. Ob die Schweizer mit Leonardo Genoni gegen die Kanadier gewonnen hätten wie bei der WM in Paris? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Es gab letztlich also kein Happy-End für das angefangene Hockeymärchen. Jonas Hiller doch nicht als Nummer zwei hinter Leonardo Genoni ans Olympische Turnier? Wir sollten nicht voreilig urteilen. Wir können noch immer sagen: Ja, warum nicht? Die Fangquote (90,32 Prozent) war zwar zu wenig gut, um gegen Kanada zu gewinnen. Aber gut genug für eine weitere Chance in der Olympia-Vorbereitung.
Auch wenn am Ende also die Kanadier gewonnen haben: Die olympischen Hoffnungen bleiben. Die Art und Weise, wie die Schweizer ohne Torhüter (Jonas Hiller war durch einen Feldspieler ersetzt worden) noch den Anschlusstreffer (zum 2:3) erzwangen, offenbarte Selbstvertrauen und Siegermentalität.